Edmund Stoiber, Ehrenvorsitzender der CSU und ehemaliger Bayerischer Ministerpräsident (Foto: BK/Nikky Maier).
Kolumne

Jetzt darf es nur noch um Inhalte gehen!

Kolumne Edmund Stoiber lobt die personelle Neuaufstellung seiner Partei und verlangt, dass die Probleme, die vor allem durch die Flüchtlingspolitik entstanden sind, gelöst werden. Der SPD erteilt der CSU-Ehrenvorsitzende einen grundlegenden Ratschlag.

Der erfolgreiche Parteitag mit einer großen Mehrheit für Horst Seehofer als Parteivorsitzender und einer einmütigen Wahl von Markus Söder zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl hat ein starkes Signal für den Zusammenhalt der CSU gesetzt. Mit diesem Votum geht unsere Partei meines Erachtens mit der stärksten Formation in das für die Zukunft der CSU enorm wichtige Jahr 2018.

Horst Seehofer selbst hat dazu den Weg geebnet. Nach den Diskussionen über das für uns dramatische Wahlergebnis mit einem Verlust von 10,5 Prozent hat er eine überzeugende Antwort für einen geordneten Übergang nach zehn Jahren im Amt des Ministerpräsidenten gegeben. Er ist mit seiner großen politischen Erfahrung in Berlin unverzichtbar, gerade bei den anstehenden sehr schwierigen Gesprächen mit der SPD. Und mit Markus Söder hat die CSU nun einen designierten Ministerpräsidenten, der sich in der Fraktion und der ganzen Partei im Laufe der Jahre ein beachtliches Vertrauen erarbeitet hat. Jetzt geht es um das Vertrauen der Bayerinnen und Bayern. Markus Söder hat einen starken Gestaltungswillen und spricht für seine politische Überzeugung Klartext. Und wenn ich Leute ansprechen will, die Politik nicht als Lebensinhalt haben, dann muss ich die Dinge eben auch mal zuspitzen.

Mit der klaren personellen Neuaufstellung haben wir eine Krisensituation in der CSU beendet, wie ich sie in meinem langen politischen Leben noch nicht erfahren habe.

Edmund Stoiber

Jetzt müssen wir alle gemeinsam nach vorne schauen. Horst Seehofer und Markus Söder haben gewaltige Aufgaben vor sich: In Berlin muss eine Partnerschaft mit der SPD ausgelotet werden, in der ein Teil die Neuauflage der Großen Koalition favorisiert, ein Teil sich nach der Opposition sehnt und andere Teile eine Minderheitsregierung wollen. Und hier in Bayern müssen wir alles tun, um in der Landtagswahl 2018 an die Erfolge der Vergangenheit anzuschließen und uns in der Stabilität von den Berliner Verhältnissen abzuheben. Beide wissen, dass sie diese Herausforderungen nur gemeinsam schaffen können.

Die CSU ist aber auch in der glücklichen Lage, neben ihren beiden Spitzenleuten weitere starke Politiker zu haben: Joachim Herrmann, Ilse Aigner, Manfred Weber oder Alexander Dobrindt, um hier nur einige zu nennen. Sie alle sind als Persönlichkeiten Aushängeschilder der CSU, die gebraucht werden, um die Partei in eine gute Zukunft zu führen und bei der Landtagswahl ein gutes Ergebnis zu erreichen.

Jetzt darf es nur noch um Inhalte gehen. Am wichtigsten ist es, das Vertrauen bei den Wählern zurückgewinnen, die uns 2017 bei der Bundestagswahl zum ersten Mal nicht mehr gewählt haben.

