Sind für die Bewegung bei der SPD vermutlich mitverantwortlich: Außenminister Gabriel (l.), der als Freund einer großen Koalition gilt, und Fraktionschefin Andreas Nahles. (Foto: Imago/Metodi Popow)
SPD

Und sie bewegt sich doch

Die SPD hat ihre monatelange Totalverweigerung aufgegeben und zeigt sich gesprächsbereit für eine große Koalition. Bundespräsident Steinmeier hat die Parteichefs von CDU, CSU und SPD eingeladen. Ob sich SPD-Chef Schulz jedoch halten kann, ist unklar.

Die SPD bewegt sich doch noch. Trotz der kategorischen Weigerung von Parteichef Martin Schulz, mit CDU und CSU über eine große Koalition zu sprechen, erklärte Generalsekretär Heil nach einer achtstündigen SPD-Vorstandssitzung: „Die SPD wird sich Gesprächen nicht verschließen.“ In der langen Sitzung habe man Hinweise des Bundespräsidenten ausgewertet. Frank-Walter Steinmeier, selbst früherer SPD-Kanzlerkandidat und Außenminister in zwei großen Koalitionen, hatte Schulz zuvor 70 Minuten lang zugeredet, seinen Beitrag zur Verhinderung einer Regierungskrise zu leisten, die nach dem Scheitern der „Jamaika“-Verhandlungen droht.

Die SPD wird konstruktiv an einem Ausweg aus dieser verfahrenen Situation mitarbeiten.

Erklärung der SPD

Derweil mehren sich in der SPD die Stimmen, notfalls zum dritten Mal seit 2005 ein Bündnis mit CDU und CSU einzugehen. „Die SPD kann sich auch nicht wie ein trotziges Kind verhalten“, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD). Die Union hatte zuvor betont, die Tür für die Sozialdemokraten stehe offen. Zuvor hatten zahlreiche weitere Bundestagsabgeordnete gegen Schulz‘ Totalverweigerung protestiert und massiv darauf gedrungen, eine Neuwahl zu vermeiden – auch aus Furcht, das eigene Mandat zu verlieren, falls die SPD erneut Prozente verlieren sollte.

SPD-Chef Martin Schulz warf sich nun in die Pose des Retters und erzählte auf Twitter von einem „dramatischen Appell“ des Bundespräsidenten, dem er sich „nicht verweigern“ werde. Es gebe aber „keinen Automatismus in irgendeine Richtung“, beschwichtigte Schulz seine Kritiker. Die SPD teilte in einer Erklärung mit, in der Parteiführung herrsche Einigkeit, „dass angesichts des Scheiterns der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU, Grünen und FDP und des dringenden Appells des Bundespräsidenten die SPD konstruktiv an einem Ausweg aus dieser verfahrenen Situation mitarbeiten wird“, teilte die Partei mit. „Bis dahin wird die SPD selbstverständlich in der geschäftsführenden Regierung weiterarbeiten.“

Zukunft von Schulz ungewiss

Allerdings dürfte die SPD – wie bereits 2013 – erneut versuchen, einer großen Koalition ihr linkes Programm aufzuzwingen. So forderte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bereits paritätische Sozialbeiträge und eine Bürgerversicherung, die das Aus für die privaten Krankenversicherungen bedeuten würde. Darauf deutet auch Schulz‘ Ankündigung hin, die SPD-Mitglieder über eine mögliche Regierungsbeteiligung abstimmen zu lassen. Bereits 2013 erwies sich der Mitgliederentscheid als probates Druckmittel, viele linke Projekte im Koalitionsvertrag unterzubringen. Auch zahlreiche CSU-Mitglieder fordern eine Mitgliederbefragung über einem möglichen Koalitionsvertrag.

Ob sich Parteichef Schulz an einer neuen Bundesregierung einer großen Koalition beteiligt und ob er sich an der Spitze der SPD halten kann, ist unklar. Der SPD-Chef hatte nach dem Absturz auf 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl bereits kurz nach Schließung der Wahllokale kategorisch angekündigt, in die Opposition zu gehen. Damit war er nach Einschätzung von Beobachtern seinem eigentlich unvermeidlichen Rücktritt zuvorgekommen. Noch am Montag – nach dem Scheitern von „Jamaika“ – hatte Schulz wiederholt, die SPD stehe für eine große Koalition nicht zur Verfügung. Er wolle den Bürgern die Möglichkeit geben, neu zu wählen.

Große Koalition zum Plausch beim Präsidenten

Unterdessen lud Bundespräsident Steinmeier die Parteichefs von CDU, CSU und SPD, Merkel, Seehofer und Schulz, zu einem Acht-Augen-Gespräch über die Bildung einer neuer Regierung ein. Der Termin ist noch unklar. Nach dem Scheitern der Sondierungen für eine Jamaika-Koalition hatte das Staatsoberhaupt nacheinander die Parteivorsitzenden von CDU, CSU, FDP, Grünen und später auch SPD eingeladen, um sich über die Gründe für den Abbruch der Verhandlungen zu informieren und das weitere Vorgehen zu besprechen.

In der kommenden Woche will Steinmeier auch die Fraktionschefs aller im Bundestag vertretenen Parteien sprechen: Am Montag trifft das Staatsoberhaupt die Grünen-Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, danach den Unions- Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder sowie am Abend die Linken-Fraktionsspitzen Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Am Dienstag empfängt Steinmeier die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles, am Donnerstag folgen die AfD-Fraktionsspitzen Alexander Gauland und Alice Weidel. FDP-Fraktionschef Christian Lindner hatte er bereits am Dienstag in dessen Funktion als Parteichef gesprochen.

FDP legt zu

Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche haben Liberale, Sozialdemokraten, Grüne und Linke in einer Umfrage in der Wählergunst leicht zugelegt. Dagegen rutschten die Union und die AfD in der Umfrage des Insa-Instituts im Auftrag des Magazins Focus leicht ab. Wäre am nächsten Sonntag Bundestagswahl, käme die FDP demnach auf zwölf Prozent, das wären 1,3 Prozentpunkte mehr als bei der Wahl am 24. September. Die SPD würde 21 Prozent erreichen (plus 0,5), Grüne und Linke jeweils zehn Prozent (plus 1,1 und plus 0,8). CDU und CSU lägen bei 32 Prozent (minus 1) und die AfD bei 12 (minus 0,6).