Neue Belastungen aus Brüssel: Pläne der EU könnten zu neuen Flüchtlingswellen an der deutschen Grenze führen, hier nahe Passau. (Foto: Imago/Bildgehege)
Europa

Asylreform mit Nebenwirkungen

Eine Reform des Dublin-Abkommens sowie weitere Gesetzespläne der EU könnten für Deutschland einen enormen Effekt haben: Sie könnten weitere hunderttausende Asylbewerber ins Land bringen, insbesondere durch einen weit gefassten Familienbegriff.

Die Bundesregierung befürchtet, dass Deutschland durch neue Asylbestimmungen der Europäischen Union (EU) deutlich mehr Flüchtlinge aufgebürdet werden könnten. Es gehe um Änderungen, die das Europaparlament an Gesetzesinitiativen der EU-Kommission vornehmen wolle, schrieb nun das Magazin Der Spiegel. Diese Pläne gehen auch aus der Europa-Resolution der CSU-Bundestagsabgeordneten aus Kloster Seeon hervor.

Erheblich mehr Asylsuchende befürchtet

Demnach solle nicht mehr automatisch das Land, in dem ein Flüchtling die EU erreiche, für dessen Asylverfahren zuständig sein, sondern nach einem festen Schlüssel die EU-Länder. Bestehende Beziehungen zu einem Land sollen aber berücksichtigt werden, also wäre das Land zuständig, in dem bereits Angehörige des Bewerbers leben. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte der Deutschen Presse-Agentur, diese Überlegungen „machen uns von der Grundausrichtung her Sorgen“. Hauptaugenmerk sei nun, diese Dinge im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs zu verhandeln.

Die Pläne des Europaparlaments könnten zu neuer Zuwanderung in nicht absehbarem Ausmaß führen.

Stephan Mayer, CSU, MdB

CSU-Innenexperte Stephan Mayer warnte in der Bild-Zeitung: „Die Pläne des Europaparlaments könnten zu neuer Zuwanderung in nicht absehbarem Ausmaß führen. Der Rat muss dem einen Riegel vorschieben. Die Verantwortung muss bei den Einreisestaaten bleiben, damit diese ihre Grenzen ordentlich sichern.“ Allerdings bliebe es auch bei dem Reformkonzept dabei, dass die Staaten mit EU-Außengrenzen weiter für die Sicherheitschecks der Migranten zuständig sind. Offensichtliche Wirtschaftsflüchtlinge dürften auch nicht weiterreisen.

Überdehnter Familienbegriff

Nach den Vorstellungen des Europaparlaments „müsste Deutschland erheblich mehr Asylsuchende aufnehmen“, heißt es dem Spiegel zufolge auch in einem Vermerk des Innenministeriums. Obergrenzen würden „zunichte gemacht“. Besondere Sorge bereitet den Fachleuten laut dem Magazin, dass nach den Parlamentsvorschlägen „faktisch die bloße Behauptung einer Familienverbindung ausreichen“ soll: „Im Ergebnis würde ein Mitgliedstaat, in dem sich bereits zahlreiche ‚Ankerpersonen‘ befinden, für weitreichende Familienverbände zuständig.“ Denn obendrein soll es auch noch einen erweiterten Familienbegriff geben.

Innenstaatssekretär Ole Schröder (CDU) sagte: „Wenn jeder der über 1,4 Millionen Menschen, die seit 2015 in Deutschland Asyl beantragt haben, zur Ankerperson für neu in der EU ankommende Schutzsuchende wird, reden wir über ganz andere Größenordnungen als bei der Familienzusammenführung.“ CSU-Innenexperte Stephan Mayer warnte zudem in der Bild-Zeitung, es müsse verhindert werden, „dass der Familienbegriff so ausgeweitet wird, dass dieser auch Geschwister umfasst“.

