Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (Foto: BK/Nikky Maier)
Landwirtschaft

Politik mit dem Einkaufskorb

Interview Landwirtschaftsminister Helmut Brunner appelliert an die Verbraucher, auf die Qualität der regionalen Produkte zu setzen und damit die heimischen Landwirte zu unterstützen. Er sagt: "Ohne Bauern würde Bayern sein Gesicht verlieren."

Herr Minister, der Begriff Heimat ist derzeit in aller Munde. Inwieweit kann das auch eine Chance für die bayerischen Bauern sein?

Die Landwirtschaft ist der Inbegriff von Heimat und Bodenständigkeit. Insofern ist die wachsende Sehnsucht der Menschen nach Geborgenheit und Verwurzelung in einer sich immer schneller verändernden Welt eine echte Chance für die bayerischen Bauern. Die Wertschätzung ihrer Arbeit steigt ebenso, wie der Wunsch nach regionalen Lebensmitteln. Die Menschen wollen zunehmend wissen, woher unsere Lebensmittel kommen und unter welchen Bedingungen sie erzeugt wurden. Genau hier sehe ich die Chance für unsere vielen Familienbetriebe in überschaubarer Größe, die eben keine Agrarfabriken sind, sondern mit Herz und Hingabe Landwirtschaft betreiben und zudem auch für vitale ländliche Räume und eine gepflegte Naturlandschaft sorgen.

Politik für die Heimat bedeutet, den ländlichen Raum zu stärken. Inwieweit profitieren davon auch die Landwirte?

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht geschrieben, dass die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren mit 1,5 Milliarden Euro zusätzlich die Landwirtschaft und den ländlichen Raum unterstützen möchte. Zudem ist es uns gelungen, das bayerische Leitbild einer familiengeführten bäuerlichen Landwirtschaft als Koalitionsziel bundesweit zu verankern. Der bayerische Weg einer in der Gesellschaft verankerten, regionalen Landwirtschaft wird damit zum Modell für ganz Deutschland. Das ist ein ganz entscheidendes Signal, von dem die Landwirte als Säule des ländlichen Raums profitieren. Wir wollen die Einkommen der Landwirte stabilisieren, wir wollen mit einer fortschrittlichen Digitalisierungspolitik die Zukunftschancen der Land- und Forstwirte verbessern. Erfreulich ist auch, dass bayerische Forderungen wie das Verbot von Gentechnik und das Nein zu Pflanzenpatenten zwischen Union und SPD vereinbart wurden. Auf Landesebene haben wir zudem zahlreiche Instrumente, die in meinem Haus angesiedelt sind, um die Lebensqualität und die Lebensfreude im ländlichen Räumen zu verbessern.

Die Landwirtschaft ist der Inbegriff von Heimat und Bodenständigkeit.

Helmut Brunner, bayerischer Landwirtschaftsminister

Kann man von der reinen Nahrungsmittelerzeugung als Landwirt künftig noch leben?

Schon jetzt haben 60 Prozent der bayerischen Betriebe neben der landwirtschaftlichen Produkterzeugung zusätzliche Standbeine aufgebaut. Mit der Energiegewinnung, mit Urlaub auf dem Bauernhof, Direktvermarktung oder Biolandwirtschaft. Wir bekennen uns eindeutig zu diesen familiengeführten bäuerlichen Betrieben, die flächendeckend, nachhaltig, ressourcenschonend und bodengebunden Landwirtschaft betreiben. Wir wollen also keine industriellen Großbetriebe wie in den neuen Bundesländern mit 500 Hektar Ackerfläche oder mehr. Würden wir diese Betriebsgrößen anstreben, würden 6.000 Betriebe ausreichen, um die Fläche in ganz Bayern zu bewirtschaften. Wir haben aber aktuell über 106.000 Betriebe. Diese Vielfalt, die ich gleichzeitig als Reichtum Bayerns ansehe, wollen wir erhalten. Das geht aber nur, wenn wir außerhalb der Nahrungsmittelerzeugung weitere Standbeine ermöglichen.

Wie würde sich Bayern ohne Landwirtschaft verändern?

Bayern würde ein ganzes Stück ärmer werden. Wir würden unser Gesicht verlieren und wir würden teilweise unsere Seele verlieren. Unsere Landschaft würde sich nachhaltig verändern, es wäre keiner mehr da, der die Wiesen, Äcker und Wälder bewirtschaftet und pflegt. Die Land- und Forstwirtschaft bedeutet für Bayern zudem eine wirtschaftlich bedeutende Säule, gerade für die vielen Menschen im ländlichen Raum. Die Landwirte sind die Seele der bayerischen Dörfer, sie leisten einen wichtigen Beitrag zum kommunalen Leben, leben die christlichen Werte, engagieren sich im Sportverein und bei der freiwilligen Feuerwehr. Die Bauernfamilien tragen ganz erheblich auch zur sozialen Stabilität im ländlichen Raum bei und nicht zuletzt gehören die Bauernhöfe zum bayerischen Ortsbild wie der Kirchturm und der Maibaum. Die Bedeutung der bayerischen Bauern geht also weit über die Erzeugung hochwertiger Nahrungsmittel hinaus. Jeder dritte Bauernhof Deutschlands steht in Bayern, wir werden alles daran setzen, dass dies auch so bleibt.

