Maskierte Beamte transportieren in Berlin Unterlagen aus dem verbotenen Salafisten-Moscheeverein „Fussilet 33“ ab. (Foto: Imago/Christian Mang)
Berlin

Wurde Islamisten-Razzia ausgeplaudert?

Die verbotene Salafisten-Moschee „Fussilet 33“ ist laut Medienberichten von „höchster Stelle“ vor einer Durchsuchung gewarnt worden. SPD-Innenstaatssekretär Akmann soll zwei Wochen vor Verbot und Durchsuchung des Moscheevereins im Innenausschuss "geplaudert" haben. Als Folge soll die Razzia wenig ergiebig gewesen sein. Das Innenministerium dementiert.

Das Ereignis machte am Faschingsdienstag dicke Schlagzeilen: Der umstrittene islamitisch-salafistische Moscheeverein „Fussilet 33“ wurde verboten, die Polizei durchsuchte zahlreiche Räume und Immobilien der Salafisten in Berlin, Brandenburg und Hamburg. Hintergrund: Der Berlin-Attentäter Anis Amri verkehrte häufig in dem Moscheeverein, den die Berliner Zeitung einen „der bedeutendsten Islamisten-Treffpunkte in Berlin“ nennt. Im Einzelnen durchsuchten 460 Polizisten 24 Objekte in der Hauptstadt – darunter Wohnungen, zwei Firmensitze, aber auch sechs Hafträume in den Berliner Gefängnissen Moabit und Tegel.

Laut Innenverwaltung ging es dabei um die Mitglieder des umstrittenen Moschee-Vereins, um das Vereinsvermögen, Computer und Akten. Auch in Hamburg und im brandenburgischen Rüdersdorf gab es Aktionen. Bei einer Hamburger Bank seien Informationen über Kontobewegungen beantragt worden. Medien und Politiker waren voll des Lobes. Auch der Innenpolitiker der oppositionellen Berliner CDU, Burkard Dregger, bezeichnete das Verbot als konsequent, „denn die Fussilet-Moschee ist ein Hotspot des Islamismus und der Radikalisierung“.

SPD-Staatssekretär kündigte Verbot frühzeitig im Innenausschuss an

Doch nun trübte eine angebliche politische Panne die Erfolgsmeldung: Laut einem Bericht der Berliner Zeitung waren die Salafisten von „höchster Stelle“ gewarnt. Genauer gesagt habe SPD-Innenstaatssekretär Torsten Akmann im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses das Vereinsverbot bereits im Januar angekündigt, was natürlich nicht geheim blieb. „Ich bin guter Hoffnung, dass die Verbotsverfügung evtl. Ende des Monats – mir jedenfalls – vorliegt“, sagte Akmann am 23. Januar in dem Parlamentsgremium laut Wortprotokoll. Kommentar der Berliner Zeitung dazu: „Man konnte die Warnung förmlich herauslesen: Liebe Islamisten, macht schon mal Eure Festplatten sauber und bringt Euer Geld in Sicherheit, denn bald kommt die Polizei.“

Über Verbote spricht man nicht, Verbote macht man.

Ein „wütender“ Ermittler, laut Berliner Zeitung

Als Folge sei die Razzia „kein großer Erfolg“ gewesen sein, berichtet die Berliner Zeitung weiter unter Berufung auf Ermittler-Kreise. Wörtlich heißt es in dem Bericht: „Ermittler glauben jedoch nicht an den großen Fund. Denn die Radikalen waren ja deutlich gewarnt durch die Ankündigung des Staatssekretärs, die von vielen zuständigen Beamten und Juristen mit Befremden zur Kenntnis genommen wurde.“ Wörtlich zitiert die Berliner Zeitung einen namentlich nicht genannten, aber „wütenden“ Ermittler: „Über Verbote spricht man nicht, Verbote macht man.“

Verbotsverfügung lag zwei Wochen in der Schublade

In der Tat hatte auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) kurz nach der Razzia mitgeteilt, dass die Verbotsverfügung bereits am 15. Februar ausgestellt worden war, aber erst am Faschingsdienstag, dem 28. Februar, dem Vereinsvorsitzenden zugestellt wurde. Der Vereinsvorsitzende Ismet D. (Spitzname: „Emir vom Wedding“) erhielt die Verfügung in seiner Gefängniszelle ausgehändigt, denn er sitzt wegen des Vorwurfs der Unterstützung syrischer Terroristen ein.

