Seit Jahren zünden mutmaßliche Linksextremisten und Autonome Autos der Oberklasse an und halten das für ein politisches Statement. Dass aber ein politischer Gegner gezielt mit einem Auto-Brandanschlag eingeschüchtert werden soll – solche Mafia-Methoden waren in Berlin bislang unbekannt. (Foto: Imago/Christian Mang)
Berlin

Linksextremisten jetzt mit Mafia-Methoden?

Dass Linksextremisten und sogenannte Autonome in Berlin häufig Autos anzünden, ist bekannt. Aber im Zusammenhang mit der Räumung des besetzten Hauses in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain kommt ein spezieller Verdacht auf: Haben Linksextremisten gezielt ein Auto in der Nähe des Hauseigentümer-Anwaltes angezündet, um ihn einzuschüchtern? Solche Mafia-Methoden wären sogar in Berlin neu.

Das Urteil des Berliner Landgerichts, dass die Teilräumung des von Linksautonomen besetzten Hauses in der Rigaer Straße 94 rechtswidrig war, wird vom politischen Gegner als Niederlage für Innensenator Frank Henkel (CDU) gewertet: Die Grünen fordern eine Sondersitzung des Innenausschusses – mitten in der parlamentarischen Sommerpause. Die Piraten argwöhnen, Henkel habe den Konflikt angeheizt, weil am 18. September die Wahl zum Abgeordnetenhaus ansteht. Und die Linkspartei, die sich mit den linksextremen Besetzern offen solidarisiert, behauptet, der Innensenator habe selbst zu der Eskalation beigetragen.

Unbeugsam gibt sich Innensenator Frank Henkel – trotz der massiven Anwürfe der linken Opposition und der Distanzierung seines eigenen Koalitionspartners, des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD). „Ich weise die Vorwürfe zahlreicher Oppositionspolitiker, die Polizei habe sich nicht an Recht und Gesetz gehalten, entschieden zurück“, erklärt Henkel. Aus dem Versäumnisurteil des Gerichts lasse „sich aber nicht der Schluss ziehen, den viele jetzt politisch motiviert ziehen.“ Henkel wörtlich: „Der Einsatz war gefahrenabwehrrechtlich begründet und diente dem Schutz der Bauarbeiter.‎ An dieser rechtlichen Einschätzung halten wir fest.‎“

Warum wurde der Termin nicht verschoben oder ein Vertreter bestellt?

Das Gericht hatte entschieden, dass die Hauseigentümer-Firma keinen Räumungstitel habe, folglich sei die Räumung rechtswidrig gewesen. Der Hintergrund: Der Anwalt der Eigentümer war nicht zu der mündlichen Verhandlung erschienen, konnte also auch keinen Räumungstitel vorweisen. Folglich urteilte die Richterin nur nach Aktenlage und Äußerungen der Gegenseite in einem sogenannten Versäumnisurteil. Innensenator Frank Henkel erklärte nach dem Urteil: „Da die Eigentümerseite nicht vertreten war, ist zivilrechtlich gar keine andere Entscheidung zu erwarten gewesen, als dass das Gericht dem Vortrag der Klägerin folgt.“

Allerdings fragen sich Prozessbeobachter, wieso ohne Vorliegen eines Mietvertrags überhaupt ein formaler Räumungstitel nötig ist – denn die Linksautonomen, deren Kneipe und der Szenetreff im Erdgeschoss geräumt wurden, hatten offenbar keinen Mietvertrag. Allerdings ist es Aufgabe eines Richters, aus Gründen des Rechtsfriedens und um Selbstjustiz zu verhindern, zu klären, ob tatsächlich kein Mietvertrag vorliegt. Deshalb ist auch in solchen Fällen eine Räumungsklage notwendig, die aber ohne Mietvertrag in der Regel zügig durchgehen wird.

Weiter wird von den Prozessbeobachtern gefragt, warum die Richterin keinen neuen Termin einberief oder wenigstens eine Vertretung bestellte, nachdem der Anwalt sie per Fax von seinem Fernbleiben informiert hatte.

Mafia-Methoden von Linksextremisten?

Andere Fragen stellen sich auch laut Berichten der Welt und der FAZ: Hatten Linksextremisten den Anwalt kurz vor dem Prozess gezielt eingeschüchtert, um ihn vom Erscheinen abzuhalten, indem sie ein Auto direkt vor dessen Wohnhaus anzündeten? Solche Mafia-Methoden, die an den Film „Der Pate“ erinnern, wären in Berlin neu, zumindest als Mittel der politischen Auseinandersetzung.

Wenn Polizisten angegriffen und Bauarbeiter bedroht werden, wenn fremdes Eigentum zerstört wird, dann muss der Staat handeln.

