Am Achenpass kontrollieren Beamte der Bundespolizei die Grenze zu Österreich. (Foto: Bundespolizei)
CDU/CSU-Pläne

Deutschland sicherer machen

Laut Medienberichten fordern die Unions-Innenminister zusätzliche Polizisten, mehr Video-Überwachung, die Vorratsdatenspeicherung, ein Burkaverbot und schnellere Abschiebungen. Zudem soll die doppelte Staatsbürgerschaft abgeschafft und die Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland beschränkt werden. Final abgestimmt seien die Maßnahmenvorschläge aber noch nicht, betonte Innenminister Herrmann.

In einem Entwurf der „Berliner Erklärung“ der Innenminister von CDU und CSU, der dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und der Nachrichtenagentur Reuters nach deren Berichte vorliegt, werden unter anderem 15.000 zusätzliche Polizisten bis 2020 für Bund und Länder sowie Langwaffen und Körperkameras für Polizisten gefordert. Diese massive Aufstockung der Sicherheitskräfte ist offenbar die zentrale Forderung der Erklärung.

Angesichts des Attentats von Würzburg brauchen wir mehr Präsenz der Bundespolizei in Zügen, Bahnhöfen und Flughäfen.

Entwurf der Berliner Erklärung

Öffentliche Plätze und Verkehrsknotenpunkte sollen zudem stärker mit Videokameras überwacht werden. „Deutschland ist im internationalen Vergleich noch immer ein sicherer Staat. Wir stehen jedoch in vielen Bereichen vor großen Herausforderungen“, heißt es in dem Entwurf zur Begründung. Auch für die Nachrichtendienste und die Staatsanwaltschaften etwa im Bereich der Organisierten Kriminalität und Wohnungseinbrüche wird mehr Personal gefordert.

Gefordert würden darin außerdem der Aufbau eines Cyberabwehrzentrums und die Nutzung der Vorratsdatenspeicherung durch die Geheimdienste, die zudem die Möglichkeit erhalten sollen, bereits gegen 14-jährige Jugendliche zu ermitteln, um eine frühe Radikalisierung rechtzeitig erkennen und verhindern zu können.

Gegen religiösen Extremismus

Mehrere vorgeschlagene Maßnahmen zielen auf die Bereiche Terrorismus, religiöser Extremismus und Migranten. Die Minister wollen möglicherweise auch die Vollverschleierung (Burkas, Nikab) in der Öffentlichkeit wie in der Schweiz und Frankreich verbieten sowie die Finanzierung von Moscheen durch extremistische Organisationen und aus dem Ausland. In diesen Punkten herrscht allerdings wohl noch keine Einigkeit in der Runde der Innenminister.

Dem Entwurf zufolge wollen die CDU/CSU-Innenminister jedenfalls verstärkt gegen islamistische Gruppen vorgehen. „Wir fordern die Integrationsverweigerung zu ahnden – bis hin zur Ausweisung“, heißt es in dem Papier. Deutschen, die für eine terroristische Vereinigung kämpfen und mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, soll zudem die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden dürfen. Zudem müssten „nicht-deutsche Hassprediger“ umgehend ausgewiesen werden.

Diskussionspunkt „Doppelte Staatsbürgerschaft“

Bisher entziehen sich ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber oft durch Ausreden verschiedenster Art der Rückführung. Nun sollen die Abschiebungen deutlich erleichtert werden. Die Unions-Minister fordern auch einen neuen EU-Kommissar für „Irreguläre Migration, Schleuserkriminalität, Rückführung“ mit einem eigenen Budget sowie umfassenden Zuständigkeiten.

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein großes Integrationshindernis. Wir lehnen diese gespaltene Loyalität ab.

