Überzeugende Vorstellung: Ursula von der Leyen wurde vom Europaparlament als neue EU-Kommissionspräsidentin bestätigt. (Foto: picture alliance/ Roberto Monaldo/ LaPresse/ ZUMA Press)
EU-Kommission

Große Mehrheit für von der Leyen

Es kann losgehen: Das Europaparlament hat die frühere Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin bestätigt – und damit auch ihre Mannschaft. Die neue Kommission tritt ihr Amt am Sonntag an.

Die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen (CDU) kann am 1. Dezember ihr Amt antreten. Das Europaparlament bestätigte von der Leyens Team mit 26 Kommissaren in Straßburg – und das mit überraschend großer Mehrheit: 461 Abgeordnete stimmten dafür, 157 dagegen, 89 enthielten sich. Erstmals seit mehr als 50 Jahren stellt nun Deutschland wieder die Spitze der mächtigen Brüsseler Exekutive – und erstmals überhaupt übernimmt eine Frau den EU-Chefposten.

Wir tun das, weil es das Richtige ist, nicht weil es einfach sein wird. Lasst uns an die Arbeit gehen!

Ursula von der Leyen (CDU), neue EU-Kommissionspräsidentin

Die 61 Jahre alte Christdemokratin tritt die Nachfolge des Luxemburgers Jean-Claude Juncker an. Von der Leyen bedankte sich nach der Abstimmung bei EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) mit einer Umarmung für die Unterstützung. Die designierte Kommissionspräsidentin hatte zuvor in einer Rede vor den für die nächsten fünf Jahre einen umfassenden Wandel in Europa angekündigt, der die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft berühren werde.

Green Deal, Digitalisierung und Partnerschaft mit Briten

„Wir tun das, weil es das Richtige ist, nicht weil es einfach sein wird“, sagte die CDU-Politikerin. Und sie betonte die Botschaft: „Lasst uns an die Arbeit gehen!“ Von der Leyen warb erneut für ihre wichtigsten Ziele, darunter eine neue, stärkere Rolle Europas in der Welt, ein ehrgeiziger Klimaschutz im Rahmen eines „Green Deal“ und eine Digitalisierung der europäischen Wirtschaft mit klaren Standards und Regeln. Sie bekräftigte ihre Ankündigung eines Konzepts für Asyl und Migration. Die Menschen erwarteten, dass Europa eine gemeinsame Lösung für diese Herausforderung finde.

Europa wird im Kampf gegen Krebs die Führung übernehmen.

Ursula von der Leyen

Großbritannien sagte sie trotz des für Ende Januar geplanten Brexits eine enge Partnerschaft zu. Persönlich wurde von der Leyen in ihrer Kampfansage an den Krebs. „Als ich als Mädchen in Brüssel lebte, starb meine kleine Schwester im Alter von elf Jahren an Krebs“, sagte die 61-Jährige und kündigte an: „Europa wird im Kampf gegen Krebs die Führung übernehmen.“

Hüterin der Verträge

Die EU-Kommission hat die Aufgabe, die Einhaltung des gemeinsamen europäischen Rechts zu überwachen und Gesetze vorzulegen. Daher wird sie als „Hüterin der Verträge“ bezeichnet. Das Kollegium der Kommissare ist ähnlich organisiert wie eine Regierung mit unterschiedlichen Ressorts. Jedes EU-Land soll mit einem Kommissar vertreten sein. Wegen des bevorstehenden Brexits hat Großbritannien keinen Vertreter mehr nominiert und sich damit ein EU-Strafverfahren eingehandelt. Das soll von der Leyens Amtsantritt aber nicht aufhalten.

Die 61 Jahre alte ehemalige Bundesverteidigungsministerin war im Juni von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union für den EU-Spitzenposten ausgesucht und im Juli mit einer sehr knappen Mehrheit von nur neun Stimmen vom Europaparlament bestätigt worden. Das Abstimmungsergebnis für ihr Team fiel nun deutlich besser aus.