Frank Henkel, Innensenator

Genau darauf zielt Innensenator Henkel ab mit dem Hinweis: „Die Frage ist jedoch, warum die Gegenseite nicht vertreten war.‎ ‎Wir haben konkrete Erkenntnisse, dass der Anwalt der Eigentümerseite aufgrund einer massiven Einschüchterung beziehungsweise eines Brandanschlags nicht an dem Termin teilgenommen hat.“

Anwalt hält brennendes Auto für deutliche Warnung

Der ferngebliebene Anwalt André Tessmer sagte der Agentur AFP: „Gebrannt hat das vor meinem Haus geparkte Auto eines Nachbarn. Aber ich gehe davon aus, dass das mir galt.“ Und weiter sagte Tessmer: „Ich fühle mich persönlich bedroht.“ Bereits im April war sein Haus Ziel einer offenbar politisch motivierten Attacke geworden: Unbekannte hatten die Fassade aus einem umgebauten Feuerlöscher mit Farbe besprüht. Die Polizei hält den Täterkreis für identisch.

Zwar pflegen Linksautonome in Berlin schon seit Jahren hunderte Autos anzuzünden, aber sie halten dies für ein politisches Statement: Es handelt sich meist um Fahrzeuge der Oberklasse, die die Extremisten als „Bonzenkarren“ zu Hassobjekten und zu Symbolen des „Schweinesystems“ stilisiert haben. Diese Autos werden in der Regel wahllos attackiert, gezielte Angriffe zur Einschüchterung der Gegenseite gab es bisher nicht.

Die Welt berichtet allerdings von gezielten Einschüchterungsversuchen anderer Art und ihren Folgen: So habe die Hausverwaltungsfirma Belima bereits aufgegeben, und die britische Eigentümerfirma des Hauses Rigaer Straße 94 wolle sich „zurückziehen“. Und bereits früher hatten Linksextremisten die privaten Daten von politischen Gegnern ins Internet gestellt – etwa die vollen Adressen der rund 2000 Teilnehmer des AfD-Parteitags in Stuttgart, mit Telefonnummern, AfD-Mitgliedsnummern, E-Mail-Adressen und Geburtsdaten.

Linksextreme fühlen sich ermutigt und drohen weitere Gewalt an

In ihren Aussagen begrüßt eine „Autonome Gruppe“ im Blog Indymedia/Linksunten die Körperverletzungen von Polizisten und droht weitere Eskalationen an: „Es soll angeblich 123 verletzte Schweine geben. Wir hoffen das stimmt, wenn wir das auch stark bezweifeln. Mögen es beim nächsten Mal 234 verletzte Schweine sein!“, schreiben sie mit Blick auf die am vergangenen Wochenende bei linksextremen Ausschreitungen verletzten 123 Polizisten.

Wir werden weiterhin aktiv sein, um Berlin ins Chaos zu stürzen.

Drohung der Linksextremisten

Polizisten zu entmenschlichen, sie als „Schweine“, „Bullen“ oder „Robocops“ zu bezeichnen, geht auf die militante Studentenbewegung und die RAF zurück. Dieses Vorgehen ist typisch in der linksextremen Szene: Mit den Bezeichnungen sollen die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gesenkt und die Menschen unter den Uniformen entmenschlicht werden.

Weiter drohen die Linksextremisten: „Wir werden weiterhin aktiv sein, um Berlin ins Chaos zu stürzen. Unsere Ziele sind klar benannt! Der Senat rund um Henkel, die Schweine, Nazis, Gentrifizierung und der Kapitalismus an sich! Die Feuer erlöschen erst, wenn Henkel seine Schweine aus der Rigaer zurückgepfiffen hat, die R94 wieder uns gehört und die Räumungstitel unserer anderen besetzten Häuser zurückgenommen werden!“

Henkel gibt sich unbeugsam

An anderer Stelle schreibt eine „Antiautoritäre“ Gruppe auf demselben Blog: „Die 123 verletzten Bullen waren ein guter Anfang, die Polizeiführung hat es geschafft, ihre eigene Durchsetzungsfähigkeit in Friedrichshain auf die pure Konzentration vieler Waffenträger*innen zu reduzieren. Als Antiautoritäre wollen wir sie bei ihrem Abschied aus latent unruhigen Nachbarschaften unterstützen. Bis bald dann auf den Straßen Kreuzbergs, wo wir den Henkel-Truppen die Quittung für die Räumung des M99 verpassen werden.“

Das „M99“ ist laut Selbstbeschreibung ein „Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf“ in der Manteuffelstraße 99 in Kreuzberg, dessen Mietvertrag gekündigt worden war und dem ebenfalls die Räumung droht. Laut B.Z. kaufen die Linksextremisten aus der Rigaer Straße im „M99“ Gegenstände zur Vermummung und drucken dort Bekennerschreiben.

Trotz allen politischen Gegenwindes und trotz der linken Gewaltphantasien gibt sich der Innensenator unverändert kämpferisch. „Die Situation in der Rigaer Straße erfordert entschlossene polizeiliche Maßnahmen“, betont Frank Henkel in einer Mitteilung. „Davon können und werden wir in der derzeitigen Lage nicht abrücken. Wenn Polizisten angegriffen und Bauarbeiter bedroht werden, wenn fremdes Eigentum zerstört wird, dann muss der Staat handeln.“ Dass die Linksextremisten fremdes Eigentum besetzen, könne auch nicht hingenommen werden. „Ich werde es nicht zulassen, dass irgendwo in unserer Stadt rechtsfreie Räume entstehen. Die Polizei wird daher weiter konsequent gegen Gewalttäter und Extremisten vorgehen“, so Henkel abschließend.

(Welt/PM/wog)