Die Zusammensetzung der Deutschen Islamkonferenz soll sich verändern. Hier ein Bild von 2013. (Foto: Imo|photothek.net / Deutsche Islam Konferenz)
Islamkonferenz

Dialog auf dem Boden der Verfassung

Das Bundesinnenministerium plant eine Überarbeitung des Konzeptes der Islamkonferenz. Künftig sollen weniger die viel kritisierten streng konservativen Islamverbände, sondern mehr die nicht organisierten Muslime einbezogen werden.

Das Innenministerium will die Deutsche Islamkonferenz neu ausrichten. Man müsse viel stärker als bisher die Vielzahl der in Deutschland noch nicht organisierten muslimischen Mitbürger in das Zentrum der Islamkonferenz stellen, sagte der für den Bereich Heimat im Bundesinnenministerium zuständige Staatssekretär Markus Kerber der Bild-Zeitung. Damit wird an eine langjährige Kritik an der Zusammensetzung der Islamkonferenz aufgegriffen, die bislang vor allem auf die erzkonservativen Islamverbände setzte, die obendrein nur 10 bis 20 Prozent der deutschen Muslime vertreten.

Scharfe Kritik am alten Konzept

Die Deutsche Islamkonferenz soll die Integration der Muslime in Deutschland voranbringen. Doch die Hörigkeit des Ditib-Verbandes zum türkischen Diktator Recep Erdogan, verbunden mit einer Spitzeltätigkeit einzelner Imame, haben dafür gesorgt, dass die konservative Ausrichtung der Verbände in den Fokus rückte. Besonders kritisch wird der „Koordinierungsrat der Muslime“ betrachtet, der vier sehr konservative Verbände vereint, darunter Ditib.

Wir werden nicht zulassen, dass eine kleine Minderheit von Rückwärtsgewandten hier die Regeln ihrer Großväter zu installieren versucht.

Maria Böhmer, Integrationsbeauftragte 2005-2013

So gab es Kritik an den von den beteiligten Verbänden teils geäußerten Forderungen nach getrenntem Schwimmunterricht von Mädchen und Jungen sowie ihrer Unterstützung für das Tragen von Kopftüchern. Alle problematischen Themen würden in der Konferenz bewusst vermieden, kritisierte zudem der Extremismusexperte Ahmad Mansour 2016. Kritiker würden gleich als „islamophob“ eingestuft.

„Wir werden nicht zulassen, dass eine kleine Minderheit von Rückwärtsgewandten hier die Regeln ihrer Großväter zu installieren versucht“, betonte 2007 die damalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). Kulturelle Vielfalt sei zwar schön und bereichernd, ende aber da, wo Deutschlands Grundwerte und -rechte in Frage gestellt würden.

Ohne Reformen keine Konferenz

Zuletzt hatten im März wieder säkulare Migrantenverbände scharfe Kritik vorgebracht und Reformen an der Islamkonferenz angemahnt – ohne Änderungen sei diese gescheitert. Das will nun das Bundesinnenministerium aufgreifen. Vermutlich im November sollen auch wieder Einzelpersonen zugelassen werden, und zwar „sicher auch kritische muslimische Stimmen zum Islam“, betonte Kerber in der Bild. „Viele Muslime in Deutschland suchen eine deutsch-muslimische Heimat und finden sie nicht.“

Kann es einen deutschen Islam geben, der auf den rechtlichen und kulturellen Rahmenbedingungen in Deutschland basiert?

Markus Kerber, Staatssekretär

Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte bereits Ende April in der FAZ angekündigt, die Islamkonferenz neu aufstellen zu wollen und später noch erklärt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Die hierzulande lebenden Muslime gehörten aber selbstverständlich zu Deutschland. Dies bedeute allerdings nicht, dass „wir deswegen aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben“.

Danach gefragt, antwortete jetzt der Staatssekretär: „Kann es einen deutschen Islam geben, der auf den rechtlichen und kulturellen Rahmenbedingungen in Deutschland basiert?“ Die Antwort könnten „allein deutsche Muslime geben“. Der Staat könne dafür nur Rahmenbedingungen schaffen.

Ein deutscher Islam?

Zur Aufgabe der kommenden Islamkonferenz sagte Kerber, es gebe einen deutschen Katholizismus, einen deutschen Protestantismus und ein deutsches Judentum. „Und wenn es einen Islam geben soll, der zu Deutschland gehört, dann müssen die deutschen Muslime ihn als ‚deutschen Islam‘ definieren – und zwar auf dem Boden unserer Verfassung.“ Themen sind  etwa die fehlenden Staatsverträge, der islamische Religionsunterricht und Lehrstühle für islamische Theologie an deutschen Hochschulen – und damit die Ausbildung von Imamen in Deutschland.

Kerber wandte sich gegen die Einflussnahme der Türkei. Dies sei schon deshalb nötig, „um die Interessen der muslimischen deutschen Staatsbürger besser schützen zu können“. Jede Art von Einmischung sei unerwünscht, dies habe auch die Kanzlerin deutlich gemacht.

Muslime in Deutschland

2006 hatte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Islamkonferenz als Dialogforum zwischen Staat und Muslimen ins Leben gerufen. Als Abteilungsleiter im Ministerium war Kerber maßgeblich an der Konzeption beteiligt. Nach der DIK-Studie „Islamisches Gemeindeleben in Deutschland“ (BAMF 2012) kann von rund 2350 Moscheegemeinden in Deutschland ausgegangen werden, in rund 2200 davon ist ein Imam tätig. Die meisten Moscheen werden von den Konservativen kontrolliert: Die Ditib betreut rund 900 Moscheen in Deutschland, dahinter folgen der Islamrat (inkl. Milli Görüs) mit rund 400 Gemeinden, der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ) sowie der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) mit jeweils rund 300 Gemeinden.

Von 2011 bis 2015 sind laut Bundesinnenministerium rund 1,2 Millionen Muslime neu nach Deutschland gekommen. Für die Folgejahre ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Aufgrund der Herkunftsregionen der Neuzugewanderten kann davon ausgegangen werden, dass sunnitische Moslems weiter die mit Abstand größte Glaubensrichtung bilden (etwa 75 Prozent), gefolgt von Aleviten mit einem Anteil von 13 Prozent und Schiiten mit einem Anteil von 7 Prozent.

Der Anteil der Muslime mit türkischem Migrationshintergrund ist von 67,5 Prozent (2011) auf 50,6 Prozent (2015) gesunken. Danach folgen die Regionen Naher Osten (17,1 Prozent), Südosteuropa (13,6 Prozent), Südostasien (8,2 Prozent) und Nordafrika (5,8 Prozent).