Die Spitzenkandidat der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, Lorentz Caffier, muss mit seiner Partei eine Wahlniederlage verkraften. (Bild: Imago/Nordlicht)
Mecklenburg-Vorpommern

„Dieses Ergebnis muss ein Weckruf sein“

Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern bleibt die SPD trotz herber Verluste stärkste Kraft. Die CDU erlebt ein Desaster und landet auf Platz drei hinter der AfD. Während Ministerpräsident Sellering nun zwei Koalitionsmöglichkeiten hat, beginnt bei den Christdemokraten die Analyse der Niederlage. Aus der CSU kommen Rufe nach einem dringenden Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik.

Trotz schwerer Verluste bleibt die SPD die stärkste politische Kraft in Mecklenburg-Vorpommern. Bei den Landtagswahlen erreichte die Partei von Ministerpräsident Erwin Sellering 30,6 Prozent der Stimmen – und stürzte damit um fünf Prozentpunkte ab. Doch auch der bisherige SPD-Koalitionspartner CDU kassierte eine bittere Niederlage: Die Partei um Spitzenkandidat Lorentz Caffier kam auf 19 Prozent, vier Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl. Es ist das zweitschlechteste Ergebnis für die CDU in Mecklenburg-Vorpommern seit der Wiedervereinigung. Die rechtspopulistische AfD landete mit 20,8 Prozent vor den Christdemokraten. Die Linke kam auf 13,2 Prozent, die Grünen, die FDP und die NPD scheiterten allesamt an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag mit 61,6 Prozent deutlich über der von 2011 (51,5).

SPD hat zwei Koalitionsmöglichkeiten

Der alte und wohl auch neue Ministerpräsident Erwin Sellering hat nun die Wahl. Neben der bisher regierenden Rot-Schwarzen Koalition wäre auch ein Bündnis mit der Linken rechnerisch möglich – diese Koalition gab es in Mecklenburg-Vorpommern bereits von 1998 bis 2006. In seiner ersten Stellungnahme nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses sagte Sellering, er wolle die Koalitionsfrage vorerst offen lassen und Gespräche führen. Es spricht derzeit aber viel dafür, dass SPD und CDU ihre eigentlich erfolgreiche Arbeit gemeinsam fortsetzen werden.

Caffier: Flüchtlingspolitik hat alles überlagert

Unterdessen ist in der Union die Analyse der Wahlniederlage bereits in vollem Gange. Spitzenkandidat Caffier sieht dabei die generelle Stimmung rund um die CDU im Bund als wesentliches Kriterium dafür, dass sich so viele Menschen von seiner Partei abgewandt haben. „Die Verunsicherung in der Bevölkerung hat man in Berlin nicht immer genügend wahrgenommen“, sagte Caffier. Mit seiner Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin liegt Caffier auf einer Linie mit SPD-Ministerpräsident Sellering. Beide sagten in TV-Statements, die Debatte um die Flüchtlinge habe die landespolitischen Themen überlagert. Von der Kanzlerin forderten beide daher einen Kurswechsel.

Kritik an Merkels Kurs auch aus der CDU

Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sprach von einem Einschnitt für seine Partei. Viele Unionswähler hätten ihre politische Heimat verloren und sich deshalb der AfD zugewendet. Merkels Flüchtlingspolitik, die zur Einreise hunderttausender Menschen geführt habe, sei „ein großes Problem“.

Es ist ein historisches Datum, wenn die CDU in einem Flächenland nur noch drittstärkste Partei ist und hinter der AfD landet.

Wolfgang Bosbach, CDU

Aus der Bundeshauptstadt meldete sich CDU-Generalsekretär Peter Tauber zu Wort. Er sagte, das Ergebnis sei „bitter“ für seine Partei. Er vermutete den Hauptgrund für die Wahlschlappe im „weitverbreiteten Unmut über die Flüchtlingspolitik“. Es gebe an der Stelle einen klaren Protest. Zugleich versuchte er, den Kurs seiner Partei in der Flüchtlingspolitik zu verteidigen. „Auch wenn Maßnahmen manchmal länger brauchen, bis sie wirken, wir haben bereits viele Dinge neu justiert“, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Als Beispiele nannte er die Verschärfung des Asylrechts und das neu geschaffene Integrationsgesetz. Dennoch gebe es noch „offene Baustellen“, beispielsweise bei der Festlegung sicherer Herkunftsstaaten.

