Verfassungsschutz kritisiert Untersuchungsausschüsse
Die diversen Untersuchungsausschüsse in Bundestag und Landtagen behinderten die Arbeit seiner Behörde, sagt Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen. Es binde viel Arbeitskraft, den Ausschüssen die angeforderten Informationen zu liefern, und das in einer Zeit "ausgesprochen ernster" terroristischer Bedrohung. Der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden sei möglicherweise ein russischer Agent.
Sicherheitslücke

Verfassungsschutz kritisiert Untersuchungsausschüsse

Die diversen Untersuchungsausschüsse in Bundestag und Landtagen behinderten die Arbeit seiner Behörde, sagt Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen. Es binde viel Arbeitskraft, den Ausschüssen die angeforderten Informationen zu liefern, und das in einer Zeit "ausgesprochen ernster" terroristischer Bedrohung. Der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden sei möglicherweise ein russischer Agent.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sieht die Terrorabwehr in Deutschland durch die aktuellen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse erschwert. So binde es viele Kapazitäten, dem NSA-Ausschuss des Bundestags die angeforderten Informationen zu liefern, sagte Maaßen bei seiner Vernehmung im Ausschuss. „Niemand sage im Fall eines Terroranschlages, das habe er nicht gehört.“ Ähnliches gelte für den Untersuchungsausschuss, der sich mit der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU beschäftigt.

Maaßen stellte dies in einen Zusammenhang mit einer Deutung der Rolle des Ex-Mitarbeiters des US-Geheimdienstes NSA, Edward Snowden, als möglicher russischer Agent. Ob der „Whistleblower“ Snowden in Wirklichkeit Agent eines russischen Nachrichtendiensts sei, „kann nicht beurteilt werden“, sagte er. Es gebe keinen Beweis dafür, doch bestehe „eine hohe Plausibilität“, dass Snowden von den russischen Geheimdiensten SWR oder FSB angeworben worden sei oder als „nützlicher Idealist“ geführt werde.

Sollte es sich beim Fall Snowden tatsächlich um eine Agenten- und Propagandaoperation des russischen Geheimdienstes SWR handeln, dann hätte dieser seine Schlagkraft unter Beweis gestellt. „Dies wäre eine Spionage-Operation, verbunden mit einer Desinformations- und Einflussnahme-Operation“, sagt Maaßen. „Ein Keil würde getrieben zwischen die USA und deren engste Verbündete, insbesondere Deutschland.“ Auch ob manche von Snowdens Dokumenten – wie die zum angeblich abgehörten Kanzlerinnen-Handy – überhaupt echt seien, wäre nicht klar, nicht überprüfbar, vielleicht seien sie auch Operationen anderer Geheimdienste unter falscher Flagge.

Vor lauter Zulieferungen zu den Ausschüssen zu wenig Zeit für Terrorabwehr

Durch die NSA-Affäre seien die deutschen Nachrichtendienste beschädigt, ihre Arbeit sei skandalisiert worden, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Er könne sich vorstellen, dass im Falle eines Anschlages die Frage komme, wie das passieren konnte, was das BfV, statt diesen zu verhindern, denn gemacht hätte. Derzeit hätte aber die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses Priorität.

„Wir sind derzeit in einer ausgesprochen ernsten Sicherheitssituation, nicht nur mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft, sondern schon seit längerem.“ Der NSA-Ausschüsse und die Ausschüsse zur Neonazi-Terrorzelle NSU in Bundestag und Landtagen würden viele Kräfte binden. Das käme zum Beispiel russischen Diensten gelegen.

Maaßen versicherte, dass sein Amt die Daten von Bürgern keineswegs massiv ausspähe. Eine massenhafte anlasslose Datenüberwachung erfolge nicht. Die Möglichkeiten des BfV, seinerseits Spionageaktivitäten der USA und anderer Partnerstaaten aufzudecken, sind laut Maaßen und Fromm begrenzt.

Handynummer genügt nicht für einen Drohnen-Angriff

Außerdem drehten sich die Vernehmungen um mögliche deutsche Verstrickungen in US-Drohnenangriffe auf deutsche Staatsbürger. Maaßen sagte, die von den Deutschen an die USA weitergegebenen Daten zu deutschen Islamisten „durften und dürfen nicht zu militärischen Zwecken verwendet werden“. Aus seiner Sicht seien die Weitergaben korrekt erfolgt. Zudem reichten Handynummern nicht für die Lokalisierung von Personen – trotz gegenteiliger Aussagen eines US-Drohnen-Bedieners im Untersuchungsausschuss.

