Das Trio Infernale der SPD (v.l.): Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Parteichef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Thomas Oppermann. Letzterer steht ziemlich im Mittelpunkt der Edathy-Affäre – vor allem ei der Frage, auf welchen Wegen Edathy vor den Kinderporno-Ermittlungen gewarnt wurde. (Bild: imago/Xinhua)
Edathy-Affäre

SPD-Aussagen werfen neue Fragen auf

„Rette sich wer kann – nervöse SPD“, titelt die DPA über die Ereignisse im Edathy-Untersuchungsausschuss. In der Tat haben die Aussagen von SPD-Chef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Thomas Oppermann und Außenminister Frank-Walter Steinmeier viele neue Fragen aufgeworfen. Oppermanns Befragung wurde gegen Mitternacht gestoppt, er wird am 1. Juli erneut vernommen.
  • Aktualisiert am 19. Juni 2015, 10.30 Uhr

Eine Zeugenaussage seines Parteichefs Sigmar Gabriel zur Edathy-Affäre hat den SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in Bedrängnis gebracht. Oppermann verlas im Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Kinderporno-Affäre um den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy eine mehrseitige Erklärung. Damit wollte er versuchen, alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Nicht nur bei Grünen und Linken, auch bei der Union blieben Zweifel: „Die Befragung von Bundesminister Gabriel wirft nicht nur ein schlechtes Licht auf Oppermann, sondern steht im Widerspruch zu dessen Äußerungen“, sagte das CSU-Mitglied im Untersuchungsausschuss, Michael Frieser.

„Auf Gabriel ist kein Verlass“, kommentiert Frieser die Aussage des SPD-Chefs weiter. Gabriel könne sich zwar nicht genau erinnern, wann genau er Oppermann über Edathy informiert hatte – jedenfalls  aber nicht unmittelbar nach der Information durch Friedrich. Seiner Erinnerung nach sei er bereits im Auto auf dem Heimweg gewesen, als er Oppermann kontaktierte. „Zu dem Zeitpunkt hatte Oppermann aber bereits mit BKA-Chef Jörg Ziercke gesprochen“, betont Frieser. „Das erhärtet den Verdacht, dass Oppermann nicht auf die Information von Friedrich angewiesen war, da seine guten Kontakte nach Niedersachsen ihn bereits in Kenntnis gesetzt hatten. Galt es diesen Umstand mit der eilig gefertigten Pressemitteilung zu verschleiern?“

Frieser stellt klar, dass er mit der Aussage des ehemaligen Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich völlig zufrieden ist: „In seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss stellte Hans-Peter Friedrich klar, dass er davon ausging, dass Sigmar Gabriel als Vizekanzler in spe die Information zu Sebastian Edathy wie versprochen vertraulich behandeln würde. Immerhin hätte Gabriel auch ohne weitere Mitwisser verhindern können, dass ein Konsument von Kinderpornografie Teil der deutschen Regierung wird“, so Frieser. „Dass Gabriel eine ganze Informationskette in Gang setzte, wurde Friedrich erst gewahr, als Thomas Oppermann ihm seine Pressemitteilung am Telefon vorlas. Friedrich steht dazu, dass bekannt wurde, dass er Gabriel informierte, denn er tat es in der besten Absicht. Oppermann hingegen veröffentlichte die Pressemitteilung hauptsächlich im eigenen Interesse.

Schwierige Aufklärung im Pädo-Sumpf

Seit Monaten versucht der Ausschuss, die politischen Hintergründe der Kinderpornografie-Affäre um den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy aufzuklären. Edathy hatte im Februar 2014 sein Mandat niedergelegt, nachdem Vorermittlungen gegen ihn wegen des Erwerbs und Besitzes von kinderpornografischem Material eingeleitet wurden. Die Vermutung lautet: Edathy wurde gewarnt. Aber von wem? Wann? Und aus welchen Gründen? Edathys Bundestags-Laptop wurde ihm angeblich Anfang 2014 während einer Zugfahrt von Hannover nach Amsterdam gestohlen – kurz nachdem die Staatsanwaltschaft Hannover einige seiner Wohn- und Büroräume durchsuchen ließ. Ein merkwürdiger Zufall.

