Wenn ein Asylantrag rechtskräftig abgelehnt ist, muss der Bewerber Deutschland verlassen. Zumindest in der Theorie. (Bild: Imago/Ralph Peters)
Asylpolitik

Zu wenige Rückkehrer

Eine „nationale Kraftanstrengung“ hatte die Kanzlerin versprochen, damit abgelehnte Asylbewerber schnell Deutschland verlassen. Doch 2017 gab es deutlich weniger freiwillige Ausreisen und weniger Abschiebungen als 2016. Die CSU fordert Konsequenzen.

Die Bundesregierung hat laut einem Bericht der Welt ihr Ziel verfehlt, in diesem Jahr deutlich mehr ausreisepflichtige Migranten in ihre Heimatländer zurückzubringen. Die freiwilligen Ausreisen haben sich bis Ende November 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nahezu halbiert. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) der Zeitung mitteilte, wurden 27.903 finanziell geförderte freiwillige Ausreisen bewilligt. Im Vorjahreszeitraum waren es mit 50.759 noch fast doppelt so viele.

Als einen Grund für die höhere Zahl 2016 nennt das Bundesinnenministerium dem Bericht zufolge, dass damals besonders viele abgelehnte Asylbewerber in die Balkanstaaten zurückreisten. Rückführungen in andere Herkunftsländer gestalteten sich schwieriger: 2017 seien Nichteuropäer freiwillig vor allem in den Irak (2734 bewilligte Anträge), nach Afghanistan (1076) und Iran (980) zurückgekehrt. Nach dem enormen Andrang von Flüchtlingen 2015 und 2016 waren neben den Abschiebungen auch die Zahlen geförderter freiwilliger Ausreisen in großen Sprüngen nach oben gegangen (2014: 13 574, 2015: 35 514, 2016: 54 006).

Extra-Prämie in der Kritik

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte 2016 eine „nationale Kraftanstrengung zur Rückführung derer, die abgelehnt wurden“ angekündigt. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) setzt bei der freiwilligen Ausreise mittlerweile auf eine stärkere finanzielle Förderung. Zuletzt sprach er sich für mehr Abschiebehaftplätze und die Einrichtung von Entscheidungs- und Rückführungszentren aus.  Bislang hielt sich der Ansturm auch hier in Grenzen: Wie das Bundesinnenministerium erklärte, wurden seit Anfang Dezember 162 Anträge auf Wohnkostenzuschuss für insgesamt 284 Personen gestellt – unter anderem von Irakern, Russen und Afghanen.

Erst vor wenigen Wochen hatte de Maizière ein neues, befristetes Programm gestartet, um mehr Asylbewerber mit einer Extra-Prämie dazu zu bewegen, das Land zu verlassen. Von Anfang Dezember bis Ende Februar 2018 können sie zusätzliche Unterstützung bei der Ankunft in ihrer Heimat beantragen, zum Beispiel Zuschüsse für Miete oder Möbel bekommen. Vorgesehen sind Hilfen in Form zusätzlicher Sachleistungen: bis zu 3000 Euro für Familien, bis zu 1000 Euro für Einzelpersonen.

Bayerns designierter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte diese Extra-Prämien für Ausreisepflichtige abgelehnt: Deutsche Rentner müssten sich mit den Behörden wegen zehn Euro Rente streiten, während Menschen, die das Land rechtskräftig verlassen müssten, Tausende Euro geschenkt würden, kritisierte Söder beim CSU-Parteitag in Nürnberg.

Weniger Abschiebungen

Auch bei den Abschiebungen gab es keine Steigerung. Laut Bundespolizei wurden bis Ende November 22.190 Menschen abgeschoben. Im gesamten Jahr 2016 waren es 25.375 Personen. Abschiebungen sind Sache der Bundesländer. „Die Abschiebung von Menschen, die kein Bleiberecht haben, muss konsequent durchgesetzt werden. Ansonsten wird die Akzeptanz in der Bevölkerung schwinden“, fordert der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Frieser. „Deshalb müssen mehr Abschiebehaftplätze und Entscheidungs- und Rückführungszentren eingerichtet werden, in denen Asylsuchende bleiben, bis über ihren Antrag entschieden wurde. So kann bei einer ablehnenden Entscheidung eine zeitnahe Rückführung gewährleistet werden.“

Dieses wäre nicht nur ein Signal an die deutsche Bevölkerung, sondern auch nach außen, ist Frieser überzeugt: „Gleichzeitig würden wir auch ein deutliches Signal senden, dass es sich ohne anerkannten Fluchtgrund nicht lohnt, die teilweise lebensgefährliche Reise nach Deutschland anzutreten.“ Der Innenexperte der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU) sagte, die Abschiebezahlen seien „besser, als sie auf den ersten Blick aussehen“ – vor allem die Rücknahmebereitschaft der Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien habe sich verbessert. Mayer forderte die Bundesländer auf, die Zahl der Abschiebehaftplätze von derzeit 400 auf mindestens 1200 zu erhöhen.

Im Innenministerium in Bayern wurden die leicht rückläufigen Zahlen mit weniger Sammelabschiebungen begründet. Bei den freiwilligen Ausreisen ging es in Niedersachsen am stärksten bergab. Nach vorläufigen Berechnungen des Innenministeriums sank ihre Zahl um deutlich mehr als die Hälfte: von insgesamt 10.570 im Jahr 2016 auf 3874 in den ersten zehn Monaten dieses Jahres. Zu Jahresbeginn hatte Innenminister Boris Pistorius (SPD) noch die Hoffnung geäußert, das Vorjahresniveau zu erreichen. Pistorius wird von der SPD als Vorzeige-Innenpolitiker hofiert, die Praxis seines Ministeriums ist aber offenbar weniger vorzeigbar.

Abschiebungen: Bei den Kriminellen beginnen

CDU-Innenexperte Armin Schuster erklärte, die Situation wäre weniger problematisch, wenn es bald gelinge, „diejenigen abzuschieben, die hierzulande Probleme bereiten – zum Beispiel Kriminelle“. Schuster, der in der Asylpolitik einen harten Kurs verfolgt, verspricht sich davon einen Abschreckungseffekt für jene, die trotz geringer Bleibeperspektive einreisen wollen. Mit Blick auf die Sondierungsgespräche mit der SPD sprach sich der CDU-Innenpolitiker dafür aus, bereits dann mit der SPD über Rückführungszentren zu diskutieren.

SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sprach mit Blick auf die Abschiebehaft von einem „Ablenkungsmanöver“. Der Bund müsse sich „endlich zu seiner Verantwortung bekennen, die Abschiebepraxis vereinheitlichen und in die eigenen Hände nehmen“. Eine reine Zentralisierung der Zuständigkeit bringt allerdings noch nichts. Zudem schieben fast alle SPD-geführten Länder nicht so konsequent ab wie beispielsweise Bayern. Außerdem bemängelte Lischka, dass Asylverfahren weiterhin zu lange dauerten. Sollte sich dies verbessern, könne über Rückführungszentren für Migranten aus Ländern mit einer sehr geringen Anerkennungsquote nachgedacht werden.