Edmund Stoiber, Ehrenvorsitzender der CSU und ehemaliger Bayerischer Ministerpräsident (Foto: BK/Nikky Maier).
Medien

Auch das Internet braucht Regeln

Kolumne Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber verlangt, dass für Beiträge auf Youtube oder Facebook ähnliche Sorgfaltsstandards gelten müssen, wie für klassische Medien. Vor allem, da immer mehr Menschen ihre Informationen über diese Kanäle bezögen

Nachdem der YouTube-Aktivist Rezo in einem Video die „Zerstörung der CDU“ gefordert hatte, war die Aufregung groß. Nicht unbedingt wegen des teils fragwürdigen Inhaltes des Videos, sondern wegen der Reaktion der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer darauf. Hatte sie es doch gewagt, die Frage zu stellen, warum die für den analogen Medienbereich geltenden Regeln und Standards nicht auch auf den digitalen Bereich angewendet werden. Sofort wurde ihr von interessierter politischer und medialer Seite der Versuch einer „digitalen Zensur“ vorgeworfen. Ihre Äußerungen seien „ein beispielloser Angriff auf die Meinungsfreiheit“.

Eine politische Diskussion über die angemessene Regulierung digitaler Angebote im Internet ist längst überfällig.

Edmund Stoiber

Das ist natürlich hanebüchener Unsinn. Die Frage, die AKK aufgeworfen hat, ist absolut legitim. Eine politische Diskussion über die angemessene Regulierung digitaler Angebote im Internet ist längst überfällig. Während die „klassischen“ Medien Print, TV und Radio hohe journalistische Sorgfaltsstandards einzuhalten haben, die auch streng kontrolliert werden, existiert in den digitalen Medien und Plattformen keine vergleichbare Kontrolle. Jeder Blogger oder YouTuber kann offensichtlich falsche Behauptungen in die Welt setzen, ohne dass die Aufsichtsbehörden dagegen etwas tun können – vorausgesetzt natürlich, die Inhalte sind nicht strafbar.

Konkurrenz aus dem Internet

Früher haben die Menschen ihre Informationen ganz klassisch aus der Zeitung, dem Fernsehen oder dem Radio erhalten. Aber die Zeiten sind längst vorbei, als sich allabendlich um 20.00 Uhr die gesamte Familie um den Fernseher versammelt und die „Tagesschau“ geschaut hat. Das Durchschnittsalter der Zuschauer der öffentlich-rechtlichen Medien liegt heute bei über 60 Jahren. Die Jüngeren werden von ARD und ZDF kaum noch erreicht. Das ist bei den privaten Sendern wie RTL und Pro7 noch etwas anders, aber auch hier ist die Konkurrenz aus dem Internet eine riesige Herausforderung.

Mancher YouTube-Kanal kann es von seiner Reichweite schon längst mit den großen Sendern aufnehmen.

Edmund Stoiber

Das nahezu ungesteuerte und unkontrollierte Mehrangebot an Informationen, zu dem die digitale Revolution in der Kommunikation geführt hat, kann zum Problem für die Demokratie werden. Das zeigt die Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zur Beseitigung strafbarer Inhalte im Netz. Das Kommunikationsverhalten, insbesondere der jungen Menschen, hat sich völlig verändert. Viele beziehen ihre Informationen fast ausschließlich aus dem Netz und den sozialen Medien.

Gefährliche Filterblasen

Mancher YouTube-Kanal kann es von seiner Reichweite schon längst mit den großen Sendern aufnehmen. Allein das Rezo-Video wurde mittlerweile mehr als 15 Millionen Mal aufgerufen. Das schafft keine TV-Talkshow, noch nicht einmal der „Tatort“! Das verleiht den großen Plattformen wie Google, Facebook oder YouTube eine enorme Macht, Meinungen zu steuern und zu beeinflussen. Der Chef der ARD, Ulrich Wilhelm, warnt in einem Interview zu Recht vor der Dominanz der US-Giganten, die weniger eine objektive Nachrichtenvermittlung im Sinn haben, sondern vor allem eine Maximierung ihrer Werbeeinnahmen. Deren Algorithmen sind so auf die Vorlieben ihrer Nutzer zugeschnitten, dass sich Filterblasen bilden, in denen die Nutzer nur noch das serviert bekommen, was ihrer bereits gefassten Meinung entspricht.

Ein vielfältiger öffentlicher Kommunikationsraum ist enorm wichtig für eine stabile und gesunde Demokratie.

Edmund Stoiber

Im Internet finden sich neben Fakten auch bewusste Falschinformationen, die als solche schwer erkennbar sind. Das wäre grundsätzlich nicht so schlimm, wenn es wie in den klassischen Medien wirksame Kontrollmechanismen gäbe, die solche Falschinformationen kennzeichnen beziehungsweise aussortieren könnten. Bei den großen privaten TV-Sendern RTL und Pro7Sat.1 wird die Qualität des Programms durch die strenge Aufsicht der Landesmedienanstalten gesichert. Die Sender müssen nicht nur vielfältige Auflagen zur Sicherung der Meinungsvielfalt in ihrem Programm erfüllen, wie Drittsendezeiten für Programmanbieter wie SPIEGEL- TV oder die Produktion von Regionalfenstern. Die Angebote müssen auch hohen journalistischen Sorgfaltsstandards genügen, was von den Landesmedienanstalten kontrolliert wird.

Klare Kontrolle fehlt

Das ist entscheidend anders als zum Beispiel bei YouTube-Videos: Zwar müssen sich auch YouTuber grundsätzlich an journalistische Regeln halten, aber deren Einhaltung wird von niemandem kontrolliert. Hier besteht eine klare Regelungslücke, die in Fachkreisen seit Jahren beklagt wird, und auf die beispielsweise auch der Direktor der Landesmedienanstalt NRW zuletzt wieder öffentlich hingewiesen hat. Der Rundfunkstaatsvertrag muss an dieser Stelle geändert werden.

Ein vielfältiger öffentlicher Kommunikationsraum ist enorm wichtig für eine stabile und gesunde Demokratie. Wenn aber die großen amerikanischen Plattformen wie Facebook, Google oder YouTube als Nachrichtenquelle immer wichtiger werden, ist nicht einzusehen, warum die journalistischen Sorgfaltspflichten nicht auch für diese Medien gelten. Es braucht hier klare Regeln, die im analogen und digitalen Raum ohne Abstriche gültig sind. Es ist der Verdienst von Annegret Kramp-Karrenbauer, diese Diskussion angestoßen zu haben. Sie muss dringend fortgeführt werden.