Bundesinnenminister Thomas de Maizière. (Bild: Imago/Metodi Popow)
Sicherheitspaket

Das Mögliche tun. Besonnen und entschlossen.

Mehr Strenge gegen straffällige Flüchtlinge, bessere Integration, zusätzliche Polizisten. So lautet das Rezept des Bundesinnenministers. Ein Burkaverbot, die Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht oder die Abschaffung des Doppelpasses plant er nicht. CSU-Generalsekretär Scheuer hat nach den Pro-Erdogan-Demonstrationen in Köln die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft gefordert.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière will mit einem umfangreichen Sicherheitspaket die Gefahr weiterer Terroranschläge in Deutschland eindämmen. Geplant sind unter anderem Verschärfungen für straffällige Ausländer und sogenannte Gefährder. Sie sollen schneller inhaftiert und abgeschoben werden können. Die Vorschläge seien für den Koalitionspartner SPD zumutbar und sollten bis zur Bundestagswahl umgesetzt werden, versicherte de Maizière.

Niemand kann die absolute Sicherheit garantieren. Aber das uns Mögliche müssen wir tun.

Thomas de Maizière, Bundesinnenminister

De Maizière reagiert mit dem Konzept auf die Anschläge von Würzburg und Ansbach im Juli, die von Flüchtlingen verübt worden waren. Wenn schwere Straftäter und Gefährder schneller das Land verlassen müssten, erhöhe das die Sicherheit und stärke die Zustimmung der Bevölkerung für die Flüchtlingspolitik. De Maizière kündigte auch eine weitere personelle Verstärkung der Sicherheitskräfte an, und zwar „in mittlerer vierstelliger Größenordnung über mehrere Jahre“.

Die Duldung ausreisepflichtiger Ausländer soll verkürzt werden, wenn sie etwa falsche Angaben zur Identität machten. Wer an Terrorkämpfen im Ausland teilnimmt, soll die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren können. Die Sympathiewerbung für Terrorismus müsse wieder unter Strafe gestellt werden, forderte der Minister. Die Videoüberwachung soll verbessert, das Waffenrecht so novelliert werden, dass vor allem der Kauf von Waffen im Internet erschwert werde. Der Staat muss nach Worten de Maizières besonnen und entschlossen zugleich auf Terrorgefahren reagieren. Denn viele Menschen hätten verständlicherweise Sorgen vor weiteren Anschlägen.

Sicher ist: Unser Land wird die Gewalt der Täter nicht mit Hass und Spaltung beantworten. Diesen Triumph werden wir den Terroristen nicht gönnen.

Thomas de Maizière, Bundesinnenminister

Ärztliche Schweigepflicht bleibt

Die zuletzt viel diskutierte Schweigepflicht für Ärzte soll dagegen gewahrt bleiben. Allerdings werde er im Dialog mit der Ärzteschaft nach Lösungen suchen, wie die Gefährdung der Bürger verringert werden könne, sagte der Minister mit Blick etwa auf psychische Auffälligkeiten.

Die Ärzteschaft hat diese Klarstellung des Bundesinnenministers begrüßt. Schon heute müsse der Arzt, „wenn ihm konkrete Hinweise über eine Gefährdung für Leib und Leben anderer zur Kenntnis kommen, die Behörden informieren“, erklärte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Die Ärzteschaft nehme gerne de Maizières Angebot an, in einem gemeinsamen Gespräch auch mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Prinzipien ärztlicher Schweigepflicht zu erläutern, so Montgomery weiter. Dabei sollen auch „die durch die entsprechenden Paragrafen des Strafgesetzbuches mitunter entstehenden schwierigen Situationen“ erörtert werden.

Einsatz verdeckter Ermittler im Darknet

Um einer Radikalisierung von Flüchtlingen entgegenzuwirken, hält der Bundesinnenminister eine intensivere soziale Betreuung für notwendig. Lehrkräfte müssten besser auf den Umgang mit traumatisierten Menschen vorbereitet werden. Überprüft werden soll auch die Übermittlung von Daten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an die Sicherheitsbehörden. Ein generelles Verbot der Burka wiederum dürfte nach der Einschätzung de Maizières auf verfassungsrechtliche Probleme stoßen. „Man kann nicht alles verbieten, was man ablehnt“, sagte der Minister mit Blick auf die Vollverschleierung.

