Düzen Tekkal fordert Staatsbürgerkunde und verpflichtende Sprachkurse. (Bild: Markus Tedeskino)
Integration

„Es ist Zeit, Probleme benennen zu dürfen“

Interview Verpflichtende Sprachkurse, eine Regulierung der Flüchtlingsströme und keine falsche Toleranz. Das fordert die Fernsehjournalistin und Autorin Düzen Tekkal. "Ich beobachte, dass die radikalen Kräfte immer mehr an Überhand gewinnen und die Mitte der Gesellschaft kaum noch eine Stimme hat," sagt die in Hannover geborene Tochter von kurdischen Einwanderern.

Frau Tekkal, Sie behaupten Deutschland sei bedroht – so lautet zumindest der Titel Ihres Buches: Warum und von wem?

Ich spreche in diesem Zusammenhang von den „bösen Zwillingen“. Das sind der religiöse Extremismus und der Rechtsradikalismus. Ich beobachte, dass die radikalen Kräfte immer mehr an Überhand gewinnen und die Mitte der Gesellschaft kaum noch eine Stimme hat. Da wir bis 2004 keine gewollte Integrationspolitik in Deutschland hatten, haben wir jetzt mit den Konsequenzen zu kämpfen. Wir exportieren den Dschihadismus einerseits – beispielsweise wurden 800 Kämpfer aus Deutschland über den IS rekrutiert – und wir importieren ihn andererseits mit Menschen, die sich beispielsweise die Flüchtlingsströme zunutze machen, um hier ihr Unwesen zu treiben.

Was wurde bisher in der Integrationspolitik versäumt?

Menschen, die wir irgendwie zurückgelassen haben, formieren sich irgendwann gegen den Rechtsstaat. Wir reden in diesem Zusammenhang oft über Werte. Aber es ist uns leider nicht gelungen, diese Wertedebatte auch wirklich an den Mann zu bringen. Wenn wir von Migranten sprechen, die in Deutschland leben, höre ich oft, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir kritikfähige, demokratiefähige junge Muslime brauchen. Aber viele Jugendliche lernen zu Hause genau das Gegenteil. Nämlich Unterwerfung und dass man nicht zu hinterfragen hat. Ich würde sogar die These wagen zu sagen, dass sich viele Migranten, die aus sehr konservativen Familienverhältnissen kommen, versündigen müssen, wenn sie demokratisch werden wollen.

Was halten Sie von Integrationsmaßnahmen, wie sie die CSU fordert: Staatsbürgerkunde, verpflichtende Sprachkurse und Leistungskürzungen, wenn Kurse nicht wahrgenommen werden?

Ich teile diese Forderungen. Denn ich persönlich habe die Erfahrung gemacht als Kind von Migranten und Flüchtlingen, dass ich mir damals gewünscht hätte, dass es etwas konsequenter zur Sache gegangen wäre. Insbesondere für meine Mutter, die heute noch Analphabetin ist. Mich hat die Schulpflicht gerettet. Wir sehen das immer so negativ, wenn Leute verpflichtend gefordert und gefördert werden. Gegenwärtig sind wir fast schon verpflichtet dazu. Und damit können wir eigentlich gar nicht früh genug anfangen. Und wenn wir von Integration sprechen, geht es nicht nur darum, Migranten zu integrieren, sondern wir müssen auch Deutsche integrieren, die nicht mehr mitkommen oder die sich nicht identifizieren können mit dem neuen Deutschland.

Wenn wir von Migranten sprechen, die in Deutschland leben, höre ich oft, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir kritikfähige, demokratiefähige junge Muslime brauchen. Aber viele Jugendliche lernen zu Hause genau das Gegenteil. Nämlich Unterwerfung und dass man nicht zu hinterfragen hat.

Düzen Tekkal

Was müssen wir den Menschen vermitteln?

Im Grunde genommen geht es um Werte, von denen wir geglaubt haben, dass sie selbstverständlich sind: Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Pressefreiheit. Und dass wir neue Werte an den Tag legen müssen, wie Rückgrat, wie Mut und wie Haltung, um diesen Kräften entgegenzustellen: „Ich möchte künftig weder von religiösen Extremisten noch von Rechtsextremisten dominiert werden.“

Sie nutzen den Begriff „falsche Toleranz“. Was bedeutet er für Sie?

Es ist endlich an der Zeit, die Probleme auch benennen zu dürfen, ohne dass einem dafür unterstellt wird, dass man dann selber intolerant ist oder radikal. Wenn beispielsweise Koranverteilaktionen stattfinden, bei denen sich auf die Religionsfreiheit und das Grundgesetz berufen wird, müssen wir dafür sorgen, dass das nicht missbraucht und ausgenutzt wird. Es ist erwiesen, dass 20 Prozent der IS-Kämpfer über diese Verteilaktionen rekrutiert worden sind. Dann müssen wir auch über Handhabungen nachdenken, dass wir Hassprediger, die dieses Gedankengut säen, auch dafür belangen können. Das können wir gegenwärtig nicht. Und es gilt darüber nachzudenken, wie eine Wehrhaftigkeit der Demokratie aussehen kann.

Es ist endlich an der Zeit, die Probleme auch benennen zu dürfen, ohne dass einem dafür unterstellt wird, dass man dann selber intolerant ist oder radikal.

Düzen Tekkal

Sie waren im Kompetenzteam von Julia Klöckner (CDU). Wie engagieren Sie sich zurzeit politisch?

Ich bin eigentlich jeden Tag politisch unterwegs, auch wenn es nicht parteipolitisch ist. Ich habe da keine Schablonen im Kopf, für mich ist Integration ein Lebensthema, das ich als Journalistin besetze, als Mensch besetze und eben dann auch politisch. Ich bin viel in Schulen, ich bin mit Flüchtlingsinitiativen, mit Bürgerinitiativen zusammen, wo wir unsere Filme zeigen, wo wir Podiumsdiskussionen machen, wo wir dafür sorgen, Vorurteile abzubauen und den Menschen zeigen, dass wir eigentlich gemeinsame Werte haben, unabhängig davon, wo jemand herkommt.

Was halten Sie von der Einführung einer Obergrenze für Flüchtlinge?

Mittlerweile ist es leider so, dass diese Begriffe so negativ besetzt sind, politisiert worden sind. Aber nichtsdestotrotz ist es so, dass wir selbstverständlich darüber nachdenken müssen, dass wir Einwanderung generell regulieren und damit auch Flüchtlingsströme. Wir können nicht nur leisten Menschen aufzunehmen, sondern wir tragen auch Sorge für die Integration dieser Menschen. Gegenwärtig wird uns nicht der Eindruck vermittelt, dass man alles im Griff hätte. Ich spreche mich dafür aus, dass wir die Flüchtlingsströme regulieren. Jedem ist inzwischen klar geworden, dass auch Deutschland keine Insel der Seligen ist und dass uns die Probleme im Mittleren und Nahen Osten sehr wohl etwas angehen. Es muss darum gehen, Fluchtursachen zu bekämpfen, anstatt den Fokus darauf zu lenken, dass wir alle Menschen hier aufnehmen könnten und müssen.

„Es ist Zeit, Probleme benennen zu dürfen“

Düzen Tekkal kam 1978 als eines von elf Kindern in Hannover zur Welt. Ihre Eltern sind Kurden und gehören der Religionsgemeinschaft der Jesiden an. Im vergangenen Jahr dokumentierte Tekkal in einem Film die Verbrechen des Islamischen Staates an den Jesiden. Im März erschien ihr Buch „Deutschland ist bedroht“.