Gestapelte Container mit Aufschrift TTIP. (Bild-Collage: Imago/Christian Ohde)
Kabinett

„Bavarian Beer“, das nicht aus Bayern stammt

Die bayerische Staatsregierung will an den Freihandelsabkommen TTIP und CETA festhalten, welche die EU mit den USA und Kanada verhandelt. Der Abschluss sei aus strategischen Gründen von großer Bedeutung für den Freistaat, erklärt Europaministerin Beate Merk nach der ersten Kabinettsitzung nach der Sommerpause.

In seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause hat das bayerische Kabinett die Bedeutung der beiden Freihandelsabkommen TTIP und CETA für den Freistaat Bayern betont – explizit entgegen der Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der TTIP für „de facto gescheitert“ erklärt hatte. Bei diesem Abkommen, das derzeit Vertreter der EU und aus den USA verhandeln, sieht die bayerische Staatsregierung keinen sachlichen Grund, die laufenden Verhandlungen voreilig einzustellen. CETA wiederum, das zwischen EU und Kanada bereits fertig verhandelt ist, hält der Ministerrat für ein ausgewogenes Regelwerk, das nicht zu Absenkungen von EU-Standards führe, wie manche Kritiker bemängeln.

CETA ist aus bayerischer Sicht ein gutes, ambitioniertes und gleichzeitig ausgewogenes Abkommen und zudem zukunftsweisend für all die anderen Abkommen, die Europa aktuell verhandelt.

Beate Merk, bayerische Europaministerin

CETA setzt nach Beate Merks Überzeugung neue Maßstäbe, beispielsweise im Investitionsschutz. Die in der Öffentlichkeit umstrittenen Investor-Staats-Schiedsgerichte seien bei den Verhandlungen durch einen Investitionsgerichtshof ersetzt worden. Die neuen Regelungen können laut Merk auch dazu dienen, das in die Jahre gekommene internationale Investitionsschutzrecht zu reformieren.

Für Vizekanzler Gabriel ist das umstrittene Mega-Freihandelsprojekt TTIP hingegen am Ende. So deutlich hatte er sich bislang noch nicht zu dem umstrittenen Thema geäußert. An CETA hingegen möchte Gabriel festhalten. Mit seiner Einschätzung liegt er freilich im Dissens mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die weiterhin Chancen auf einen Erfolg von TTIP sieht. Sie will weiter verhandeln. Allerdings sei man sich einig, dass die Positionen der Verhandlungspartner „in wichtigen Fragen durchaus voneinander abweichen“, präzisiert Regierungssprecher Steffen Seibert.

Besserer Marktzugang durch CETA

Die Kritik von Bundesminister Gabriel sei „vollkommen unqualifiziert“, hält ihm seine bayerische Kollegin Ilse Aigner entgegen. Die Wirtschaftsministerin betont die Bedeutung einer neuen transatlantischen Partnerschaft gerade für Bayern, weil sie Arbeitsplätze sichere und neue schaffe. Wegen des bürokratischen Aufwands müssen im Geschäft mit Nordamerika Produkte oft bis zu zwanzig Prozent teurer angeboten werden.

CETA wird unserem exportstarken Mittelstand einen besseren Zugang zum kanadischen Markt eröffnen. Gerade die vielen kleinen und mittelständischen bayerischen Unternehmen haben ihren Nutzen davon, wenn Kosten wegfallen, die derzeit durch mehrfache Konformitätsprüfungen oder unterschiedliche Vorgaben entstehen.

Ilse Aigner, bayerische Wirtschaftsministerin

Aigner und Merk zufolge eröffnet das Abkommen neue Marktchancen für die gesamte europäische Exportwirtschaft. Gleichzeitig bleiben die in der EU geltenden Schutzstandards erhalten. Im Verlauf des Sommers hatte der Premierminister der kanadischen Provinz Québec den Freistaat besucht und dabei kräftig die Werbetrommel für die CETA-Verhandlungen gerührt. Offene Märkte seien für alle Beteiligten „lebensnotwendig“. (Mehr dazu lesen Sie hier: Alte Freundschaft in neuen Händen).

Auch der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt, befürwortet eine schnelle Ratifizie­rung von CETA. Er wies darauf hin, dass es sich bei CETA um ein ‚living agreement‘ handelt, also um ein „lebendes Vertragswerk“, das auch während der Anwendung noch Verbesserungen erlaube. Solche Veränderungen fordern Kritiker beispielsweise bei den geografischen Herkunftsangaben von Lebensmitteln. Denn die aktuelle Regelung sieht vor, dass unter anderem der Begriff „Bayerisches Bier“ auf Deutsch zwar geschützt bleibt. Wer das auf der Flasche liest, kann sicher sein: das haben Brauer in Bayern produziert. Für die Übersetzung ins Englische oder Französische gilt das aber vorerst nicht. Auch wenn auf dem Etikett „Bavarian Beer“ steht, muss das Getränk nicht aus Bayern kommen. Diese Übersetzungssonderregelung betrifft insgesamt acht Produkte, darunter auch Parmesan und Schwarzwälder Schinken.

Die Härte der Verhandlungen

Bei den TTIP-Verhandlungen bestehen solche Differenzen noch immer. Laut Wirtschaftsministerin Aigner zeigen die unterschiedlichen Positionen von EU und USA die Härte der Verhandlungen auf. Im Vergleich: Das CETA-Abkommen wurde über einen Zeitraum von fünf Jahren verhandelt, statt der ursprünglich angedachten zwei Jahre. Die bayerische Staatsregierung will die TTIP-Verhandlungen auch künftig aktiv in Berlin, Brüssel und Washington begleiten. Auf der Basis des finalen Vertragstextes werde Bayern dann ein abschließendes Urteil bilden, beschloss das Kabinett.