Psychologe und Autor Ahmad Mansour. (Bild: Imago/Emmanuele Contini)
Islam-Debatte

„Wir Muslime müssen etwas ändern“

Der Islam-Experte Ahmad Mansour unterstützt Horst Seehofers Haltung in der Islam-Debatte: In vielen Moscheevereinen seien demokratische Positionen in der Minderheit. Der sogenannte moderate Islam sei der radikalen Auslegung zu ähnlich.

In der Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht, bekommt Bundesinnenminister Horst Seehofer Unterstützung von einem namhaften Islamismus-Experten. Der in Israel geborene Araber Ahmad Mansour hält die von Seehofer angestoßene Diskussion für notwendig: „Wir brauchen eine ehrliche Debatte um Glaubensinhalte, Strukturen und die Zukunft des Zusammenlebens.“

Es ist ja keiner ernsthaft der Meinung, der Salafismus gehöre zu Deutschland.

Ahmad Mansour, Islam-Experte

Kritisch sieht der Psychologe und Autor dagegen die Position von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sie „undifferenziert“, sagte Mansour im Gespräch mit der Berliner Tageszeitung Die Welt. Die Bundeskanzlerin hatte zuletzt in ihrer Regierungserklärung betont, „dass der Islam inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist“. Mansour wirft der Kanzlerin eine unreflektierte Argumentation vor: „Es ist ja keiner ernsthaft der Meinung, der Salafismus gehöre zu Deutschland.“

Die 76 Prozent haben recht

Großes Verständnis hat Mansour dagegen für die 76 Prozent der Deutschen, die wie Horst Seehofer der Auffassung sind, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. „Diese 76 Prozent sind ja nicht alle rechtsradikal.“ Sondern, so Mansour, sie hätten schlicht Angst vor islamistischem Terror in Deutschland. Dazu erlebten die Deutschen dann noch „Muslime, die versuchen, Sonderrechte für ihren Glauben durchzusetzen“ und „Moscheen, die zur Bühne von Hassprediger und ausländische Politik werden“. Mansour: „Da entsteht ein Gefühl der Überfremdung.“

In vielen Islamverbänden und Moscheevereinen sind demokratische Positionen in der Minderheit.

Ahmad Mansour

Mansour, der von 2012 bis 2014 Angehöriger der Deutschen Islamkonferenz war, deutet sogar an, dass nicht nur einige wenige radikale, sondern ziemlich viele Muslime deutschen und westlichen Werten fern stehen: „In vielen Islamverbänden und Moscheevereinen sind demokratische Positionen in der Minderheit.“ Da gebe es „Geschlechterapartheid, Sprech- und Denkverbote und Antisemitismus“.

Wie moderat sind die Moderaten?

Mansour hält zudem wenig von der viel beschworenen Unterscheidung zwischen moderatem Islam und Islamismus. Die Muslime insgesamt müssten ihre Religion reformieren, schrieb er bereits vor vier Jahren im Magazin Der Spiegel. Denn: „Der moderate Islam ist der radikalen Auslegung des Glaubens zu ähnlich.“

Da liegt das Problem: bei unhaltbaren Einstellungen vieler Muslime.

Ahmad Mansour

Die Islamisten, erläutert der 2017 eingebürgerte Mansour, hätten im Prinzip nichts neues erfunden: „Sie haben schlicht die Inhalte des gängigen Islamverständnisses überspitzt und radikalisiert.“ Die Haltung der Radikalen zum Umgang mit ‚Ungläubigen‘, zur Gemeinschaft der Muslime oder zur Rolle von Mann und Frau unterscheide sich „nur graduell, nicht prinzipiell“ von der der sogenannten Moderaten. Mansour: „Da liegt das Problem: bei unhaltbaren Einstellungen vieler Muslime.“

Gefährliche Strömungen

Im Spiegel erinnerte Mansour vor vier Jahren auch an das Beispiel einer Moscheegemeinde in Deutschland, die sich öffentlich vom Terror des Islamischen Staats distanzierte hatte − aber gleichzeitig Bücher des radikalen Islamisten Jussuf Al-Qaradawi verkaufte. Quaradawi, so Mansour, legitimiere Selbstmordattentate, verharmlose die Schoah und wünsche sich, dass Muslime die ‚Arbeit‘ von Hitler vollendeten.

Wir Muslime sind es, die etwas an uns und unserem Verständnis des Islam ändern müssen.

Achmad Mansour

Mansour: „Ihre Gefährlichkeit verdanken die radikalen Strömungen nicht so sehr der Differenz zum ‚normalen‘ Islam, als viel mehr der Ähnlichkeit.“ All zu häufig fehle in den Moscheen die Selbsterkenntnis, „dass wir es sind, wir Muslime, die etwas an uns und unserem Verständnis des Islam ändern müssen.“ Ob der Islam sich reformieren kann, lässt Mansour offen.