Bundesinnenminister Horst Seehofer (l.) und der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu in Ankara. (Foto: Picture alliance/ Anadolu Agency /Fatih Aktas)
Asylpolitik

Fortschritte in Ankara und Athen

Bundesinnenminister Horst Seehofer erzielt Fortschritte in der internationalen Asylpolitik – und zwar bei direkten Gesprächen in Ankara und Athen. Unterdessen verschärft Griechenland seine Asylregeln: Wer nicht kooperiert, muss zurück in die Türkei.

Wogen glätten, Pakt retten – so lässt sich Horst Seehofers Flüchtlingsmission in der Türkei zusammenfassen. Bei seinem kurzen Besuch in Ankara von Donnerstagabend bis Freitagmittag hat der deutsche Innenminister der Türkei angesichts des wackelnden Migration-Abkommens mit der EU für die Betreuung der vielen Flüchtlinge im Land weitere Unterstützung zugesagt.

Es ging aber auch um Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Sicherheitsfragen, Zollunion und visa-freies Reisen.

Migrationsdruck steigt wieder deutlich

Seehofer war zusammen mit EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos unterwegs. Nach der Ankunft am Donnerstagabend trafen sie zunächst den türkischen Innenminister Süleyman Soylu, später Außenminister Mevlüt Cavusoglu . Danach sagte Seehofer: „Der Minister hat uns sehr umfassend dargestellt, welchen Zuwachs die Migration hier im Moment hat.“ Er erwähnte Afghanen und Syrer. Der Migrationsdruck sei „gewaltig“ und steige. „Deshalb müssen wir schauen, wie dieser Pakt zwischen der Europäischen Union und der Türkei gekräftigt werden kann.“

Dies sei auch im deutschen Interesse, sonst würde die Zahl der Flüchtlinge wieder steigen.

Das Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)

„Wo immer wir unseren Beitrag leisten können, und das werden wir anschließend besprechen, sind wir dazu bereit“, sagte der Bundesinnenminister. Ein Land allein könne die Probleme nicht bewältigen. Im Bemühen, die jüngsten Spannungen zu glätten, dankte er der türkischen Regierung ausdrücklich für ihre Rolle bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. „Ohne eure Solidarität wäre das Migrationsproblem in unserer Region so nicht bewältigt worden.“ Die Türkei habe Europa einen großen Dienst erwiesen.

Der türkische Innenminister werde außerdem eine Liste zusammenstellen mit Punkten, bei denen Deutschland helfen könne. Denkbar sei beispielsweise Unterstützung bei der Grenzüberwachung, sagte Seehofer. Soylu betonte: „Die Türkei erfüllt alle Verpflichtungen aus dem Abkommen von 2016, und zwar nicht nur aus humanitären Gründen, sondern auch, weil sie das Flüchtlingsabkommen mit der Europäischen Union unterschrieben hat und dazu steht. Diese Haltung erwarten wir aber auch von der EU.“

Mehr Geld für die Türkei?

Nach dem Gespräch mit Innenminister Soylu sagte Seehofer, es sei auch um zusätzliche Mittel für die Türkei gegangen. Darüber müsse nun mit der neuen EU-Kommission, die unter der deutschen Politikerin Ursula von der Leyen am 1. November ihren Dienst antritt, geredet werden. „Die Entwicklung der Migration in der Ägäis verdient unsere erhöhte Aufmerksamkeit“, erklärte Seehofer. „Das Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen.“

Ich werde der neuen Kommissionspräsidentin meine Eindrücke hier schildern, damit das sehr schnell angegangen wird.

Horst Seehofer

„Ich werde nach Brüssel fahren und der neuen Kommissionspräsidentin meine Eindrücke hier schildern, damit das sehr schnell angegangen wird“, sagte Seehofer. Er sagte, es gehe vor allem um die Frage, wie der „Pakt zwischen Europa und der Türkei“ gestärkt werden könne. Denn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht immer wieder damit, die Tore für Flüchtlinge nach Europa zu öffnen.

