Montreal bietet bayerischen Unternehmen Investitionschancen. (Bild: Imago/All Canada Photos)
Bayern-Québec

Alte Freundschaft in neuen Händen

Was bringen enge Beziehungen zwischen Bayern und Kanada? Laut dem Premierminister der Provinz Québec seien offene Märkte "lebensnotwendig". Deshalb rührt er bei seinem Besuch im Freistaat ordentlich die Werbetrommel für das Freihandelsabkommen Ceta. Bayerns Brauer sehen das anders.

Deftiges Rauchfleisch, kräftiges Schwarzbrot, spritziges Weißbier. Wer durch Québec reist findet viele Dinge, die an Europa, speziell an Bayern erinnern. Nicht nur die Küche verbindet beide Nationen, auch die aufgeschlossene Lebensart der Québecois – wie sich die Einwohner der Provinz Québec im Osten von Kanada nennen – passt gut zur bayerischen Gemütlichkeit. Die oft angepriesene Weltoffenheit nutzt auch Philippe Couillard, Premierminister von Québec, um während seines dreitägigen Bayernbesuchs Werbung für die gemeinsamen Werte beider Nationen zu machen. Denn es steht viel auf dem Spiel: Ceta, das Freihandelsabkommen mit Kanada.

Wir sind von unseren Werten viel näher an Europa, als an den USA.

Philippe Couillard, Premierminister von Québec

Wenig Handel zwischen Deutschen und Kanadiern

Bisher bleibt das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Kanada hinter den Möglichkeiten beider Volkswirtschaften zurück. Als Empfängerland deutscher Exporte nahm Kanada 2014 gerade einmal Platz 28 der deutschen Außenhandelsstatistik ein, als Lieferland für Deutschland Platz 38. Auch ein Blick auf Bayerns Außenhandel ist ernüchternd. Für 1,7 Milliarden Euro verkaufte Bayern im vergangen Jahr Produkte nach Kanada. Zum Vergleich: nach Europa betrug die Ausfuhr rund 110 Milliarden Euro.

Enge Kooperationen seit 1989

Dabei pflegt der Freistaat seine Beziehungen zum separatistisch geprägten Provinzstaat Québec bereits seit 1989 im Rahmen der Partnerschaft Bayern-Québec. Zahlreiche Initiativen und eine Vertretung in der Metropole Montréal tragen bald seit drei Jahrzehnten zu kontinuierlichem Austausch und Kooperationen bei. Doch die wirtschaftlichen Beziehungen gerieten vor etwa fünf Jahren ins Stocken. Damals hätten viele Unternehmer nach Asien geblickt und versucht dort Märkte zu erschließen. Projekte im Bereich Elektrifizierung, IT und Biotechnologie zwischen Bayern und Québec hätten sich daraufhin zerschlagen, sagt Bertram Brossardt, vbw Geschäftsführer.

Die Zeit ist reif, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bayern und Québec neu zu beginnen.

Bertram Brossardt, vbw Geschäftsführer

Bayern soll von „Plan Nord“ profitieren

Das soll sich jetzt ändern. Bisher haben die kanadischen Rohstoffvorkommen für die Rohstoff- und Energieversorgung Deutschlands nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Unter anderem durch die kanadische Initiative „Plan Nord“ werden sie für den deutschen Markt aber zunehmend interessanter.

Konkret steckt dahinter der Plan, 1,2 Quadratkilometer Land im Norden für den Bergbau zu erschließen. Das soll vor allem für bayerische Unternehmen Investitionschancen bieten. Denn neben Rohstoffabbau geht es in erster Linie darum Transportinfrastruktur aufzubauen. Zudem hat die Regierung spezielle Fonds eingeführt, von denen auch ausländische Firmen profitieren sollen. So ist Deutschland für Kanada der fünftwichtigste Exporteur und achtwichtigste Importeur von Waren. Deutschland exportiert nach Kanada hauptsächlich Kraftwagen(teile) und Maschinen. Importiert werden aus Kanada vor allem Rohstoffe. Beide Länder liefern sich außerdem Datenverarbeitungsgeräte sowie elektrische, optische und chemische Produkte.

