Die Zahl politisch motivierter Gewalttaten nimmt in Deutschland weiter zu. (Bild: H. Förster/Imago)
Verfassungsschutzbericht

Die extremistischen Ränder wachsen

Der jüngste Bericht der Verfassungsschutzes zeigt: Die Anzahl politisch motivierter Übergriffe in Deutschland steigt - sowohl im rechts- als auch im linksextremistischen Sektor. Zusätzlich schätzen die Verfassungsschützer die Bedrohung durch Islamisten als so hoch wie nie ein. Überhaupt spricht der Verfassungsschutz von einem "exorbitanten Gewaltanstieg" und einer "Enthemmung" im Internet.

Die extreme Rechte in Deutschland nutzt die Flüchtlingskrise in hohem Maß für eine „lautstarke Agitation gegen Asylbewerber und Hetze gegen alles Fremde“, und auch die linksextreme Szene wird immer gewaltbereiter. Zusätzlich steigt die Gefahr durch islamistische Extremisten in Deutschland. Zu diesem Schluss kommt der Verfassungsschutz in seinem jüngsten Bericht.

Rechtsextremistische Gruppierungen sei es im vergangenen Jahr gelungen, mehr Anhänger und Sympathisanten zu gewinnen – und offenbar ein „neues Selbstbewusstsein“, wie die Verfassungsschützer schreiben. „Die Szene wächst, und sie ist gewaltbereiter denn je“, stellen sie fest.

Rechtsextreme verzeichnen ersten Zuwachs seit Jahren

Während die tiefbraune Szene in den vergangenen Jahren nach und nach geschrumpft war, verzeichnete sie in den letzten Monaten wieder Zuwächse. 22.600 Menschen zählte der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr dazu. Die Hälfte von ihnen – knapp 11.800 schätzt der Inlands-Geheimdienst als „gewaltorientiert“ ein. Die Verfassungsschützer sprechen von einem „exorbitanten Anstieg rechtsextremistischer Gewalt“ und von „enthemmter Hetze im Internet“. Besonders im World Wide Web sei ein deutlicher Anstieg rassistischer Hass-Botschaften und Bedrohungen zu verzeichnen.

Quer durch die Republik schlügen Rechtsextremisten zu, heißt es in dem Bericht. „Sie pöbeln Fremde an, bedrohen Politiker und Journalisten, marschieren vor Asylbewerberheimen auf oder legen Feuer in Flüchtlingsunterkünften.“ Die Zahl der Übergriffe gegen solche Einrichtungen sei im vergangenen Jahr sprunghaft gestiegen und habe sich verfünffacht.

Linksextreme Gewaltbereitschaft wächst – Anstieg um 62 Prozent

Doch auch der linksextreme Sektor zeigt sich immer gewaltbereiter: 26.700 Menschen rechnet der Verfassungsschutz noch zur linksextremistischen Szene – etwas weniger als 2014. Die Gewaltbereitschaft habe aber deutlich zugenommen, vor allem gegen Polizisten. Die Hemmschwelle, Beamte zu verletzen, sei noch weiter gesunken, berichten die Verfassungsschützer. 2015 stieg die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten um 62 Prozent, die der Rechtsextremen „nur“ um 42,2 Prozent. Bei der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) im März 2015 etwa kam es zu heftigen Krawallen. Auch die Auseinandersetzungen mit der rechten Szene werden härter.

Islamisten haben Zulauf – immer mehr Salafisten

Und auch die islamistische Szene in Deutschland hat weiter Zulauf. Vor allem die Zahl der Salafisten wächst kräftig. 8.900 Menschen sind es inzwischen, die sich zu dieser besonders extremen Strömung des Islam bekennen. Aus ihren Reihen kommen viele, die sich irgendwann zum Kämpfen Richtung Syrien und Irak aufmachen.

Die Ausreisewelle von Islamisten aus Deutschland in diese Gebiete ist dagegen mittlerweile etwas gebremst – unter anderem wegen der militärischen Rückschläge der Terrormiliz IS dort. Anlass für Entwarnung sehen die Verfassungsschützer aber keineswegs. Im Gegenteil. Gerade angesichts des Zurückdrängens des IS in Syrien und im Irak sei eine Verlagerung von Anschlägen nach Europa zu befürchten, sagt Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bei der Vorstellung des Berichts.

IS plant offenbar weitere Anschläge in Europa

Es sei davon auszugehen, dass der IS weitere Attentate in Europa plane, und damit auch in Deutschland, warnen die Verfassungsschützer. Als großes Risiko sehen sie Rückkehrer aus Dschihad-Gebieten, Schläfer von Terrororganisationen, Einzeltäter, die sich selbst radikalisieren, aber auch mutmaßliche IS-Mitglieder, die getarnt als Flüchtlinge nach Europa kommen.

(dos/dpa)