Zuvor war es auch bei der Vernehmung von Maaßen-Vorgänger Heinz Fromm darum gegangen, ob die Amerikaner Daten der Deutschen genutzt haben, um islamistische Bundesbürger im afghanisch-pakistanischen Kriegsgebiet zu orten und zu töten. Es ging um Fälle wie den von Bünyamin Erdoğan. Der Verfassungsschutz hatte Daten über den deutschen Islamisten an die USA gegeben, bevor dieser 2010 Opfer einer Rakete von einer US-Drohne wurde – wie wohl rund ein halbes Dutzend Bundesbürger. Fromm schloss Versäumnisse von Mitarbeitern nicht aus, wies aber ebenfalls eine entscheidende Rolle der Deutschen bei den Angriffen zurück.

Maaßen und Fromm legten dar, warum das BfV die Software XKeyscore des US-Geheimdienstes NSA zur Analyse von Daten in Deutschland nutzt: Die eigenen Möglichkeiten zur Datenanalyse reichten nicht. Außerdem erklärten sie, wie die Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten funktioniere: Maaßen sagte, dass es keine befreundeten, sondern nur „verpartnerte“ Geheimdienste gebe und dies allen Beteiligten klar sei. Fromm legt Wert darauf, dass auch Entscheidungen der Politik die Spionageabwehr geschwächt hätten.

CSU: Verfassungsschutz ist für Innere Sicherheit unverzichtbar

Die CSU verteidigt den Verfassungsschutz auch auf bayerischer Ebene vor ideologischer Beeinflussung durch linke Kräfte. „Unser Verfassungsschutz ist eine für die Innere Sicherheit unverzichtbare Behörde zur Extremismus- und Terrorbekämpfung, kein Gesinnungs-TÜV“, macht der CSU-Innenpolitiker Florian Herrmann, deutlich. Der Vorsitzende des Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Bayerischen Landtags stellt sich entschieden gegen die Änderungspläne der SPD beim Bayerischen Verfassungsschutzgesetz, die heute im Innenausschuss diskutiert wurden.

„Die Arbeit unseres Verfassungsschutzes richtet sich gegen die Feinde unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie Extremisten, Terroristen und Verbrecher und nicht schon gegen bloße Kritik an der Politik auch der etablierten Parteien“, stellt Herrmann klar. Nach dem Willen der SPD soll es künftige Aufgabe des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz sein, unter anderem bereits bloße gruppenbezogene menschenfeindliche und diskriminierende Bestrebungen und Tätigkeiten“ zu beobachten. „Letztendlich fordert die SPD damit, dass der Verfassungsschutz Vorstände in Unternehmen beobachtet, die in ihren Reihen keine Frauen dulden. Das ist abstrus“, so der CSU-Innenexperte.

SPD will Verfassungsschutz schwächen und seinen Auftrag verwässern

Gleichzeitig fordere die SPD aber, dass der Verfassungsschutz zentrale Befugnisse zur Beobachtung und Bekämpfung von Terrorismus verlieren soll oder deren Anwendung erheblich einschränkt wird. Konkret betrifft das unter anderem wichtige Instrumente wie Wohnraumüberwachung, digitale Spurensicherung und den Einsatz von V-Leuten. „Ihre ideologische Verengung verschleiert der SPD den Blick auf das Wesentliche“, stellt Hans Reichhart fest, der Landesvorsitzende der Jungen Union und gleichzeitig zuständiger Berichterstatter im Innenausschuss. „Trotz der sich häufenden schrecklichen Anschläge in Europa will die SPD ein großes Loch in die Bekämpfung des Terrorismus schlagen.“

Mit der CSU-Fraktion sind solch verantwortungslose Manöver nicht zu machen, wie Herrmann verdeutlicht: „Bayern ist Sicherheitsland Nummer 1 – nicht nur in Bezug auf die Polizeiarbeit, sondern auch auf die Arbeit des Verfassungsschutzes. Wir werden die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger nicht gefährden, indem wir die vorbildliche Extremismus- und Terrorismusbekämpfung in unserem Land zu einer  Antidiskriminierungsstelle degradieren.“ Die Landtags-CSU hält den im Innenausschuss beratenen Gesetzentwurf der Staatsregierung für den richtigen Weg. „Gemeinsam mit den von unserer Fraktion beantragten Änderungen wird der Bayerische Verfassungsschutz zukunftsfähig gestärkt“, so Herrmann und Reichhart.

dpa/dlf/wog