Entwurf der Berliner Erklärung

Möglicherweise soll auch ein Lieblingsprojekt der rot-grünen Bundesregierung von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) wieder im Papierkorb verschwinden: Der „Doppelpass“ könnte abgeschafft werden, bezüglich dieses Punktes gibt es offenbar auch unter den Unions-Innenministern noch Diskussionsbedarf. In den Entwurf heißt es jedenfalls: „Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein großes Integrationshindernis. Wir lehnen diese gespaltene Loyalität ab. Wer sich für die Politik ausländischer Regierungen engagieren will, dem legen wir nahe, Deutschland zu verlassen.“ Diese Wortwahl ist ein klarer Bezug auf die Erdogan-Jubel-Demonstration von Köln. Hintergrund für diese Forderung ist nach Angaben aus Unionskreisen die Sorge, dass es angesichts der Entwicklung in der Türkei zu verstärkten Konflikten innerhalb der türkischen Gemeinden und Loyalitätskonflikten in Deutschland kommen könne.

Die Bundesregierung plant jedenfalls keine Änderung der gesetzlichen Regeln für eine doppelte Staatsbürgerschaft, wie sie jetzt mitteilte. Dieser Wunsch dürfte ohnehin derzeit an den Machtverhältnissen im rot-grün dominierten Bundesrat scheitern.

Berliner Erklärung: noch keine endgültigen Pläne

Etliche Maßnahmen der geplanten „Berliner Erklärung“ seien allerdings auch unter den Unions-Innenministern noch umstritten. Dazu gehören etwa die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und ein Burkaverbot. Zudem erfordern zahlreiche gesetzliche Änderungen auch die Zustimmung des Bundesrates, in Länder eine Mehrheit haben, in denen SPD und Grüne regieren. Final abgestimmt seien die Maßnahmenvorschläge noch nicht, betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und äußerte sich gegenüber dem Bayernkurier zu der „Berliner Erklärung“ folgendermaßen:

„Wir werden auf der B-Innenministerkonferenz am 18. und 19. August in Berlin unsere Haltung zu verschiedenen sicherheitspolitischen Fragen und zur weiteren Verbesserung der Inneren Sicherheit in Deutschland klar darstellen. Wir wollen die Sicherheitsbehörden weiter deutlich stärken. Ich freue mich, dass sich hier bereits gemeinsame Positionen herauskristallisieren. Der Ansatz, von 2015 bis zum Jahr 2020 in Bund und Ländern insgesamt 15.000 zusätzliche Polizeistellen zu schaffen, ist sehr zu begrüßen. Ich fordere hier vor allem die Länder mit Nachholbedarf auf, rasch konkrete Entscheidungen zur Verstärkung ihrer Polizei zu treffen. Der Bund hat mit seinem Beschluss, 3000 zusätzliche Polizeistellen zu schaffen, ebenso wie Bayern, das in diesem Zeitraum bis 2020 zusätzliche 2700 Polizisten einstellt, diese Weichen schon gestellt. Der Freistaat wie auch der Bund stellen damit bereits einen weit überproportionalen Anteil an den 15.000 zusätzlichen Polizeistellen.“

Ich bin insgesamt sehr zuversichtlich, dass von dem Unionsinnenministern in der kommenden Woche ein starkes und deutliches Signal für die Innere Sicherheit in Deutschland ausgehen wird.

Joachim Herrmann

Herrmann begrüßt es außerdem sehr, „dass die Unions-Innenminister eine Übernahme der Entscheidung Bayerns, auch dem Verfassungsschutz unter bestimmten Voraussetzungen den Zugriff auf die Telekommunikationsverkehrsdaten zu ermöglichen“, erwägen. Dazu gehörten auch die einheitlichen Regelungen, dass die Verfassungsschutzämter bereits Jugendliche ab 14 Jahren beobachten können. „Wie die Terroranschläge von Hannover und Würzburg gezeigt haben, gibt es beim Terrorismus keine Altersgrenze“, so Herrmann. Man werde sich in Berlin aber auch mit der Internetkriminalität und einem gemeinsamen Vorgehen gegen Einbruchdiebstähle befassen. „Wie sich gezeigt hat, besorgte sich der Amoktäter aus München seine Waffe im so genannten Darknet. Wir brauchen daher mehr Spezialisten und zeitgemäße Befugnisse, insbesondere zur Überwachung und Kontrolle des Darknets, um die Kriminalität wie zum Beispiel illegalen Waffenhandel und Kinderpornographie wirksam zu bekämpfen“, erklärte der bayerische Innenminister.