Edmund Stoiber

Wie oft habe ich im Bundestagswahlkampf erlebt, dass mir vormals treue CSU´ler gesagt haben, sie würden dieses Mal nicht CSU wählen! Es sind riesige Herausforderungen zu bewältigen, an vorderster Stelle die Flüchtlingspolitik. Der große Vertrauensverlust, der in der Bevölkerung durch den Kontrollverlust des Staates in der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 entstanden ist, ist noch längst nicht ausgeräumt. Das Grundvertrauen, dass CDU und CSU das Land ordentlich führen, ist damals bei vielen erschüttert worden. Die Folgen der Flüchtlingspolitik, die Herausforderungen der Integration werden erst jetzt so richtig spürbar: Kinder ohne Deutschkenntnisse müssen in Schulen integriert werden, es gibt Kriminalität, die es vorher nicht gab. Wir haben nicht genug Lehrer und Erzieher für die Integration und brauchen Hunderttausende neue Wohnungen, was bei der enormen Komplexität unserer Genehmigungsverfahren schwer erreichbar ist. Wir müssen mit aller Kraft daran arbeiten, das wieder zu heilen. Das wird kein einfacher Prozess. Immerhin hat nach der CSU nun auch der CDU-Vorstand jetzt zum ersten Mal die Wahlschlappe analysiert und die Bundeskanzlerin die offene Flanke in der Flüchtlingspolitik eingeräumt!

Am Migrationskonzept der Union kann ich mir keine Abstriche vorstellen. Andernfalls erreichen wir viele verlorene Wähler nicht mehr!

Edmund Stoiber

Es ist wichtig, dass wir in den Verhandlungen über eine Koalition auf Bundesebene eine Begrenzung bekommen, um Deutschland nicht zu überfordern. Die Begrenzung der Zuwanderung und die Aussetzung des Familiennachzugs bei subsidiär Schutzbedürftigen über März 2018 hinaus sind wesentliche Punkte, deren Umsetzung von der Mehrheit der Deutschen dringend erwartet wird. Oberster Maßstab muss die – begrenzte – Integrationskraft unseres Landes sein.

Während die CSU auf einem guten Weg ist, wieder der politische Stabilitätsanker in Deutschland zu werden, ist die SPD nach ihrer schweren Wahlniederlage ein großer Unsicherheitsfaktor für Deutschland. Ich wünsche mir, dass sich diese einstmals große Volkspartei endlich über ihren eigenen Kurs klar wird. Wo ist denn die Partei der „kleinen Leute“, als deren Anwalt sie jahrzehntelang aufgetreten ist? Überlässt sie diese Wähler kampflos der AfD? Wo ist in der SPD die Diskussion, warum sie eine halbe Million Wähler an die AfD verloren hat? Das ist nicht nur ein Problem von CDU und CSU, sondern auch der linken Parteien! Den von den Volksparteien enttäuschten Wählern geht es nach allen Umfragen nicht in erster Linie um Vermögensteuer oder eine Bürgerversicherung, sondern vor allem um die Bewältigung der Zuwanderung und die Schaffung von mehr Sicherheit. Die SPD sollte nicht dem Irrglauben erliegen, sie könne mit ihrer Verweigerungshaltung aus Neuwahlen gestärkt hervorgehen. Die Bürger erwarten jetzt von den Politikern die Bildung einer schlagkräftigen Regierung. Eine Große Koalition wäre sicher die stabilste Form, aber wir müssen am Ende alles ausloten. Das Schlechteste wären Neuwahlen. Sie würden viele gegen die etablierte Politik aufbringen und wohl auch keine wirklich anderen Ergebnisse bringen. Wenn es mit der SPD nicht anders geht, als eine geduldete Minderheitsregierung zu bilden, dann würde ich das trotz vieler Bedenken sogar Neuwahlen vorziehen. Neuwahlen würden als Versagen der Politiker gewertet.

Die SPD sollte nicht dem Irrglauben erliegen, sie könne mit ihrer Verweigerungshaltung aus Neuwahlen gestärkt hervorgehen.

Edmund Stoiber

Mit ,Bätschi‘ und ,in die Fresse‘ kommen wir jedenfalls nicht weiter. Wenn die SPD an der Union ihr Mütchen kühlen will, muss sie in der Tat in der Opposition bleiben. Für ernsthafte Gespräche sind wir offen, für Kindereien und programmatische Ladenhüter nicht. So kann ich mir nicht vorstellen, dass die Union die Vorstellungen von Martin Schulz über die Vereinigten Staaten von Europa mitträgt. Wer vorschlägt, dass die Länder, die keinen Bundesstaat Europa wollen, aus der EU ausscheiden müssen, der spaltet Europa und bricht mit der bestehenden Tradition, Europa von der ursprünglichen Gemeinschaft der sechs bis zur heutigen Union mit achtundzwanzig Staaten behutsam und im Konsens weiterzuentwickeln. Herr Schulz muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Menschen keinen Bundesstaat Europa wollen!