Edmund Stoiber, Ehrenvorsitzender der CSU und ehemaliger Bayerischer Ministerpräsident (Foto: BK/Nikky Maier).
Stoiber-Kolumne

Die DNA der CSU

Kolumne Im Wahlkampf haben viele Menschen vergeblich auf ein Signal der Bundeskanzlerin gewartet, dass die Anliegen konservativer Bevölkerungsteile verstanden werden - schreibt der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber im aktuellen BAYERNKURIER-Magazin.

Das Ergebnis der Bundestagswahl ist eine historische Zäsur für die CSU, aber auch für die Union insgesamt. Zum ersten Mal hat sich mit der AfD eine Partei rechts von der Union im Bundestag etabliert. Der alte Anspruch von Franz Josef Strauß, dass rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei entstehen darf, ist aber nicht obsolet, sondern muss jetzt erst recht der wichtigste Leitsatz der CSU für die Zukunft sein. Dieses Wahlergebnis darf sich nicht wiederholen!

Nicht aus Überzeugung

Auch wenn Spitzenvertreter der AfD wie Björn Höcke oder Alexander Gauland gezielt Provokationen am rechtsextremen Rand setzen, dürfen wir nicht den Fehler machen, die Wählerschaft der AfD pauschal als Neonazis zu bezeichnen. Wahlanalysen zufolge haben bei der Bundestagswahl 60 Prozent der AfD-Wähler die Partei aus Enttäuschung über die etablierten Parteien gewählt und nicht aus Überzeugung. Nur ein Gedankenspiel: Hätten diese rund 3,5 Millionen Enttäuschte nicht AfD, sondern CDU oder CSU gewählt, wäre die Union nicht bei knapp 33 Prozent, sondern bei 41 Prozent gelandet.

Der alte Anspruch von Franz Josef Strauß, dass rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei entstehen darf, ist aber nicht obsolet, sondern muss jetzt erst recht der wichtigste Leitsatz der CSU für die Zukunft sein.

Edmund Stoiber

Es muss das Ziel sein, dieses Wählerpotenzial wieder für die Union zurückzuholen. Natürlich gilt es darüber hinaus auch zur FDP abgewanderte Unionswähler, die mit der Union unzufrieden sind, wiederzugewinnen. Aber das ist kein neues Thema. Diese Konkurrenz hatten wir schon immer, vor allem in den Zeiten von Graf Lambsdorff und Genscher. Neu ist die Auseinandersetzung mit der AfD. Dazu muss die Union, besonders auch die CDU – wenn wir Schwestern sein wollen – ihr konservatives Profil schärfen. Im Wahlkampf haben viele Menschen vergeblich auf ein Signal der Bundeskanzlerin, aber auch anderer Spitzenvertreter der CDU gewartet, dass die Anliegen konservativer Bevölkerungsteile verstanden und berücksichtigt werden.

Kein Lerneffekt bei der CDU

Vor ein paar Monaten schien es noch so, als sei Angela Merkel gewillt, ihre Flüchtlingspolitik grundsätzlich neu zu überdenken und auf die CSU zuzugehen, die ja seit langem eine klare Begrenzung des Flüchtlingszuzugs fordert. Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU heißt es entsprechend, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen soll und darf, weil alle Beteiligten daraus gelernt haben. Von diesem Lerneffekt war bei der CDU – von wenigen Ausnahmen wie Jens Spahn oder Stimmen an der Basis abgesehen – in den letzten Wochen vor der Wahl nichts mehr zu spüren. Stattdessen hat die Bundeskanzlerin im Wahlkampf öffentlich verkündet, sie habe im Herbst 2015 alles richtig gemacht. Und sie hat das Thema Familiennachzug für vorübergehend Bleibeberechtigte auf kommendes Jahr verschoben und sich nicht klar gegen einen Zuzug von weiteren hunderttausenden Familienangehörigen ausgesprochen. Das hat die Glaubwürdigkeit des gemeinsamen Wahlprogramms und damit die Glaubwürdigkeit der CSU erschüttert.

Im Wahlkampf haben viele Menschen vergeblich auf ein Signal der Bundeskanzlerin, aber auch anderer Spitzenvertreter der CDU gewartet, dass die Anliegen konservativer Bevölkerungsteile verstanden und berücksichtigt werden.