Mahnung an die EU

Dem Bericht zufolge haben Europapolitiker von Union und SPD den Vorschlägen zugestimmt. Monika Hohlmeier, die für die CSU im Innenausschuss sitzt, erklärte dies im Spiegel damit, dass die umstrittenen Änderungen bei der Dublin-Reform und auch der neue erweiterte Familienbegriff in der sogenannten Qualifikationsrichtlinie gemeinsam im Paket mit anderen für die Union wichtigen Änderungen verabschiedet worden seien. Dieses ganze Paket habe man am Ende nicht blockieren wollen. „Wir setzen darauf, dass der Rat vor allem beim Familienbegriff noch Änderungen durchsetzt“, betonte Hohlmeier.

Was nicht passieren darf ist, dass eine Familienzusammenführung von Flüchtlingen, die schon in Europa sind, nach persönlichen Vorlieben funktioniert.

Manfred Weber

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), hat die Position des Europaparlaments zur geplanten EU-Asylreform verteidigt. Geplant seien bessere Grenzsicherung, Steuerung und Kontrolle der Zuwanderung sowie eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge, erklärte er der dpa. „Für die EVP-Fraktion ist klar, dass die Neuregelung der Dublin-Verordnung zu weniger Zuwanderung nach Deutschland und Europa führen muss“, meinte Weber. „Auf alle Fälle darf ein Familiennachzug nur im Rahmen der Quote und nationalen Festlegungen stattfinden.“ Weber betonte: „Was nicht passieren darf ist, dass eine Familienzusammenführung von Flüchtlingen, die schon in Europa sind, nach persönlichen Vorlieben funktioniert. Dies wäre unsolidarisch und zulasten weniger Staaten.“ Diesem Vorschlag der Sozialdemokraten müssten die EU-Staaten im anstehenden Vermittlungsverfahren einen Riegel vorschieben. Eine Verbesserung des bisherigen Asylsystems und eine gemeinsame Antwort der EU-Staaten auf die Migrationskrise sei jedoch nötig, meinte Weber.

Die Bedeutung für Deutschland könne „nicht hoch genug“ eingeschätzt werden, mahnten laut Spiegel die Unions-Bundespolitiker Stephan Mayer (CSU) und Stephan Harbarth (CDU) ihren Parteifreund Weber. In einem Brief an ihn schrieben sie: „Die Verhandlungen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem dürfen auf keinen Fall dazu führen, dass die ohnehin schon asymmetrische Lastenteilung weiter verschärft wird.“ Seit fast zwei Jahren wird diese Reform verhandelt. Noch gibt es aber keine Einigung, betonte der CSU-Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer. „Dass wir die Pläne des EP zur Reform von Dublin-III ablehnen, haben wir aber erst kürzlich bei unserer Klausurtagung in Seeon in unserem Europapapier beschlossen“, so Irlstorfer.

Beschlüsse von Seeon

Dort hatten die CSU-Bundestagsabgeordneten in Resolutionen zu Europa und zur Asylpolitik ausgeführt, dass die EU sich wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren solle, die man gemeinsam besser lösen könne – unter anderem die Bewältigung der Flüchtlingskrise und sichere EU-Außengrenzen. Darin heißt es: „Eine Reform der Dublin-Verordnung darf nicht dazu führen, diese ungleiche Lastenverteilung noch zu verschärfen. Deshalb lehnen wir die jüngsten Vorschläge des Europäischen Parlaments entschieden ab, den Familienbegriff auszuweiten und gleichzeitig die Anforderungen an den Nachweis des Familienverbunds abzusenken sowie das Prinzip der Zuständigkeit des Ersteinreiselandes abzuschaffen.“

Weiter hunderttausende Asylbewerber

Die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland ist zwar weiter rückläufig. 2017 kamen nach Angaben des Bundesinnenministeriums 186.644 Personen nach Deutschland – 2016 waren es rund 280.000, im Extremjahr 2015 sogar 890.000.

Die internationale Flüchtlingskrise ist nicht vorbei.

Thomas de Maiziere, Bundesinnenminister

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere bezeichnete die Zahl für 2017 dennoch als „viel zu hoch“. Laut dem Minister ist es nicht mehr so, dass die meisten Migranten über die Balkanroute oder das Mittelmeer nach Deutschland kommen, sondern viele tauchten dank der Schlepper einfach irgendwo auf. „Die internationale Flüchtlingskrise ist nicht vorbei“, warnte de Maiziere.

(dpa/BK)