De Maizière stellt erste Schritte vor

Bundesinnenminister de Maizière will am Donnerstag erste Maßnahmen aus dem Konzept vorstellen und auch den Neun-Punkte-Plan von Kanzlerin Angela Merkel konkretisieren. Unter anderem könnte die ärztliche Schweigepflicht aufgeweicht werden. Eine Gesetzesänderung solle es Medizinern künftig ermöglichen, die Behörden über geplante Straftaten ihrer Patienten rechtzeitig zu informieren. Auch soll nach Informationen der Bild-Zeitung die schnellere Abschiebung von ausländischen Gefährdern und straffällig gewordenen, ausreisepflichtigen Ausländern möglich werden. Dafür solle es künftig Schnellverfahren bei der Entscheidung über Abschiebungen und über Asylanträge geben.

Grundzüge der doppelten Staatsbürgerschaft

  • Bis zum Jahr 2000 galt: Deutscher war, wer einen deutschen Elternteil hatte oder von einem adoptiert wurde. Kinder, die einen deutschen und einen ausländischen Elternteil haben, erwerben in der Regel per Geburtsrecht beide Staatsangehörigkeiten – und können diese auch behalten. Für eine Einbürgerung musste man mindestens 15 Jahre in der Bundesrepublik gelebt haben.
  • Im Jahr 2000 wurde das Gesetz durch die rot-grüne Bundesregierung um das Geburtsortsprinzip ergänzt („Optionsmodell“): Wenn ein Elternteil seit mindestens acht Jahren in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt, erwirbt ein in Deutschland geborenes Kind die deutsche Staatsangehörigkeit. Es muss sich bei Doppelstaatlichkeit zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für einen Pass entscheiden. Ohne Entscheidung verlor man die deutsche Staatsangehörigkeit. Für eine Einbürgerung wurde die vorausgesetzte Aufenthaltsdauer in Deutschland von 15 auf acht Jahre abgesenkt.
  • Seit einer weiteren Reform im Jahr 2008 müssen Einbürgerungswillige ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen und einen Einbürgerungstest bestehen. Eine Mehrstaatlichkeit ist für Eingebürgerte nur zulässig, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. In allen anderen Fällen muss er vor der Einbürgerung die Entlassung aus seiner bisherigen Staatsbürgerschaft bestätigen lassen.
  • Seit Dezember 2014 gilt, dass auch Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, unter bestimmten Bedingungen neben der ausländischen Staatsangehörigkeit der Eltern auch die deutsche dauerhaft behalten können. Mit dem Wegfall der sogenannten Optionspflicht müssen sich die Kinder seither nicht mehr zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für einen Pass entscheiden, wenn sie sich bis dahin acht Jahre in der Bundesrepublik aufgehalten haben, sechs Jahre im Inland eine Schule besucht haben oder über einen im Inland erworbenen Schulabschluss oder eine im Inland abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Als im Inland aufgewachsen gilt auch, wer im Einzelfall einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und für den die Optionspflicht nach den Umständen des Falles eine besondere Härte bedeuten würde.
  • Ausnahmen gibt es in allen Bereichen für EU-Länder und die Schweiz.

In den vergangenen drei Jahren haben sich von den Türken, die sich in Deutschland einbürgern ließen, jeweils rund 17 Prozent ihre türkische Staatsbürgerschaft behalten. Im Jahr 2015 waren es beispielsweise 3448 von 19.674 eingebürgerten Türken. Allerdings ist es sehr leicht, in der Türkei wieder den türkischen Pass zu erhalten. Hierüber gibt es keine Zahlen.

Im Zensus 2011 wurde zum ersten und einzigen Mal festgestellt, dass knapp 4,3 Millionen Deutsche mindestens einen weiteren Pass hatten, darunter 690.000 polnische, 570.000 russische und 530.000 türkische Pässe. Von den rund 2,9 Millionen Türkischstämmigen in Deutschland hatten rund 800.000 nur den deutschen Pass, etwa 1,5 Millionen nur den türkischen.

(Redaktionsnetzwerk Deutschland/dpa/Reuters/Bild/KStA)