Edmund Stoiber, CSU-Ehrenvorsitzender und ehemaliger bayerischer Ministerpräsident. (Foto: Nikky Maier/BK)
Stoiber-Kolumne

Das Klima und die kleinen Leute

Kolumne Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin: Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber mahnt, beim Einsatz für den Klimaschutz auch die Folgen für Menschen mit kleinem Einkommen oder Rentner mit geringen Bezügen zu beachten.

Eine wesentliche Grundlage des jahrzehntelangen Vertrauens der bayerischen Bevölkerung in die CSU, für ihre großen Wahlerfolge, war immer auch das Einstehen für die „kleinen Leute“. Stets hatte die CSU die Menschen im Blick, die es im Leben schwerer als andere hatten und haben, eine gute Bildung und einen qualifizierten Arbeitsplatz zu bekommen und in materiellem Wohlstand zu leben. Der Einsatz für diese Menschen beruht auf dem Anspruch der CSU als Volkspartei, die alle Schichten der Bevölkerung ansprechen will.

Die Bewahrung der Schöpfung ist ein urkonservatives Anliegen.

Edmund Stoiber

Alle Umfragen bestätigen, dass die CSU in Bayern unabhängig von aktuellen Wahlergebnissen ein Wählerpotenzial von über 60 Prozent hat. Das heißt, dass fast zwei Drittel sich grundsätzlich vorstellen können, CSU zu wählen. Franz Josef Strauß hat seiner CSU das immer ins Stammbuch geschrieben und Horst Seehofer hat in seiner letzten Rede als Parteivorsitzender daran erinnert: „Vergesst mir die kleinen Leute nicht!“ Menschen mit kleinem Einkommen oder Rentner mit geringer Rente können auf das Verständnis und die Unterstützung der CSU zählen. Viele von ihnen prägen die CSU auch als Mitglieder.

Bayern gründete das erste Umweltministerium

Politische Unterstützung für die „kleinen Leute“ ist in Zeiten des Klimawandels in ganz spezieller Hinsicht auch nötiger denn je. Weltweit halten einer aktuellen Umfrage zufolge zwei Drittel den Klimawandel für eine große Gefahr. Fast im Wochentakt werden neue Vorschläge für mehr Klima- und Umweltschutz gemacht. Das Ziel ist absolut richtig und auch das der CSU, die dazu auch die Bayerische Verfassung ändern will. Oft werden aber bei der konkreten Umsetzung dieses Ziels die Folgen für die „kleinen Leute“ zu wenig mitgedacht und von Grünen und SPD verschwiegen.

Die Bewahrung der Schöpfung ist ein urkonservatives Anliegen. Das erste Umweltministerium wurde 1970 in Bayern gegründet. Dort, unter Umweltminister Max Streibl, habe ich als sein Büroleiter einst meine Laufbahn im öffentlichen Dienst begonnen. Der Umwelt- und Naturschutz ist fest in der DNA der CSU verankert. So wurden unter CSU-geführten Regierungen die beiden großen Nationalparks Bayerischer Wald und Berchtesgaden geschaffen. Meine Staatsregierung hat 1997 die Fläche des Nationalparks Bayerischer Wald um fast das Doppelte erweitert. Auch der 1995 mit der Wirtschaft geschlossene Umweltpakt Bayern war mir ein großes persönliches Anliegen. Der Pakt setzt auf Eigenverantwortung und Freiwilligkeit und bringt bis heute gute Ergebnisse hervor, etwa bei der Einsparung von Energie.

Was passieren kann, wenn klimapolitische Maßnahmen von der politischen Spitze vorgegeben werden, ohne diejenigen mitzunehmen, die es in erster Linie betrifft, sieht man gerade in Frankreich.

Edmund Stoiber

Die CSU kann es sich anders aber als die Grünen bei der Umsetzung der Klimaschutzziele schon aus staatspolitischer Verantwortung heraus nicht leisten, mit ideologischer Absolutheit bestimmte klima- und umweltpolitische Interessen zu verfolgen, ohne die berechtigten Interessen der Bürger und der Wirtschaft mit einzubeziehen. Nur so lässt sich überhaupt der hohe Anspruch der CSU rechtfertigen, einen Großteil der Bevölkerung zu repräsentieren. Klimapolitik ist auch Sozialpolitik. Klimaschutz wirkt sich auf das soziale Gefüge einer Gesellschaft aus. Besonders betroffen sind die eingangs erwähnten kleinen Leute, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind.