Zustimmung von EVP, Sozialisten und Liberalen

Die drei größten Parteienfamilien im Parlament – die christdemokratische Europäische Volkspartei, die sozialdemokratische S+D und die liberale Renew – sind alle mit Kommissaren in der neuen Führung vertreten und hatten vorab Unterstützung signalisiert. Damit war eine komfortable Mehrheit der 751 Abgeordneten absehbar. Die Grünen hatten Enthaltung angekündigt, die Linke Ablehnung.

Zum Vergleich: Von der Leyens Vorgänger Juncker hatte im Oktober 2014 bei der Abstimmung über sein Kollegium mit 27 Kommissaren 423 Ja-Stimmen erhalten, 209 Abgeordnete stimmten damals gegen das Personalpaket, 67 enthielten sich. Vier Jahre zuvor hatte der konservative Portugiese José Manuel Barroso für seine Kommissionsmanschaft 488 Stimmen, 137 Gegenstimmen und 72 Enthaltungen bekommen.

Weniger Frauen als versprochen

Die neue Chefin hatte eigentlich versprochen, dass erstmals genauso viele Frauen wie Männer in der Kommission vertreten sein sollen. Doch wurden zwei ihrer designierten Kommissarinnen und ein Kommissar während des Nominierungsverfahrens vom Parlament gestoppt. Als Ersatz kamen zwei Männer und eine Frau. Ihr neues Team besteht nun aus zwölf Frauen und 15 Männern.

Die Mitglieder der neuen EU-Kommission:

Jedes EU-Land ist in dem Kollegium vertreten – abgesehen von Großbritannien, das die EU spätestens Ende Januar verlassen will. Ein Überblick:

DEUTSCHLAND: Die Christdemokratin Ursula von der Leyen (61) war die Überraschungskandidatin der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und wurde Mitte Juli vom EU-Parlament mit knapper Mehrheit gewählt. In Deutschland war die in Brüssel geborene und mehrsprachige Mutter von sieben Kindern unter anderem Familien-, Sozial- und Verteidigungsministerin.

DÄNEMARK: Die Liberale Margrethe Vestager (51) wollte selbst Kommissionspräsidentin werden – und bekommt nun als „exekutive Vizepräsidentin“ die Zuständigkeit für Digitales und Wettbewerb. Als Wettbewerbskommissarin in der bisherigen Kommission hatte sich die resolute Dänin unter anderem Google, Facebook und Amazon vorgeknöpft. In Dänemark war die studierte Ökonomin vorher Bildungs-, Wirtschafts- und Innenministerin.

NIEDERLANDE: Der Sozialdemokrat Frans Timmermans (58) wollte ebenfalls selbst Kommissionschef werden und wird nun als Vizepräsident zuständig für Klima und Umweltschutz. Der ehemalige niederländische Außenminister ist schon seit 2014 Erster Vizepräsident. Die besonders wichtige Rolle soll er behalten, auf Augenhöhe mit Vestager. Der Diplomat, der sieben Sprachen beherrscht, war bisher unter anderem für Rechtsstaatlichkeit zuständig.

LETTLAND: Christdemokrat Valdis Dombrovskis (48) ist der dritte im Bundes der exekutiven Vizepräsidenten und bekommt das Ressort Wirtschaft. Auch er ist schon seit 2014 Vize, bisher zuständig für den Euro. Vorher war er von 2009 bis 2013 lettischer Regierungschef.

SPANIEN: Der Sozialist Josep Borrell (72) wird EU-Außenbeauftragter und ebenfalls Vizepräsident der EU-Kommission. Der Ökonom ist seit Juni 2018 spanischer Außenminister. Zuvor hatte er seit Ende der 1970er Jahre diverse Regierungsposten und war von 2004 bis 2007 Präsident des EU-Parlaments.

GRIECHENLAND: Der Jurist Margaritis Schinas (57) soll als Vizepräsident der EU-Kommission „Fördern, was Europa ausmacht“ – zum Beispiel das Prinzip der Gleichheit und Diversität. Zudem wird er die geplanten Projekte in der Migrationspolitik koordinieren. Schinas war EU-Karrierebeamter – unterbrochen von 2007 bis 2009 durch ein Mandat als EU-Abgeordneter der konservativen Partei Nea Dimokratia. Zuletzt war er Chefsprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

SLOWAKEI: Maros Sefcovic (53) bekommt als Vizepräsident das Ressort interinstitutionelle Beziehungen. Er ist seit 2009 Mitglied der EU-Kommission. Zuletzt war er für die Energieunion zuständig. Der Jurist mit langjähriger diplomatischer Erfahrung ist formell parteilos, steht aber den Sozialdemokraten nahe.