Edmund Stoiber

Die CSU hat für die Einheit der Union im Wahlkampf einen hohen Preis gezahlt. Sie wurde von vielen ehemals treuen Wählern in Mithaftung für eine Flüchtlingspolitik genommen, die nach ihrer Meinung die berechtigten Bedenken der einheimischen Bevölkerung über Belastbarkeit und Integrationsfähigkeit nicht ausreichend ernst genommen hat. Dabei geht es auch um die grundlegende Frage nach der kulturellen Identität Deutschlands. Unsere Heimat ist geprägt vom christlich-abendländischen Menschenbild, nicht vom Islam. Die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung möchte auch, dass das so bleibt.

Die Heimat geht verloren

Aber mit jeder Schlägerei in einer Asylunterkunft, mit jeder sexuellen Belästigung durch Asylbewerber, mit jeder Versammlung afrikanischer Flüchtlinge an einem WLAN-Hotspot am Rathaus wächst das Gefühl, dass sich die kulturelle Grundlage Deutschlands schleichend verändert. Und diese kulturelle Frage wird schnell zu einer sozialen Frage, wenn die sogenannten „kleinen Leute“ den Eindruck bekommen, für Flüchtlinge würde mehr getan als für die einheimische Bevölkerung. Diesen Eindruck haben übrigens auch viele Migranten, die schon lange in Deutschland  leben und sich integriert haben. Gerade die konservativen Volksparteien CDU und CSU müssen die Sorgen dieser Menschen auf- und ernstnehmen und dürfen sie nicht den rechtsextremen Rattenfängern mit ihren einfachen Lösungen überlassen. Das muss unser Thema sein und auch das Thema der CDU.

Unsere Heimat ist geprägt vom christlich-abendländischen Menschenbild, nicht vom Islam. Die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung möchte auch, dass das so bleibt.

Edmund Stoiber

Es ist für die Stabilität in der Demokratie entscheidend wichtig, dass es Volksparteien gibt, die auch die rechte und die linke demokratische Mitte abdecken. Die einstmals große und stolze Volkspartei SPD hat es in den 80er und 90er Jahren versäumt, ihre linke Flanke zu schließen. Daraus sind mit den Grünen, und nach der deutschen Wiedervereinigung der Linkspartei, Konkurrenten entstanden, die sich dauerhaft im linken Parteienspektrum etabliert haben. Die Union muss aufpassen, dass sich das Gleiche an der rechten Flanke nicht mit der AfD wiederholt.

Herausforderung annehmen

Für die CSU stellt der Aufstieg der AfD eine noch größere Herausforderung dar als für die CDU. Die CDU war immer eine Koalitionspartei, die sich ihre Mehrheiten flexibel sucht. Längst vorbei sind die Zeiten wie in Baden-Württemberg, wo die CDU zwischen 1972 und 1992 noch mit absoluter Mehrheit regiert hat. Die CSU hat aber immer den Anspruch, die absolute Mehrheit der Bevölkerung zu repräsentieren. Das gehört zur DNA der CSU. Bei der Landtagswahl muss und wird eine absolute Mehrheit der Mandate wieder das Ziel sein. Deshalb ist es wichtig, dass die CSU kämpferisch und mit klarer Kante in die anstehenden Gespräche zur Regierungsbildung auf Bundesebene geht, den Bayernplan in größtmöglichem Umfang durchsetzt und damit die offene Flanke rechts der Mitte wieder schließt.

Das wird nicht leicht werden. Schon die Gespräche mit der CDU zur Findung einheitlicher politischer Positionen werden eine große Herausforderung sein, von den möglicherweise sich anschließenden Gesprächen mit der FDP und den Grünen ganz zu schweigen. Mit den Grünen bestehen fundamentale Unterschiede in der Inneren Sicherheit und der Flüchtlingspolitik, z.B. bei der Durchsetzung von Abschiebungen, dem Schutz der Grenzen oder dem Ausweis sicherer Herkunftsländer. Aber auch wirtschaftspolitisch sind große Hürden zu überwinden. Das von den Grünen geforderte Ende des Verbrennungsmotors würde ein Herzstück unserer deutschen Industrie irreparabel beschädigen und kann nicht die Antwort auf die Zukunft des Industriestandorts Deutschland sein.

Diese kulturelle Frage wird schnell zu einer sozialen Frage, wenn die sogenannten ‚kleinen Leute‘ den Eindruck bekommen, für Flüchtlinge würde mehr getan als für die einheimische Bevölkerung.

Edmund Stoiber

Eine große Verantwortung hat die CSU dadurch, dass anders als jetzt gegen sie keine Bundesregierung gebildet werden kann. Positiv ist, dass Angela Merkel angekündigt hat, von der Union abgewanderte AfD-Wähler wieder zurückgewinnen zu wollen. Aber ich weiß nicht, wie sie das machen will. Die CSU wird die CDU beim Wort nehmen.

Die STOIBER-Kolumne

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