Zur Verfolgung von Kriminellen in speziellen Bereichen des Internets (Darknet) plant de Maizière den Einsatz verdeckter Ermittler. Die Spezialisten sollen etwa illegalen Waffenhandel oder Kommunikation zwischen Terroristen aufklären. Hierfür will de Maizière die Zusammenarbeit mit Behörden aus den Bundesländern verbessern. Das Darknet ist ein Teil des Internets, in dem sich Nutzer nahezu komplett anonym bewegen können, was auch Kriminelle ausnutzten.

Die wichtigsten Vorschläge des Bundesinnenministers im Überblick:

  • Mehr Personal für die Sicherheitsbehörden
  • Schnellverfahren bei Abschiebungen von straffälligen Ausländern und ausländischen Gefährdern
  • Einführung eines neuen Haftgrunds vor der Abschiebung für Personen, die „die öffentliche Sicherheit gefährden“
  • Mediziner sollen Sicherheitsbehörden öfter auf auffällige Patienten aufmerksam machen, die Straftaten begehen könnten – ohne eine Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht
  • „Duldung light“: Unterschiedliche Behandlung von Geduldeten – Schlechterstellung jener, die falsche Angaben über ihre Identität gemacht haben
  • Sicherheitscheck der Social-Media-Accounts bestimmter Flüchtlinge vor der Einreise
  • Mehr Videotechnik an Bahnhöfen und im öffentlichen Raum
  • Gemeinsame Anti-Terror-Übungen von Polizei und Bundeswehr
  • Neue Sicherheitsbehörde zum Knacken verschlüsselter Kommunikation
  • Strafbarkeit von Sympathiewerbung für Terrorgruppen
  • Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft bei Dschihadisten
  • Einsatz von verdeckten Cyber-Ermittlern
  • Strengeres Waffenrecht
  • Einrichtung eines europäischen Zentrums für Prävention und Deradikalisierung
  • Sozialpädagogische Schulung für Integrationskurs-Lehrer

Zustimmung und weitere Forderungen aus Bayern

Das Sicherheitspaket des Bundesinnenministers stößt in Bayern weitgehend auf Zustimmung. Laut Innenminister Joachim Herrmann gehen die Vorschläge „in die richtige Richtung“ und griffen vielfach Maßnahmen auf, die die bayerische Staatsregierung bereits Ende Juli bei ihrer Klausur in St. Quirin beschlossen habe. Dazu gehöre die bessere Überwachung und Kontrolle des sogenannten „Darknets“, die bessere Ausstattung und gezielte Verstärkung der Sicherheitsbehörden mit IT-Spezialisten.

„Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit für Doppelstaatler, die an Kampfhandlungen im Ausland teilnehmen, entspricht ebenso unseren Forderungen“, sagte Herrmann. Es könne nicht sein, dass in Deutschland solche Menschen geduldet werden müssten. Zudem müsse es möglich sein, Flüchtlinge ohne geklärte Identität an der deutschen Grenze zunächst festzuhalten und gegebenenfalls zurückzuweisen.

Hermann hat aber noch weitere Forderungen parat und sieht den Bund in der Pflicht: Die Bundesregierung müsse sich für schnellere Abschiebungen sogenannter Gefährder in ihre Heimatländer einsetzen. „Hier muss massiver Druck auf die Heimatstaaten ausgeübt werden, etwa durch eine massive Kürzung der Entwicklungshilfe“, sagte der CSU-Politiker. Es müsse verhindert werden, dass Abschiebungen scheiterten, weil die Heimatstaaten ihre Landsleute nicht zurücknehmen wollten.

