Der ehemalige bayerische Justizminister Winfried Bausback. (Foto: Eleana Hegerich)
Sicherheit

„Unsere Werte stehen nicht zur Disposition!“

Interview Der bayerische Justizminister Winfried Bausback spricht sich im Interview mit Marc Sauber für eine offensive Debatte über das Verbot der Vollverschleierung aus. Eine offene Kommunikation gehöre zwingend zu unserer Gesellschafts- und Werteordnung.

Die Analyse der Bundestagswahl zeigt, dass viele Menschen ein gestörtes Sicherheitsempfinden haben. Wie möchten Sie dieser Entwicklung gegensteuern?

Keine Frage: Sicherheit ist ein absolutes Megathema. Wir leben zum Glück in einer Zeit, in der wir in Bayern so frei und in so großem Wohlstand leben wie vielleicht noch nie zuvor. Gleichzeitig erwarten die Menschen völlig zurecht, dass der Staat seine erste Aufgabe, nämlich Sicherheit und Ordnung für seine Bürgerinnen und Bürger zu garantieren, ernst nimmt und bestmöglich erfüllt. Und genau das tun wir in Bayern. Aus meiner Sicht gibt es im Wesentlichen vier Punkte, die die Menschen beim Thema Sicherheit besonders beschäftigen. Erstens: Der zunehmende Extremismus und zwar aus allen Richtungen. Zweitens: Der Bereich Cyberkriminalität. Das ist beileibe kein Phänomen, das nur wenige Wirtschaftsunternehmen betrifft. Es geht vielmehr die Sicherheit der breiten Bevölkerung an. Der dritte Punkt steht insbesondere auch im Zusammenhang mit der Migrationsbewegung. Er umfasst die Fragen nach staatlicher Kontrolle sowie der Durchsetzung des Rechts insgesamt. Und schließlich viertens: Der Wohnungseinbruchdiebstahl. Diese abscheuliche Straftat, die der Gesetzgeber jetzt endlich auch als Verbrechen einstuft, erschüttert das persönliche Sicherheitsempfinden der Betroffenen oftmals bis ins Mark. Auf diese vier Punkte brauchen wir glasklare Ansagen und die lauten: Bei uns ist kein Platz für Extremisten egal welcher Couleur. Und: Unser Rechtsstaat ist stark, er weicht nicht zurück! Er gewährleistet bestmöglich die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger.

Auch in als besonders sicher geltenden Städten wie München haben manche Frauen inzwischen Angst, nachts alleine mit der U-Bahn nach Hause zu fahren. Können Sie das nachvollziehen?

Grundsätzlich ja. Wobei ich allerdings auch sagen muss: Ich war in den letzten Jahren bei fast jeder Bundesratssitzung und damit sehr häufig in Berlin. Beim direkten Vergleich sieht man: Das subjektive Sicherheitsempfinden in München ist ein anderes, wesentlich besseres als in Berlin. Und trotzdem müssen wir auch in Bayern feststellen, dass etwa die Zahl der Sexualdelikte gestiegen ist. Außerdem haben wir seit der Kölner Silvesternacht 2015 ein anderes Bedrohungsszenario. Darauf haben wir reagiert und Gegenmaßnahmen ergriffen. Zum einen haben wir auf hartnäckiges bayerisches Fordern das Sexualstrafrecht deutlich verschärft. Zum anderen habe ich erst kürzlich zusammen mit unserem Innenminister Joachim Herrmann ein 7-Punkte-Programm zur Bekämpfung von Sexualstraftaten vorgestellt. Das Konzept setzt zum Beispiel auf umfassende Präventionsmaßnahmen, engagierte Fahndungs- und Ermittlungsarbeit, zügige Strafverfolgung und notwendige Rechtsänderungen. Ich bin überzeugt: Auf Dauer werden unsere Maßnahmen greifen und das Sicherheitsempfinden unserer Bürgerinnen und Bürger stärken.

Wer in kultureller oder religiöser Verblendung schwere Straftaten begeht, darf nicht auf die Nachsicht unserer Rechtsgemeinschaft hoffen.

Winfried Bausback

Die Analysen zur Bundestagswahl haben auch gezeigt, dass mehr Menschen als gedacht Angst vor einer kulturellen Veränderung, vor Überfremdung haben. Sie haben die Debatte über ein Burka-Verbot früh und intensiv geführt…

