Kein Ende der Kontrollen!
Deutschland, Österreich und weitere EU-Länder dürfen ihre Grenzen noch bis November kontrollieren. Bayern dagegen fordert unbefristete Kontrollen. Innenminister Joachim Herrmann begründet das mit dem unzureichenden Schutz der EU-Außengrenzen.
Sicherheit

Kein Ende der Kontrollen!

Deutschland, Österreich und weitere EU-Länder dürfen ihre Grenzen noch bis November kontrollieren. Bayern dagegen fordert unbefristete Kontrollen. Innenminister Joachim Herrmann begründet das mit dem unzureichenden Schutz der EU-Außengrenzen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert eine zunächst unbefristete Verlängerung der Grenzkontrollen zu Österreich. „Die Entscheidung der EU, die Grenzkontrollen zu verlängern, ist zwar gut. Die Befristung bis Mitte November 2017 sehe ich aber aus Sicherheitsaspekten nach derzeitigem Stand sehr kritisch“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in München.

Die Befristung bis Mitte November 2017 sehe ich aus Sicherheitsaspekten sehr kritisch.

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Zuvor hatten in Brüssel Vertreter der EU-Staaten beschlossen, dass Deutschland seine in der Flüchtlingskrise eingeführten Kontrollen an der österreichischen Grenze befristet bis zum 11. November verlängern darf. Auch Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen dürfen demnach sechs weitere Monate lang kontrollieren.

Grenzkontrollen sind im eigentlich reisefreien Schengen-Raum, dem die meisten EU-Länder angehören, nur in Ausnahmefällen erlaubt. Deutschland überwacht seine Grenze zu Österreich inzwischen aber schon seit September 2015. Voraussetzung ist die Feststellung auf EU-Ebene, dass es eine „ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit“ gibt – dies gelte noch, so der Rat.

Tausende Straftäter gefasst

Nach Ansicht von Herrmann können die Grenzkontrollen nicht aufgegeben werden, „bevor nicht ein wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen sichergestellt ist“. Hier sieht er weiter Defizite, insbesondere bei Italien und Griechenland. „Es ist die Aufgabe der EU-Kommission, diesen Schutz durch Einwirken auf die betroffenen Länder herzustellen“, betonte Herrmann. Wie wichtig die Kontrollen nach wie vor seien, zeige die Tatsache, dass auch derzeit noch zahlreiche Migranten direkt an der Grenze zurückgewiesen würden. Außerdem gingen den Beamten von Bundes- und Landespolizei an der bayerisch-österreichischen Grenze fast täglich Schleuser ins Netz, sagte Herrmann. Alleine im vergangenen Jahr seien 4800 gesuchte Personen, darunter auch mit Haftbefehl gesuchte Straftäter, bei den Kontrollen aufgegriffen worden.

Auch Österreich will die Kontrollen an der Grenze zu Ungarn verlängern – nach Möglichkeit auf unbestimmte Zeit. Innenminister Wolfang Sobotka sagte im Januar, dass es für die innere Sicherheit entscheidend sei, „zu wissen, wer zu uns kommt“. Ungarn wiederum weigert sich seit Monaten, die Grenze für die Flüchtlinge, die in Serbien ausharren, zu öffnen. Schweden indes hat die systematischen Personenkontrollen an der Grenze zu Dänemark bereits wieder abgeschafft.

EU: Kooperation statt Kontrollen

Die aktuelle Verlängerung der Kontrollen ist nach den Regeln des Schengener Grenzkodex die letzte mögliche. Nach dem Willen der EU-Staaten sollen die Kontrollen nun allmählich auslaufen. EU-Innenkommissar Dimitri Avramapoulos sagte, es sei an der Zeit, „zu einem voll funktionierenden Schengensystem zurückzukehren“. Im Gegenzug sollen die Polizeibehörden stärker eingebunden werden und kooperieren. Der Flüchtlingsandrang in Europa ist zwar inzwischen abgeebbt. Die EU-Kommission hatte die erneute Verlängerung in ihrem Vorschlag aber damit begründet, dass weitere Anstrengungen zum Schutz der EU-Außengrenzen nötig seien. Außerdem hielten sich in Griechenland etwa 60.000 Migranten auf, die möglicherweise nach Westeuropa weiterziehen wollten.

Immer mehr illegal einreisende Flüchtlinge

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) begrüßte den Beschluss. Ziel sei ein Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen. Verstärkte Polizeiarbeit reiche nicht: „Die Schleierfahndung ist kein Ersatz für Grenzkontrollen“, sagte er.

Für die Frage der inneren Sicherheit ist es essenziell, zu wissen, wer zu uns kommt.

Wolfgang Sobotka, ÖVP, Österreichs Innenminister

Das zeigt auch die steigende Zahl illegal einreisender Flüchtlinge über die Schweizer Grenze. Von Januar bis März reisten nach Angaben der Bundespolizei bislang 1880 Menschen im deutsch-schweizerischen Grenzabschnitt unerlaubt ein. 2016 griff die Bundespolizei insgesamt 7140 Flüchtlinge auf – fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Angesichts der steigenden Zahlen hatten sich zuletzt Forderungen gemehrt, Grenzkontrollen an der deutsch-schweizerischen Grenze einzuführen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) regte zudem eine Personal-Verdoppelung bei Grenzkontrollen an. Aus Sicht des baden-württembergischen Innenministeriums sind Personenkontrollen dagegen noch nicht notwendig. „Wir haben die Grenze zur Schweiz gut unter Kontrolle“, sagte ein Sprecher.

Keine Ersatzroute für das Mittelmeer

Aus Sicht der Bundespolizei ist die Strecke aber keine Alternative für die praktisch geschlossene Balkanroute. An der Grenze zur Schweiz seien bislang überwiegend Migranten aus afrikanischen Staaten aufgegriffen worden, teilte das Präsidium in Potsdam mit. Die meisten von ihnen kämen aus Guinea, Eritrea, der Elfenbeinküste, Somalia und Gambia. Die Balkanroute wurde und werde dagegen überwiegend von Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus Vorderasien genutzt, hieß es bei der Behörde weiter. Dass diese Flüchtlinge nun alternativ die Routen über das zentrale Mittelmeer nutzten, könne nicht bestätigt werden.

(dpa/BK)