TSCHECHIEN: Die Liberale Vera Jourova (55) wird als Vizepräsidentin für Werte und Transparenz zuständig sein. Sie ist aktuell EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung. Sie setzte sie sich unter anderem für strengere Regeln für Technologieriesen wie Facebook sowie für Airbnb ein.

KROATIEN: Dubravka Suica (62) wird die zuständige Vizepräsidentin der für Demokratie und Demografie. Sie ist Mitglied der konservativen Regierungspartei HDZ, war seit 2013 Europaabgeordnete – also seit dem EU-Beitritt ihres Landes. Zuvor war die Deutsch- und Englischlehrerin lange Bürgermeisterin von Dubrovnik.

FRANKREICH: Der frühere Unternehmer und Minister Thierry Breton (64) wird Kommissar für den Binnenmarkt. Er war bis Ende Oktober Geschäftsführer des französischen IT-Dienstleisters Atos. Von 2002 bis 2005 leitete er den französischen Telekommunikationsriesen France Télécom. Von 2005 bis 2007 war er Wirtschafts- und Finanzminister. Die erste Nominierte, Sylvie Goulard, war wegen laufender Ermittlungen in einer Scheinbeschäftigungsaffäre abgelehnt worden.

RUMÄNIEN: Adina Valean (51) wird den Posten der Verkehrskommissarin übernehmen. Sie war seit 2007 Europaabgeordnete der liberal-konservativen PNL-Partei. Die studierte Mathematikerin war vorher Mitglied mehrerer Stiftungen und Verbände, die unter anderem liberale Wirtschaftspolitik fördern. Die erste rumänische Kandidatin, Rovana Plumb von der sozialistischen PSD, war wegen finanzieller Interessenkonflikte vom Europaparlament gestoppt worden.

UNGARN: Oliver Várhelyi (47) wird Kommissar für Nachbarschaft und Erweiterung. Der ungarische Diplomat gehört zwar nicht der Fidesz-Partei von Viktor Orbán an, gilt aber als loyaler Anhänger des ungarischen Regierungschefs. Einige Abgeordnete befürchteten bei ihm eine zu große Nähe zu Orban. Várhelyi war zum Zeitpunkt seiner Nominierung der ungarische EU-Botschafter. Orbáns erste Wahl, Lászlo Trocsanyi, lehnten die EU-Abgeordneten ebenfalls wegen finanzieller Interessenskonflikte ab.

BELGIEN: Der Liberale Didier Reynders (61) wird Justizkommissar. Er ist seit 2011 belgischer Außenminister. Zuvor war er viele Jahre Finanzminister und Vize-Premier. Bereits 2014 war er als belgischer EU-Kommissar im Gespräch, doch erhielt die Christdemokratin Marianne Thyssen den Vorzug. Zuletzt sondierte Reynders im Auftrag des belgischen Königs für eine mögliche neue Regierung nach der Parlamentswahl vom Mai.

BULGARIEN: Die Christdemokratin Marija Gabriel (40) wird Kommissarin für Innovation und Jugend. Sie ist seit Juli 2017 als jüngstes Mitglied der EU-Kommission unter Juncker für das Ressort Digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständig. Zuvor war die Philologin von 2009 bis 2017 Europaabgeordnete. Gabriel gehört zur in Sofia regierenden bürgerlichen Partei GERB.

IRLAND: Der Christdemokrat Phil Hogan (59), bisher Agrarkommissar, wird nun Handelskommissar. Anfang der 1980er Jahre hatte der Ökonom vorübergehend den Bauernhof seiner Familie geführt, bevor er Parlamentsabgeordneter und später unter anderem Umweltminister wurde.

