Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat schon frühzeitig eine klare Obergrenze beim Flüchtlings-Zuzug gefordert. (Foto: Christian Thiel/imago)
Sachsen-Anhalt

Haseloff sucht Regierungspartner

Eine weitere Flüchtlings-Protestwahl droht in Sachsen-Anhalt: Die Radikalen von links und rechts – Linkspartei und AfD – könnten am 13. März zusammen auf knapp 40 Prozent kommen. Das dürfte dem eigentlich sehr erfolgreichen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) die Regierungsbildung erschweren – vor allem weil der bisherige Koalitionspartner SPD auf 15 Prozent einzubrechen droht.

Bisher regierte in Sachsen-Anhalt eine große Koalition mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) an der Spitze – und das eigentlich recht erfolgreich. Der Regierungschef will diese Zusammenarbeit nach der Wahl am 13. März fortsetzen, doch es ist fraglich, ob das möglich sein wird. Während die CDU bei geringen Verlusten souverän weiter in den Umfragen führt, bricht die SPD ein.

Die CDU verlor auch in Sachsen-Anhalt, wie in allen anderen Ländern, wegen der Flüchtlingskrise zwar an Zustimmung. Ihre Werte sackten von 34 Prozent im Juli 2015 – vor Merkels Grenzöffnung – auf Werte von 29 bis 32 Prozent in allen sieben Umfragen seit Mitte Februar 2016. Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Verlust aber moderat, denn etwa in Baden-Württemberg verloren die Christdemokraten volle zehn Prozentpunkte.

Haseloff forderte frühzeitig eine klare Obergrenze

Das könnte daran liegen, dass Ministerpräsident Reiner Haseloff schon frühzeitig in der Flüchtlingsfrage auf Distanz zu Kanzlerin Merkel gegangen ist und wie die CSU eine klar benannte Obergrenze gefordert hat. Er betont, sein Land könne heuer nicht erneut – wie 2015 – 40.000 Flüchtlinge aufnehmen. Von denen sind derzeit noch 30.000 im Land.

„Kein Staat kann unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen, wenn man eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft gewährleisten will“, sagte Haseloff im BAYERNKURIER-Interview. Für jedes Land gebe es eine „Integrations-Obergrenze“. Europäische Vereinbarungen wie Schengen oder Dublin könnten nicht dauerhaft außer Kraft gesetzt sein. Auch wenn Haseloff bei Merkel damit nicht durchdrang, honorieren seine Bürger es offensichtlich, dass der Ministerpräsident wenigstens die Realität erkennt und benennt.

SPD stürzt auf 15 Prozent ab

Wesentlich härter traf der Unmut der Menschen Haseloffs Koalitionspartner SPD: Von 21 Prozent im letzten Sommer – was in der Summe locker zur Fortsetzung der Großen Koalition gereicht hätte – stürzten die Sozialdemokraten auf zuletzt 15 Prozent ab. Außer mit der Asylkrise könnte das mit dem schwachen SPD-Personal zu tun haben: Mit Ausnahme von Finanzminister Jens Bullerjahn kennt wohl kaum jemand einen führenden SPD-Vertreter.

15 Prozent – das bedeutet für die SPD nur noch Rang vier hinter CDU, Linkspartei und der enorm starken AfD, die derzeit auf 19 Prozent taxiert wird. Die Rechtspopulisten gingen demoskopisch durch die Decke, nachdem Hunderttausende Immigranten ungehindert nach Deutschland strömten. Sie sind die größten Nutznießer der Flüchtlingskrise. Noch im vergangenen Sommer war die AfD bei nur fünf bis sechs Prozent verortet worden. Das ist eine Vervierfachung (!) des Wähler-Zuspruchs binnen eines Dreivierteljahres.

Linkspartei und AfD konkurrieren um Platz 2 hinter der CDU

Die Linkspartei – ein weiteres Problem für die Regierbarkeit des Landes – pendelt zwischen 19 und 21 Prozent, knapp vor oder gleichauf mit der AfD. Da keine Partei mit der AfD koalieren will und eine Linkspartei-Regierung für die Zukunftsfähigkeit des Landes eine Katastrophe wäre, bleiben nicht viele Möglichkeiten: CDU und SPD – das könnte ganz knapp noch reichen, vor allem wenn Grüne und FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Ansonsten kämen nur Dreier-Bündnisse in Frage.

Experten deuten den Urnengang am 13. März und das Ergebnis der AfD, aber auch das der Linkspartei, als reine Protestwahl. Einerseits ist eine starke relative Mehrheit mit Haseloff zufrieden: Der jüngste ARD-Deutschlandtrend ergab 46 Prozent für den Amtsinhaber in der Sympathieskala, Linken-Kandidat Wulf Gallert und die SPD-Kandidatin Katrin Budde kamen nur jeweils auf zwölf Prozent. Eine klare Mehrheit von 54 Prozent will auch die CDU-SPD-Koalition an der Regierung behalten. Nur – ob die Leute dann auch entsprechend wählen werden?

Blitzsaubere Bilanz der Regierung, trotzdem miserable Stimmung im Land

In der Tat kann man feststellen, dass Schwarz-Rot seine Sache gut gemacht habe. Der Haushalt ist saniert, neue Schulden wurden die gesamte Legislaturperiode über keine mehr aufgenommen, sogar mit der Rückzahlung alter Schulden wurde begonnen. Der seit zehn Jahren amtierende SPD-Finanzminister Bullerjahn wird sogar von der FAZ gelobt. 50.000 neue Arbeitsplätze sind entstanden, die Arbeitslosigkeit sank stark. Nun stellt Sachsen-Anhalt auch wieder neue Polizisten ein, nach Jahren der demografie- und einsparungsbedingten Schrumpfkur.

Dennoch berichten Landtagsabgeordnete hinter vorgehaltener Hand von schlechter Laune und Verdrießlichkeit, die bei den Bürgern im ganzen Land weit verbreitet sei. Im „Glücksatlas“ hat Sachsen-Anhalt seit Jahren einen der hintersten Plätze abonniert. Von einer „Unzufriedenheit, die zur Lebenshaltung geworden ist“, berichtet der Korrespondent der FAZ. Die Bürger verlassen sich auf den Staat, erwarteten geradezu Wunderdinge von der Politik und reagierten auf die „leicht vorhersehbaren Enttäuschungen der Erwartungen verbittert“, so seine Analyse weiter.

Unzufriedenheit als Lebenshaltung

Dies könnte das dauerhafte gute Abschneiden der SED-Erben erklären – obwohl man meinen könnte, mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung sollte dieser Spuk vorbei sein. Demoskopen erklären mit der dauerhaften Unzufriedenheit sowie der schlechten politischen Bildung der Bevölkerung aber auch den weit überdurchschnittlich starken Zuspruch für die AfD. Der ehemalige Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) beklagt in diesem Zusammenhang auch eine Gewöhnung der Bevölkerung an Subventionierung durch Vater Staat sowie auch starke Unselbständigkeit der Bürger. Diese äußere sich auch in weit verbreitetem Übergewicht und dem Unwillen, Sport zu treiben, so der ehemalige Chefarzt Böhmer in einem Interviewbuch.