Proteste gegen Steuererhöhungen

Was passieren kann, wenn klimapolitische Maßnahmen von der politischen Spitze vorgegeben werden, ohne diejenigen mitzunehmen, die es in erster Linie betrifft, sieht man gerade in Frankreich. Dort protestieren seit Wochen die „Gelbwesten“ gegen Präsident Macron. Sie bestehen größtenteils aus Arbeitnehmern in ländlichen Regionen, die mit ihrem Auto weite Strecken zu ihrem Arbeitsplatz pendeln müssen. Die Initiatoren der „Gelbwesten“ wären von den geplanten Steuererhöhungen auf Benzin und Diesel am stärksten betroffen gewesen. Macron wollte mit den zusätzlichen Einnahmen den Klimaschutz voranbringen und die Energiewende finanzieren. Er übersah aber die sozialen Auswirkungen seiner Politik. Deshalb musste er aufgrund der Proteste seine Pläne vorerst aufgeben.

Auch in Deutschland gibt es seit Wochen Demonstrationen von Menschen in gelben Warnwesten. Sie protestieren gegen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge. Wer fährt denn die Diesel-4-Fahrzeuge? Das sind in erster Linie nicht die gut situierten Menschen, die sich sofort ein teureres Elektroauto kaufen könnten, sondern Menschen mit niedrigem Einkommen, die sich so schnell kein neues Auto leisten können. Das Problem wird sich künftig noch verschärfen: Der Aufsichtsratsvorsitzende von VW, Hans Dieter Pötsch, hat in einem Interview darauf hingewiesen, dass gerade Kleinwagen erheblich teurer werden, weil sie zur Erreichung der strengen CO2-Grenzwerte verstärkt mit Elektroantrieb angeboten werden müssen. Das wird die kleinen Leute treffen. Mobilität wird damit noch stärker zu einer sozialen Frage. Fahrverbote sind nicht nur wegen ihrer Wirkungslosigkeit, sondern auch unter diesen sozialen Aspekten eine inakzeptable Lösung. Ich bin froh, dass sich die CSU mit Verkehrsminister Andi Scheuer und Ministerpräsident Markus Söder klar gegen Fahrverbote ausgesprochen hat.

Klimaschutz verteuert das Wohnen

Klimaschutz hat auch soziale Auswirkungen in der Wohnungspolitik: Eine Familie mit zwei Kindern zahlt heute für den Ausbau der erneuerbaren Energien über die EEG-Umlage rund 200 Euro pro Jahr. Das ist für eine Familie des Bildungsbürgertums in München-Schwabing locker zu verkraften, für einen ärmeren Haushalt nicht so leicht. Wenn dann noch die energetischen Auflagen zur Wärmedämmung ständig verschärft werden und die Baukosten entsprechend ansteigen, werden sich noch weniger Familien in Regionen mit ohnehin schon hohem Miet- und Preis-niveau eine angemessene Wohnung leisten können.

Letztes Beispiel: Das bayerische Volksbegehren zur Artenvielfalt spielt geschickt auf der Klaviatur der „grünen“ Themen Klima-, Umwelt- und Tierschutz. Wer könnte schon gegen die Rettung der Bienen sein? Aber wie so oft steckt der Teufel im Detail. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hat zu Recht gesagt, dass die Landwirte nicht zum Alleinschuldigen gestempelt werden dürfen und darauf hingewiesen, dass Naturschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Hinzu kommen negative soziale Auswirkungen, und zwar nicht nur für viele „konventionelle“ Landwirte, die einen Umstieg auf die aufwendigere Ökolandwirtschaft finanziell nicht stemmen können, sondern auch für viele Verbraucher. Ein steigender gesellschaftlicher Druck zum Kauf von (teureren) Öko-Produkten geht nämlich vor allem zulasten der Geringverdiener, die sich ein Bio-Putenschnitzel für zehn Euro nicht so ohne Weiteres leisten können. Deshalb ist es richtig, dass Ministerpräsident Markus Söder Bienen und Bauern retten will und dazu alle relevanten Gruppen an einen Tisch holt. Das ist CSU in Reinkultur.