Wir haben auch andere Extremisten im Auge.

Andreas Geisel, SPD, Innensenator

Innensenator Geisel sprach von einem klaren Zeichen, „dass Menschen, die Gewalt ausüben oder predigen, keinen Platz in unserer Stadt haben“. Der Verein habe die Terrormiliz Islamischer Staat unterstützt und Spenden für terroristische Gruppierungen gesammelt. Das Verbot sei ein wichtiger Schritt gegen religiös motivierten Terrorismus, so Geisel. „Berlin ist kein Ort für geistige Brandstifter“, betonte der Senator. Das sollten auch andere Gruppierungen im Hinterkopf haben. „Wir reden heute über Fussilet, aber wir haben auch andere Extremisten im Auge“, warnte Geisel.

Vorgehen war zumindest taktisch ungeschickt

Doch wie es scheint, wurde dieses „klare Zeichen“ gegen islamistischen Terrorismus durch ungeschicktes Vorgehen der SPD-geführten Innenbehörde selbst untergraben. Dass etwas an dem Vorwurf gegen Akmann dran ist, legte auch eine Äußerung des Berliner SPD-Politikers Tom Schreiber nahe: „Die ausgedehnten öffentlichen Debatten über Vereinsverbote müssen aufhören.“

Indirekt bestätigt hat das auch die Innenbehörde selbst. In der BZ ließ sich Akmann auf die Frage, warum er denn im Innenausschuss das Verbot angekündigt hatte, folgendermaßen zitieren: „Wir haben das sehr sorgfältig abgewogen und sind dem Informationsanspruch der Abgeordneten entgegengekommen.“ Sein Chef, Senator Geisel, ergänzt: „Das heißt nicht, dass wir nicht wussten, was die taten.“ Womit er möglicherweise die „Aufräumarbeiten“ der Islamisten meinte.

Innenbehörde hält Vorwurf für „blanken Unsinn“

Auf Anfrage des BAYERNKURIERS räumt ein Sprecher der Innenbehörde ein, dass Innenstaatssekretär Akmann vor dem Innenausschuss des Abgeordnetenhauses die zitierte Aussage gemacht habe. Dennoch bezeichnet der Sprecher die Interpretation der Berliner Zeitung, der Staatssekretär habe die Islamisten damit gewarnt, als „blanken Unsinn“. Denn speziell dieser Moscheeverein sei schon lange im Visier der Behörden gestanden: „Ein Vereinsverbot stand vor allem nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz im (öffentlichen) Raum und wurde wiederholt von Politikern und Medien gefordert.“

Weiter erklärt der Behördensprecher gegenüber dem BAYERNKURIER: „Der Staatssekretär hat keine Aussagen über den Umfang und/oder Zeitpunkt eines möglichen Verbotes gemacht. Er hat gegenüber den Abgeordneten – ihrem verfassungsrechtlich verbrieften Informationsanspruch Folge leistend – lediglich betont, dass die Berliner Innenverwaltung daran arbeite. Alle Äußerungen zum Vereinsverbot sind im parlamentarischen Raum gefallen.“ Wie groß der Erfolg der Durchsuchung ist, lasse sich noch nicht sagen, weil „die Auswertung der sichergestellten Beweismittel noch nicht abgeschlossen“ sei. „Ein Vereinsverbot zielt immer auf die Strukturen eines Vereins. Diese wollten wir mit dem Verbot zerschlagen und den Verein handlungsunfähig machen“, so der Behördensprecher weiter.

Dennoch bleibt der Eindruck, dass die öffentliche Äußerung im Vorfeld des Verbots zumindest taktisch ungeschickt war. Besser wäre gewiss gewesen, erst Verbot und Durchsuchungen durchzuführen und erst hinterher öffentlich zu reden. In vergleichbaren Fällen wird regelmäßig so verfahren. Zudem bleibt die Frage, warum das Vereinsverbot volle zwei Wochen, vom 15. bis zum 28. Februar, in der Schublade lag, ehe es umgesetzt wurde – was Innensenator Geisel ja selbst erklärte.

(Aktualisiert am 3.3.2017)