Daher mussten die drei SPD-Spitzenpolitiker, Parteichef Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Fraktionschef Thomas Oppermann vor dem Ausschuss aussagen. Sie sind alle drei eng mit dem SPD-Landesverband Niedersachsen verflochten, dem auch Edathy angehört: Gabriel und Oppermann wohnen noch heute in Niedersachsen, Steinmeier stammt aus dem benachbarten Ostwestfalen und war Chef der niedersächsischen Staatskanzlei. Auch der damalige BKA-Präsident Jörg Ziercke ist SPD-Mitglied, er stammt aus dem benachbarten Schleswig-Holstein.

Gabriels Aussage wirft viele neue Fragen an Oppermann auf

Gabriels Aussage indes warf viele neue Fragen auf. Gabriel sagte, er habe Oppermann am 17. Oktober 2013 erst nach Ende der Sondierungsgespräche mit der Union vom Verdacht der Polizei gegen den damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy berichtet. Gabriel berief sich auf „rudimentäre Erinnerungen“ und sagte: „Das kann eigentlich nur im Auto auf dem Weg nach Hause gewesen sein.“ Das wäre dann erst Abends gewesen.

Das wirft nach Einschätzung von Beobachtern die Frage auf: Wusste Oppermann schon vor Gabriels Anruf aus einer anderen Quelle, dass Edathy im Ausland bedenkliche Nacktbilder von Knaben bestellt hatte? Denn Oppermann rief an diesem Tag nach Angaben aus dem Bundeskriminalamt (BKA) schon um 15.29 Uhr bei BKA-Präsident Jörg Ziercke an. Der SPD-Politiker wollte sich von Ziercke bestätigen lassen, dass gegen Edathy Ermittlungen liefen.

Zu Beginn der Sitzung war der frühere Bundesinnen- und spätere Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vernommen worden. Friedrich ist de facto das einzige politische Opfer der Affäre: Er musste als Landwirtschaftsminister zurücktreten, nachdem Oppermann in einer Presseerklärung öffentlich gemacht hatte, dass Friedrich während der Sondierungsgespräche zur großen Koalition im Oktober 2013 SPD-Chef Gabriel vertraulich über die Ermittlungen gegen Edathy informiert hatte. Die Berliner Staatsanwaltschaft stellte ein Verfahren wegen Geheimnisverrats gegen Friedrich später wegen geringer Schuld ein.

Friedrich: Gabriel sicherte Vertraulichkeit zu

Friedrich sagte vor dem Ausschuss, sein damaliger Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche habe ihm im Oktober 2013 nicht nur von dem Verdacht der Polizei gegen Edathy berichtet. Der Staatssekretär habe ihm damals auch geraten, SPD-Chef Sigmar Gabriel sofort darüber zu informieren. Fritsche habe gesagt: „Du musst es dem Gabriel sagen“. Fritsche ist heute Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Friedrich bedauerte sein Vorgehen nicht. Er sagte, er habe es für seine Pflicht gehalten, zu verhindern, dass Gabriel jemandem wie Edathy ein wichtiges Partei- oder Regierungsamt überträgt.

Friedrich betonte, dass Gabriel Vertraulichkeit zugesichert habe. „Ich hatte keinen Zweifel, dass Gabriel Vertraulichkeit wahrt“, so Friedrich. „Ich musste doch davon ausgehen, dass der künftige Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland mit vertraulichen Informationen vertraulich umgeht.“ Die „Welt“ kommentierte Friedrichs Auftritt so: „Sein aufrichtiges Ansinnen, das Land (und den potenziellen Koalitionspartner SPD) vor einem Sicherheitsrisiko namens Edathy zu warnen, untermauert Friedrich überzeugend.“