CSU untermauert Forderung nach Kurswechsel

Aus der bayerischen Schwesterpartei CSU kamen klare Worte in Richtung CDU. Generalsekretär Andreas Scheuer betonte zwar, alle im Schweriner Landtag vertretenen Parteien hätten Stimmen verloren. Dennoch sieht er bei den Christdemokraten dringenden Handlungsbedarf. Die CSU gebe dabei von Beginn an einen klaren Kurs vor. „Wir brauchen eine Obergrenze für Flüchtlinge, schnellere Rückführungen, eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer und eine bessere Integration“, machte Scheuer deutlich.

Alle Parteien müssen jetzt im Bundestag und Bundesrat auf eine Politik der Vernunft einschwenken.

Andreas Scheuer

„Wenn die guten Rahmendaten einer großen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern kaum mehr etwas zählen, sondern hauptsächlich über ein bundespolitisches Thema abgestimmt wird, dann muss jetzt dieses klare Signal endlich in Berlin ankommen.“ Man könne sich nicht einfach in sein Schicksal begeben und zusehen, „wie eine Protestpartei von den Defiziten der Berliner Republik profitiert“, kritisierte der CSU-Generalsekretär.

„Das Ergebnis für die CDU ist katastrophal“

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Stephan Mayer, sprach von einem katastrophalen Ergebnis. Hauptursache für die Niederlage der CDU sei die Unzufriedenheit vieler Wähler mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. „Zwar hat die Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik seit 2015 viel verändert, doch bei vielen Wählern ist das offenbar nicht angekommen“, sagte Mayer. Ähnliche Worte kamen von Bayerns Finanzminister Markus Söder. Das Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern müsse „ein Weckruf sein“, sagte Söder. Die Stimmung der Menschen lasse sich nicht mehr ignorieren.

Es braucht einen Kurswechsel in Berlin.

Markus Söder

Auch der CSU-Ehrenvorsitzende und langjährige Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber zeigte sich angesichts des Ergebnisses tief besorgt über die Entwicklungen in der CDU. Im Interview mit dem Münchner Merkur sagte Stoiber, das Ergebnis sei „nur der letzte Punkt einer längeren Entwicklung: In den vergangenen 15 Jahren sind die Ergebnisse der CDU kontinuierlich zurückgegangen.“ Er hoffe jetzt, dass in der CDU „endlich eine ernsthaftere Wahlanalyse für die gravierenden Wahlverluste vorgenommen wird als beispielsweise nach den Landtagswahlen insbesondere in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.“

Merkel lehnt Kurswechsel ab – Unzufrieden mit dem Wahlausgang

Vom G20-Gipfel in China aus hat sich auch die Bundeskanzlerin zur Landtagswahl geäußert. Angela Merkel sagte, sie wolle auch nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern an ihrer Flüchtlingspolitik festhalten, aber verstärkt um verlorenen gegangenes Vertrauen der Menschen kämpfen. „Ich bin sehr unzufrieden mit dem Ausgang der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern“, sagte Merkel im chinesischen Hangzhou. Das Flüchtlingsthema habe alle landespolitischen Themen überlagert. Es habe sich gezeigt, dass es offenbar kein ausreichendes Vertrauen in die Lösungskompetenz der Regierung gebe, sagte sie mit Blick auf das schlechte Abschneiden der CDU und die starken Zugewinne der rechtspopulistischen AfD.

Deshalb heißt die Aufgabe jetzt, intensiv daran zu arbeiten, Vertrauen zurückzugewinnen.

Angela Merkel

Forderungen nach einem Kurswechsel wies sie zurück. „Ich halte die grundlegenden Entscheidungen in den vergangenen Monaten für richtig“, sagte Merkel mit Blick auf die Flüchtlingspolitik. Allerdings gebe es noch Etliches zu tun.

Berlin-Wahl in zwei Wochen

Viel Zeit zur Analyse bleibt den Parteien nicht. Schon in zwei Wochen wird in Berlin ein neues Landesparlament gewählt. Bis zur Bundestagswahl im September kommenden Jahres gibt es mit den Wahlen im Saarland (26. März), in Schleswig-Holstein (7. Mai) und in Nordrhein-Westfalen (14. Mai) noch drei weitere bedeutende politische Stimmungstests.