Bauchweh bei Verbraucherschutz

Um den internationalen Handel anzukurbeln, soll jetzt das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada möglichst schnell verabschiedet werden. Eine Öffnung der Märkte könnte das Handelsvolumen um rund 20 Prozent erhöhen. Doch es gibt nicht nur Befürworter, auch viele Kritiker gehen auf die Barrikaden, darunter Bayerns Brauer. Denn die aktuelle Regelung sieht vor, dass der Begriff „Bayerisches Bier“ auf Deutsch zwar geschützt wird. Wer das auf der Flasche liest, kann sicher sein: das haben Brauer in Bayern produziert. Für die Übersetzung ins Englische oder Französische gilt das aber nicht. Auch wenn auf dem Etikett „Bavarian Beer“ steht, muss das Getränk nicht aus Bayern kommen. Diese Übersetzungssonderregelung betrifft insgesamt acht Produkte, darunter auch Parmesan und Schwarzwälder Schinken.

Es gibt zwar viele Nachahmer in Kanada, aber mit der Zeit werden Verbraucher immer besser erkennen können, wo wirklich bayerisches Bier drinnen ist.

Pierre Marc Johnson, Chefunterhändler der Regierung von Québec für CETA

Wer viel trinkt, schult seinen Sinne

In Québec wischt man Zweifel an der Regelung beiseite. Nach dem Motto: Wer häufig Bier trinkt oder Schinken isst, kann sich wohl mit der Zeit auf seinen Geschmackssinn verlassen. Das prophezeit zumindest Pierre Marc Johnson, Chefunterhändler der Regierung von Québec für Ceta. Es sei die Pflicht des Verbrauchers, sorgfältig auszuwählen und zu erkennen, was worin enthalten sei. Das wird hierzulande anders gesehen. Jede fünfte in Deutschland gebraute Maß wird inzwischen im Ausland getrunken. Für die bayerische Brauwirtschaft sei es angesichts wachsender Exportanteile „von existenzieller Bedeutung“, dass das EU-Schutzsystem auch über die EU-Außengrenzen hinaus ausgedehnt werde, sagt Hauptgeschäftsführer Lothar Ebbertz gegenüber der Zeit.

Ceta: Blaupause für TTIP

Zudem haben die Diskussionen um das umstrittene Handelsabkommen TTIP die Verunsicherung über mögliche negative Auswirkungen auf Standards des Verbraucherschutzes extrem gefördert. Ceta gilt als Blaupause für das Abkommen. Was zudem auf Misstrauen stößt: Die EU-Kommission plant, das Abkommen ohne die nationalen Parlamente zu verabschieden. In Bayern kritisierte Ministerpräsident Seehofer Junckers Veto als „unverantwortlich“. In Berlin wird dies wegen der kritischen Öffentlichkeit in Deutschland allerdings für unverzichtbar gehalten. Doch in Brüssel besteht die Sorge, dass Parlamente einzelner Staaten die Weiterentwicklung der europäischen Handelspolitik blockieren und Europa damit handlungsunfähig machen könnten. Die Zukunft des bereits ausgehandelten Abkommens ist damit offen. Die EU-Staaten könnten nun einstimmig festlegen, dass sie der Meinung der Kommission nicht folgen wollen. Mehr dazu lesen Sie hier: Nichts dazu gelernt.

Québec braucht Europa

Premier Couillard hält die Öffnung der Märkte zumindest für „lebensnotwendig“. Wie wichtig das Abkommen seiner Meinung nach für Bayern ist, betont er auch gegenüber Ministerpräsident Horst Seehofer anlässlich des Treffens der Partnerregionen Mitte Juli in München. Schließlich ist Kanada der viertgrößte Produzent von Wasserkraft und hat die fünftgrößte Luft- und Raumfahrtindustrie. Interesse seitens der bayerischen Regierung ist vorhanden. Erst im vergangen Herbst reiste Staatssekretär Franz Josef Pschierer mit einer Wirtschaftsdelegation für einige Tage nach Québec.

In Québec brauchen wir mehr Europa und vielleicht braucht Europa auch ein bisschen mehr Quebec.

Philippe Couillard, Premierminister von Québec

CETA

sieht laut EU-Kommission die Abschaffung von rund 99 Prozent aller Zölle der EU und Kanada vor. Dies würde dies allein für die EU-Ausfuhr bei Industrieerzeugnissen zu Einsparungen von jährlich etwa 470 Millionen Euro führen. CETA gilt als Blaupause für das Mega-Abkommen TTIP mit den USA. Laut EU-Kommissar Jean-Claude Juncker sei es das beste Handelsabkommen, das Europa jemals vereinbart habe.