Wenn die SPD in ihrem selbstgewählten Oppositions-Loch verbleibt, entsteht Schaden für das Land. (Foto: Imago/IPON)
Jamaika-Aus

Die SPD muss kommen!

Kommentar Nach dem Scheitern von „Jamaika“ liegt der Ball im Feld der SPD. Sie muss endlich in die Gänge kommen, die depressive Nabelschau beenden und sich der Verantwortung für das Land stellen. Eine weitere Totalverweigerung würden die Wähler bestrafen.

„Jamaika“ in Deutschland ist vorläufig gescheitert. Vier Wochen intensiver Sondierungen haben nicht dazu geführt, dass sich CDU/CSU und FDP mit den Grünen auf eine tragfähige Grundlage für vier Jahre Bundesregierung hätten einigen können. Geometrisch ausgedrückt: Die Schnittmenge an Gemeinsamkeiten zwischen den bürgerlich-liberal-konservativen Kräften und den Grünen, vor allem deren linken Trittin-Flügel, ist einfach zu klein.

Eine Möglichkeit wäre nun eine Minderheitsregierung aus CDU/CSU und FDP, die im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit einen Kanzler aus den Reihen der Union wählen könnte. Eine CDU/CSU-FDP-Regierung wäre binnen weniger Wochen aufs Gleis gekommen, sagen alle Beteiligten. Doch eine solche Minderheitsregierung wäre instabil, weil sie immer auf 29 Abweichler aus anderen Parteien oder auf die punktuelle Unterstützung einer Oppositionspartei angewiesen wäre. Hier liegt bereits der Hase im Pfeffer, denn die Unterstützung etwa aus der AfD würde mit Sicherheit ein verheerendes Medienecho auslösen. Eine bessere Politik wäre so nur schwer durchzusetzen.

SPD muss aus der Verantwortungslosigkeit herauskommen

Es gibt aber noch eine Volkspartei, die ebenso wie die Union die Pflicht und Schuldigkeit hat, Verantwortung für Land und Volk zu übernehmen: die SPD. Deren gescheiterter Spitzenkandidat Schulz hat am Wahlabend bereits um 18.05 Uhr verkündet, seine Partei wolle lieber in die Opposition gehen als nochmals vier Jahre große Koalition mitzumachen. Dies bedeutet: Die SPD versinkt lieber in Selbstmitleid und innerer Emigration, um nach ihrem richtigen Kurs zu suchen, als ihre Verantwortung für das Land wahrzunehmen.

Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Auch angesichts des Scheiterns von „Jamaika“ fällt der SPD nichts Besseres ein, als sich trotzig noch weiter in ihre Oppositionshöhle einzugraben und aus dem Off zu höhnen. Doch der Hohn fällt auf sie selbst zurück. Die Wähler werden es nicht verzeihen, wenn eine Partei dermaßen egoistisch und selbstverliebt die Interessen der Partei vor die des Landes stellt. Wenn die SPD bei Neuwahlen, die sie ja dann selbst mit verschuldet hätte, in den einstelligen Prozentbereich stürzen würde, hätte sie das redlich verdient. Eine solche Partei der Totalverweigerung und demonstrativen Verantwortungslosigkeit braucht niemand.

Wechsel an der Parteispitze?

In Wirklichkeit war der von den Genossen zunächst bejubelte Gang in die Opposition ein Zeichen der Schwäche des Führungspersonals: Parteichef Schulz hätte nach dem beispiellosen Wahldesaster eigentlich sofort zurücktreten müssen. Schulz‘ trotzige Oppositionsrhetorik täuschte hierüber hinweg und verschaffte ihm Zeit. Hätte die SPD einen Rest von Mut und Verantwortungsbewusstsein, würde sie Schulz auf dem anstehenden Parteitag im Dezember in die Wüste schicken und sich der Verantwortung stellen; mithin Gespräche mit der Union über eine Regierungsbeteiligung beginnen – in welcher personellen Formation auch immer. Dass die SPD sich weigert, Kanzlerin Merkel erneut ins Amt zu wählen, ist verständlich. Dies sollte ein lösbares Problem sein.

Ganz gewiss ist es nicht der Wunschtraum der Wähler – und auch nicht der Politiker – sich nochmals vier Jahre lang durch eine große Koalition zu quälen. Dynamik strahlte schon die letzte Regierung nicht mehr aus – vor allem auf Seiten der SPD nicht mehr, nachdem sie ihre ganzen sozialistisch-dirigistischen Projekte wie Frührente mit 63, Mindestlohn und Frauenquote in Aufsichtsräten durchgeboxt hatte. Der permanente GroKo-Kompromiss führte zu einem Abschleifen der Profile der beteiligten Parteien, so dass die Wähler zurecht beklagten, CDU und SPD könne man kaum mehr unterscheiden. Das dauerhafte pragmatische Drängen der Demokraten in die Mitte führte zu einem Erstarken der Ränder – eine gefährliche Entwicklung. Schlag nach unter „Weimarer Republik“. Aber in der momentanen Lage wäre eine große Koalition gewiss das kleinste Übel.

Steinmeier redet den Genossen ins Gewissen

Ein prominenter SPD-Mann mit ruhender Parteimitgliedschaft immerhin hat die richtigen Worte gefunden: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief alle Parteien nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen auf, sich intensiv um eine Regierungsbildung zu bemühen – offensichtlich auch mit Blick auf seine eigene Partei. „Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält“, sagte Steinmeier, nachdem ihm Kanzlerin Merkel das Scheitern von „Jamaika“ verkündet hatte. Steinmeier kündigte an, mit allen demokratischen Parteien nochmals offiziell zu sprechen: am Dienstag mit Grünen und FDP, am Mittwoch mit der SPD. Ob die SPD indes psychisch in der Lage ist, auf ihren ehemaligen Spitzenmann zu hören, ist indes mehr als fraglich.