Scheuer: Nein zum Doppelpass

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hat die im Vorfeld von Teilen der Union geforderte Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft gegen Kritik anderer Parteien unterdessen verteidigt. „Wir müssen zum bewährten alten Staatsbürgerschaftsrecht zurück“, sagte Scheuer. Es könne nicht sein, dass der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan aufwiegele und Türken mit deutschem Pass die roten Türkei-Fahnen in Deutschland schwenkten.

Man kann nicht Loyalität zu zwei Staaten haben. Wer das nicht kapiert, ist ein blauäugiger Multikulti. Ich erwarte hier Einsicht und Vernunft von der SPD.

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

Hintergrund dieser Forderung ist die Erdogan-Jubel-Demonstration von Köln und die Sorge, dass es angesichts der besorgniserregenden Entwicklungen in der Türkei zu verstärkten Konflikten innerhalb der türkischen Gemeinden und insbesondere zu Loyalitätskonflikten in Deutschland kommen könne. Wer einen deutschen Pass möchte, der solle sich auch klar zu diesem Land bekennen, lautet die Devise. Medienberichten zufolge steht in dem Entwurf der „Berliner Erklärung“ der Unions-Innenminister: „Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein großes Integrationshindernis. Wir lehnen diese gespaltene Loyalität ab. Wer sich für die Politik ausländischer Regierungen engagieren will, dem legen wir nahe, Deutschland zu verlassen.“

Integration heißt doch dazuzugehören, Teil des anderen zu werden. Wer mit dem zweiten Pass in der Tasche rumrennt, wird nie Teil des anderen.

Heinz Buschkowsky, SPD

Auch Neuköllns früherer Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) hat sich ebenfalls gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen. Im Inforadio des RBB begründete Buschkowsky die Position mit seinen Erfahrungen als Bezirksbürgermeister. Die doppelte Staatsbürgerschaft verhindere Integration: „Integration heißt doch dazuzugehören, Teil des anderen zu werden. Wer mit dem zweiten Pass in der Tasche rumrennt, wird nie Teil des anderen. Weil: Ich kann mich immer so positionieren, wie ich will. Der Doppelpass ist die Entscheidung: Ich gehöre hier nicht her.“ Im Sender N24 wurde er noch deutlicher: „Es geht (beim Doppelpass) natürlich im Wesentlichen um Kohle, es geht um Alterssicherung, die es in anderen Ländern überhaupt nicht gibt, es geht um die Rückfahrkarte ins Sozialsystem und es geht natürlich darum, wo kann ich für mich die dickeren Rosinen picken.“

Zuwanderung hat Rahmenbedingungen verändert

Hinzu kommt die Tatsache, dass sich die Rahmenbedingungen für die seit Dezember 2014 geltende „Doppelpass-Regelung“ durch die Zuwanderung von einer Million Menschen im vergangenen Jahr verändert haben. Mit dem Wegfall der sogenannten „Optionspflicht“ müssen sich die Kinder seither nicht mehr zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für einen Pass entscheiden. Vielmehr ist es so, dass die Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, unter bestimmten Bedingungen neben der ausländischen Staatsangehörigkeit der Eltern auch die deutsche Staatsangehörigkeit dauerhaft behalten können. Als im Inland aufgewachsen gilt auch, wer im Einzelfall einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und für den die Optionspflicht eine besondere Härte bedeuten würde. Flüchtlinge erfüllen diese Voraussetzungen aktuell noch nicht. Sofern sich ihr Aufenthaltsstatus manifestiert, kann sich die Lage für ihre Kinder in Zukunft aber gewiss anders darstellen.

Innenminister beraten nächste Woche

Genaueres wird in der kommenden Woche feststehen. Dann wollen die Innenminister von CDU und CSU in Berlin über die Konsequenzen aus den jüngsten Terroranschlägen beraten und weitere Maßnahmen beschließen. Dazu hatten sie den Entwurf einer „Berliner Erklärung“ vorgelegt, in dem unter anderem der Abschied vom sogenannten Doppelpass, ein Burka-Verbot, 15.000 zusätzliche Polizisten in Bund und Ländern sowie mehr Investitionen in Bewaffnung und technische Ausrüstung gefordert werden.