36.000 Migranten auf griechischen Inseln

Griechenland und mehrere europäische Beobachter werfen ihm vor, das teilweise sogar schon getan zu haben. Die Flüchtlingszahlen in der östlichen Ägäis sind im Lauf des Sommers stark gestiegen: Allein im laufenden Jahr 2019 setzten bisher 36.000 Menschen von der Türkei zu Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos über – mehr als im gesamten Jahr 2018 (32.500). In den Registrierlagern der betreffenden Inseln harren derzeit mehr als 30.000 Migranten aus, die Lager sind aber nur für 7000 Menschen ausgelegt. Die Auffanglager auf den ostägäischen Inseln sind daher heillos überfüllt.

Versprechen sollten gehalten werden.

Mevlüt Cavusoglu, türkischer Außenminister

Außenminister Cavusoglu lobte das Gespräch mit Innenminister Seehofer und EU-Migrationskommissar Avramopoulos zum wackelnden Flüchtlingspakt als „produktiv“. Man habe das Abkommen „in allen Details“ diskutiert.

Türkei spielt das Unschuldslamm

„Wir haben offen erklärt, wie wir die Situation sehen und wie wir mit der Europäischen Union kooperieren wollen“, sagte Cavusoglu. Es sei in diesem Zusammenhang auch um den Ausbau der Zollunion und visa-freies Reisen gegangen. „Wir haben gesehen, dass sie zu diesem Thema Interesse an einer gesünderen Zusammenarbeit mit der Türkei haben. Aber Versprechen sollten gehalten werden.“ Zu der stark gewachsenen Zahl von Bootsflüchtlingen sagte Cavusoglu: „Da gab es jüngst grundlose Anschuldigungen gegen die Türkei nach einem kleinen Anstieg von Ankünften auf den griechischen Inseln.“ Anstatt solche Vorwürfe zu äußern, sollte man besser diskutieren, wie das Problem zu lösen sei.

Die Vereinbarung vom Frühjahr 2016 sieht vor, dass Griechenland illegal eingereiste Migranten zurück in die Türkei schicken kann. Im Gegenzug übernimmt die EU syrische Flüchtlinge aus der Türkei und unterstützt die Türkei finanziell bei der Versorgung der Flüchtlinge – mit sechs Milliarden Euro. Erdogan hat jüngst mehrfach kritisiert, dass versprochene EU-Hilfen nicht zufriedenstellend flössen, und mehr Geld gefordert. Andernfalls könnte man den Flüchtlingen die Türen Richtung Europa öffnen.

Cavusoglu zufolge hat die türkische Seite auch das Vorhaben der Regierung angesprochen, Millionen syrische Flüchtlinge aus der Türkei in eine sogenannte Sicherheitszone in Nordsyrien umzusiedeln. Seehofer hingegen erklärte: „Ich habe deutlich gesagt, dass es ja viele Regierungen gibt, unsere eingeschlossen, die da ihre Probleme haben.“ Auch über Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei wurde gesprochen.

Griechenland verschärft Asylpolitik

In Athen will Seehofer bei einem Treffen mit dem Bürgerschutz- sowie dem Migrationsminister über die wachsende Zahl der Flüchtlingsankünfte in der Ägäis und die schlechte Situation in den Lagern auf den Inseln sprechen. Griechenland hofft unter anderem auf deutsche Hilfe hinsichtlich der rund 4000 unbegleiteten Kinder, die sich im Land aufhalten.

Vor dem Eintreffen Seehofers erklärte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis im Parlament, dass Griechenland mit einem neuen Gesetz das Asylverfahren beschleunigen und nicht kooperierende Migranten ausweisen werde. „Die Weigerung zu kooperieren wird künftig Konsequenzen haben“, sagte Mitsotakis. Das gelte auch für Migranten, die sich weigerten, von einem Flüchtlingslager zu einem anderen gebracht zu werden, oder die zu Gesprächen in Zusammenhang mit ihrem Asylantrag nicht erschienen. Wer nicht kooperiere, solle in geschlossen Abschiebelagern interniert werden, teilte Mitsotakis mit.

Griechenland hofft laut Mitsotakis, die Lage in den überfüllten Registrierlagern auf den ostägäischen Inseln zu entschärfen. Bis Ende 2020 sollen mehr als 10.000 illegale Migranten, die kein Bleiberecht haben, von den Inseln in die Türkei zurückgeschickt werden. 20.000 Migranten, die Bleiberecht bekommen, sollen zum Festland gebracht und in Wohnungen in allen Regionen des Landes untergebracht werden.