ITALIEN: Der Sozialdemokrat Paolo Gentiloni (65) wird Wirtschaftskommissar. Er war in Italien mehrfach Minister und schließlich von Ende 2016 bis 2018 Regierungschef. Nach dem Start der Populistenkoalition in Rom blieb er bis zum erneuten Regierungswechsel Abgeordneter der Partei PD. Der Römer hat Politikwissenschaften studiert und spricht fließend Englisch.

ÖSTERREICH: Johannes Hahn (61) war bisher Kommissar für Erweiterung und Nachbarschaftsfragen und bekommt nun das Ressort Haushalt und Verwaltung. Der Politiker der konservativen ÖVP war vor der Brüsseler Zeit Wissenschaftsminister. Früher war er unter anderem bei einem Glücksspielkonzern tätig.

ESTLAND: Kadri Simson (42) wird Energiekommissarin. Die frühere Wirtschaftsministerin von der linksgerichteten Zentrumspartei ist Wunschkandidatin von Regierungschef Jüri Ratas.

FINNLAND: Jutta Urpilainen (44) wird Kommissarin für internationale Partnerschaften. Sie war früher Vorsitzende der finnischen Sozialdemokraten und Finanzministerin. Doch musste die studierte Pädagogin die Parteiführung 2014 an den heutigen Ministerpräsidenten Antti Rinne abgeben.

LITAUEN: Virginijus Sinkevicius (29) geht als Kommissar für Umwelt und Ozeane an den Start. Der Ökonom und Jurist ist vom Bund der Bauern und Grünen. Er war als jüngster Minister in der Geschichte seines Heimatlandes seit 2017 für Wirtschaft und Innovation. Seine Partei steht den europäischen Grünen nahe, ist aber eher in der politischen Mitte angesiedelt.

LUXEMBURG: Der Sozialdemokrat Nicolas Schmit (65) wird Kommissar für Arbeitsplätze. Er war Luxemburgs Botschafter bei der EU und von 2009 bis 2018 Arbeitsminister. Im Mai 2019 wurde er ins Europaparlament gewählt. Schmit hätte schon 2014 EU-Kommissar werden sollen, musste aber wegen Junckers Ernennung zum Kommissionspräsidenten verzichten.

MALTA: Die Sozialdemokratin Helena Dalli (57) wird Kommissarin für Gleichstellung. Sie ist langjährige Abgeordnete im Parlament des Inselstaates. Von 2013 bis 2017 war die promovierte Soziologin Sozial- und Verbraucherschutzministerin, danach Ministerin für EU-Angelegenheiten und Gleichberechtigung.

POLEN: Janusz Wojciechowski (64) wird Landwirtschaftskommissar. Er gehört zur rechtskonservativen Regierungspartei PiS. Er war früher Richter und leitete den polnischen Rechnungshof, bevor er 2004 EU-Abgeordneter wurde. Wegen möglicher Unregelmäßigkeiten bei Reisekostenabrechnungen während seiner Zeit im Europaparlament ermittelt die EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf gegen ihn.

PORTUGAL: Elisa Ferreira (64) wird Kommissarin für Kohäsion und Reformen. Sie war zuletzt Vize-Gouverneurin der portugiesischen Zentralbank. Die Sozialistin war in den 1990er Jahren unter anderem Umweltministerin, später war sie Abgeordnete im nationalen und im EU-Parlament.

SCHWEDEN: Die Sozialdemokratin Ylva Johansson (55) wird den Posten als Kommissarin für Inneres übernehmen. Sie war zuletzt Arbeitsmarktministerin, hatte vorher aber auch schon andere Ministerämter. Nach ihrem Lehramtsstudium in Lund arbeitete sie früher als Mathe-, Physik- und Chemielehrerin.

SLOWENIEN: Der Karrierediplomat Janez Lenarcic (52) wird Kommissar für Krisenmanagement. Er war nicht nur Botschafter seines Landes bei der EU, sondern auch Vertreter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und den Vereinten Nationen. Zwischendurch war er Berater des Außenministeriums und der Regierung.

ZYPERN: Die Konservative Stella Kyriakidou (63) bekommt das Ressort Gesundheit. Sie ist langjährige Parlamentsabgeordnete, zwischen 2017 und 2018 war sie auch Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Die Kinderpsychologin gilt als Vertraute von Präsident Nikos Anastasiades.