Die Bauernfamilien tragen ganz erheblich auch zur sozialen Stabilität im ländlichen Raum bei.

Helmut Brunner, CSU

Die Landwirte produzieren unser Essen und können dennoch nicht davon leben. Bezahlen wir in Deutschland zu wenig für unsere Lebensmittel?

In kaum einem anderen Land ist das Verhältnis zwischen Einkommen und Ausgaben für Nahrungsmittel aus Sicht der Landwirtschaft so ungünstig wie bei uns. Der Deutsche gibt rund 11 Prozent seines Einkommens für Nahrungsmittel aus. In Italien sind es 5 Prozentpunkte mehr und in Japan oder China nochmal deutlich mehr. Wenn die Preise für die Nahrungsmittel zurückgehen und die Investitionskosten der Landwirte steigen, dann stellt das die Betriebe natürlich vor schier unlösbare Probleme. Für einen neuen Traktor muss man heute schnell mehr als 100.000 Euro hinlegen. Durch entsprechende Technisierung und Automatisierung konnten wir die Entwicklung ein Stück weit abfedern, aber irgendwann ist eine Grenze erreicht. Alles wird teurer, nur die Lebensmittel nicht. Da gibt es Produkte, die heute billiger sind als vor 20 oder 30 Jahren. Ich kann nur an die Verbraucher appellieren, auf die Qualität der regionalen Produkte zu setzen und dies auch mit einem angemessenen Preis zu honorieren. Sie können sozusagen Politik mit dem Einkaufskorb betreiben und die heimischen Landwirte unterstützen. Es lohnt sich, Qualität aus Bayern einzukaufen – aus vielerlei Hinsicht.

Der Flächenverbrauch ist derzeit ein großes Thema in Bayern. Oftmals geht auch landwirtschaftliche Fläche verloren. Wie antwortet die CSU darauf?

Der richtige Weg ist, mit den Kommunen gemeinsam Lösungen zu finden. Und ihnen nicht mit Verboten und starren Vorgaben Entwicklungschancen zu nehmen, wie es die Grünen mir ihrem Volksbegehren wollen. Richtig ist, dass wir beim Flächensparen vorankommen müssen. Wenn wir in Bayern täglich 13 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche für Infrastrukturmaßnahmen verlieren, plus einige Hektar Ausgleichsflächen, dann ist das schon besorgniserregend. Der damit verbunden Anstieg der Boden- und Pachtpreise überschreitet vielerorts längst die Schmerzgrenze. Umgekehrt ist die kommunale Planungshoheit ein wichtiges Instrument für gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen. Wir unterstützen die Gemeinden deshalb seit vielen Jahren beim Flächenmanagement. Das allein reicht aber nicht aus. Ich denke auch an Instrumente wie die Revitalisierung der Ortskerne und den Abbau von Leerständen. Es ist doch besser, bestehende Bauten zu sanieren und zu nutzen, als am Ortsrand auf der grünen Wiese neu zu bauen. Wir müssen auch ungenutzte Industriegebiete und Gewerbebauten wiederbeleben und flächensparendes Bauen steuerlich begünstigen. Wir brauchen auch einen pragmatischen Ansatz beim Denkmalschutz. Und man muss sicher auch darüber nachdenken, ob man beim Bau eines neuen Supermarkts auf dem flachen Land auch noch die dreifache Fläche für Parkplätze braucht oder ob man sich mit einer Tiefgarage oder einem Parkhaus nicht auch viel Fläche sparen könnte.

Es lohnt sich, Qualität aus Bayern einzukaufen – aus vielerlei Hinsicht.

Helmut Brunner

Sie werden bei der Wahl am 14. Oktober nicht mehr für den Landtag kandidieren. Wie wird ihre persönliche Zukunft aussehen?

Ich werde von der Theorie wieder mehr in die Praxis zurückkehren und mich wieder verstärkt um meine eigene Landwirtschaft und meinen Wald kümmern. Aber, keine Frage, nach 24 Jahren im Bayerischen Landtag und nach zehn Jahren als Staatsminister wird das schon eine Umstellung sein. Ich habe immer gesagt, mein Ziel ist es, den Zeitpunkt des Ausstiegs selbst zu bestimmen, in der Hoffnung, dass die Menschen sagen, schade, dass er geht und nicht Gott sei Dank. Es ist mir zuletzt nochmal relativ schwer gemacht worden, an diesem Entschluss festzuhalten, weil ich von verschiedenen Stellen gebeten wurde, noch eine Periode dranzuhängen, aber jetzt habe ich noch ausreichend Muße, Mut und Schwung, um auf meinem Hof das eine oder andere noch anzupacken. Darauf freue ich mich, wie auch auf die Zeit mit meiner Familie.

Auszug

Dies ist ein Auszug des Gesprächs zwischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Chefredakteur Marc Sauber. Das komplette Interview lesen Sie im aktuellen BAYERNKURIER-Magazin.