Ich bin überzeugt: Wir müssen die Debatte über ein Verbot der Vollverschleierung offensiv angehen. Zunächst will ich ein ausdrückliches umfassendes Verbot der Vollverschleierung vor Gericht für alle Verfahrensbeteiligten, insbesondere für Zeugen. Denn der Rechtsstaat braucht einen unverhüllten Blick in das Gesicht und auf die Wahrheit. Hierfür werden wir auch in der nächsten Legislaturperiode mit großem Nachdruck kämpfen. Ich will aber gleichzeitig einen Schritt weitergehen: Ich möchte mindestens auf mittlere Sicht auch in Deutschland ein allgemeines Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum. Andere Länder, wie etwa Österreich, haben uns gezeigt, wie es geht. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat erst kürzlich wieder entschieden, dass ein Verbot der Vollverschleierung zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer in einer demokratischen Gesellschaft gerechtfertigt und notwendig sein kann. Für mich ist ganz zentral: Unsere Gesellschaft ist eine Gesellschaft vor allem der freien Kommunikation. Offener und freier Dialog ist zudem ein Wesensmerkmal unseres Rechtsstaats. Und Kommunikation ist nicht nur Sprache. Sie beinhaltet ganz wesentlich auch Gestik und Mimik. Nichts davon gibt die Burka preis. Deshalb steht die Vollverschleierung für mich in diametralem Widerspruch zu den Grundwerten unserer Gesellschaft und unserer Verfassung.

Die Vollverschleierung steht für mich in diametralem Widerspruch zu den Grundwerten unserer Gesellschaft und unserer Verfassung.

Winfried Bausback

So viele Menschen trifft man ja nicht auf der Straße, die in Burka rumlaufen. Geht es Ihnen darum, ein Zeichen zu setzen?

Natürlich ist die Vollverschleierung kein Massenphänomen. Aber es gibt ausreichend Fälle. Und diesen möchte ich ein klares Stopp-Schild entgegenhalten. Wer sich der offenen Kommunikation verweigert, lehnt offensichtlich unsere Rechts- und Gesellschaftsordnung ab. Und wer dies tut, kann nicht dauerhaft bei uns bleiben.

Die CSU sagt, Deutschland soll Deutschland bleiben und Bayern soll Bayern bleiben. Was bedeutet das konkret?

Das heißt ganz klar: Unsere Werte und unsere kulturellen Leitvorstellungen stehen nicht zur Disposition! Und da spielt übrigens auch die Rechtspolitik eine ganz wichtige Rolle. Wir müssen nämlich insgesamt und bei den einzelnen Regelungen immer wieder deutlich machen: Es gilt unsere Rechts- und Werteordnung – ohne Wenn und Aber! Sei es bei der Nichtigkeit von im Ausland geschlossenen Kinderehen, die wir bereits durchgesetzt haben, sei es – wie vorhin schon angesprochen – bei der Strafzumessung, oder sei es beim allgemeinen Burkaverbot.

Unsere Werte und unsere kulturellen Leitvorstellungen stehen nicht zur Disposition!

Winfried Bausback

Wenn Sie an den politischen Islam denken. Wie möchten Sie den richtigen Ausgleich zwischen klarer Kante und Wahrung der Religionsfreiheit finden?

Zunächst einmal: Der Islam gehört zu den großen Weltreligionen. Für viele Anhänger und in wichtigen Strömungen ist er eine friedliche Religion. Und die friedliche Religionsausübung wird selbstverständlich von der Religionsfreiheit geschützt. Hiervon strikt zu unterscheiden sind allerdings die Strömungen des sogenannten politischen Islam. Als ideologisch-totalitäre Weltanschauung benutzt er die Sprache der Religion, um politische Ziele durchzusetzen. Er stellt unser freiheitliches Wertesystem an sich in Frage. Deshalb müssen wir auch frühzeitig ganz klare Grenzen ziehen. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts definiert den sogenannten Schutzbereich der Religionsfreiheit sehr weit. Letztlich ist Religion danach das, was der Einzelne unter Religion versteht. Diesen Ansatz muss man meines Erachtens in einer Zeit von religiösen Extremismen wie dem politischen Islam kritisch hinterfragen. Denn: Die Bedrohung des Staates beginnt nicht erst mit dem Bombenbau oder dem Versuch eines Anschlags. Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ist vielmehr bereits durch den politischen Islam, der wesentlich früher ansetzt, bedroht. Und ein Zweites: Die Religionsfreiheit ist in unserer Verfassung ein Grundrecht, das – wie jedes andere Grundrecht auch – gewissen Schranken unterliegt. Und da steht unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ganz oben. Das bedeutet: Wird sie verletzt, muss das Recht des Einzelnen auf Religionsfreiheit zurücktreten.

Muss Toleranz auch Grenzen haben?

Auf jeden Fall. Toleranz muss Grenzen haben, wenn Toleranz und Freiheit dazu genutzt werden, beides abzuschaffen. Der Philosoph Sir Karl Popper, der in seinen Schriften im 20. Jahrhundert das Paradoxon der Toleranz formuliert hat, hat sinngemäß gesagt: Wird Toleranz auch gegenüber den Intoleranten ausgedehnt, die eine tolerante Gesellschaftsordnung nicht akzeptieren, dann ist das das Ende der toleranten Gesellschaft. Das mag ein recht abstrakter Satz sein. Er bringt das Problem aber sehr gut auf den Punkt.

Auszug

Das ist ein Auszug. Das komplette Interview zwischen Justizminister Winfried Bausback und Chefredakteur Marc Sauber lesen Sie im aktuellen BAYERNKURIER-Magazin.