Seehofer sieht Wende in der Flüchtlingspolitik
Horst Seehofer reist nach Budapest und spricht mit Regierungschef Viktor Orban sowohl über die Flüchtlingskrise als auch die Beziehungen zwischen Bayern und Ungarn. Angesichts der Entwicklung in Griechenland spricht Bayerns Ministerpräsident von einer Wende in der Flüchtlingspolitik. Der EU wirft er "riesiges Versagen" vor.
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Seehofer sieht Wende in der Flüchtlingspolitik

Horst Seehofer reist nach Budapest und spricht mit Regierungschef Viktor Orban sowohl über die Flüchtlingskrise als auch die Beziehungen zwischen Bayern und Ungarn. Angesichts der Entwicklung in Griechenland spricht Bayerns Ministerpräsident von einer Wende in der Flüchtlingspolitik. Der EU wirft er "riesiges Versagen" vor.

Nach seinem Besuch in Moskau reiste CSU-Chef Horst Seehofer jetzt nach Ungarn um Regierungschef Viktor Orban zu treffen – einen strikten Gegner von Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen die Flüchtlingskrise, die Situation der EU vor dem Referendum in Großbritannien sowie die Lage in Syrien. Es wird bei dem Besuch auch um die langjährigen engen Beziehungen zwischen Bayern und Ungarn gehen. So hält Seehofer an der deutschsprachigen Andrassy-Universität Budapest nach dem Treffen einen Vortrag im Rahmen einer bayerisch-ungarischen Konferenz. Die Universität wurde 2001 gegründet und ist die erste und einzige deutschsprachige Universität im nicht deutschsprachigen Europa. Sie wird von Deutschland, Bayern und Baden-Württemberg sowie Österreich, der Schweiz und der autonomen Region Trentino-Südtirol gefördert.

Orban spricht sich für nationale Alleingänge aus

Unmittelbar vor dem Treffen mit CSU-Chef Horst Seehofer in Budapest hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban erneut nationale Alleingänge in der Flüchtlingspolitik befürwortet. „Es ist besser, separat zu handeln als gemeinsam untätig zu sein“, sagte Orban am Freitag im ungarischen Staatsrundfunk. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert hingegen eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise. Der rechtskonservative Orban verweigert sich dem Bemühen der Kanzlerin entschieden. Erst vor kurzem hat er angekündigt, die ungarischen Bürger über die von der EU beschlossenen Quoten zur Verteilung von 160.000 Flüchtlingen in der Union abstimmen zu lassen.

Ungarn schottet sich ab

Zustände wie die derzeitige Flüchtlingssituation an der mazedonisch-griechischen Grenze würde er „im Keim ersticken“, sagte der nationalkonservative Politiker weiter. Es sei ihm „ein Rätsel“, warum Athen überhaupt Flüchtlinge auf das griechische Festland bringe, die aus der Türkei auf den griechischen Inseln landen. Ferner sei es „unlogisch“, Russland dafür verantwortlich zu machen, dass Menschen aus Syrien vor Bombenangriffen fliehen. Ungarn hat sich im vergangenen Sommer und Herbst mit Zäunen an den Grenzen zu Serbien und Kroatien sowie mit schärferen Gesetzen gegen Flüchtlinge abgeschottet. Orbans Regierung bezeichnet die Mehrheit der Flüchtlinge als Wirtschaftsmigranten und deren überwiegend muslimische Religion als Gefahr.

Seehofer sieht Wende in der Flüchtlingspolitik

CSU-Chef Horst Seehofer sieht indes eine Wende von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik. Seehofer begründete das am Freitag mit der Situation in Griechenland, wo derzeit wegen der Sperrung der Grenze durch das nördliche Nachbarland Mazedonien Zehntausende Flüchtlinge festsitzen. „Es wird jetzt nicht gesagt, das Problem lösen wir dadurch, dass ich die Flüchtlinge nach Deutschland bringe», sagte Seehofer in Budapest. „Wenn das keine Wende ist.“

Seehofer bezog sich auf Merkels Entscheidung vom September 2015, in Ungarn gestrandete Flüchtlinge nach Deutschland zu holen. Über die derzeit in Griechenland festsitzenden Flüchtlinge hatte Merkel am Dienstag dagegen gesagt, diese sollten dort bleiben. Er halte das für die richtige Entscheidung, erklärte der bayerische Ministerpräsident. „Das bringt wiederum die EU verstärkt in den Druck, endlich mal an den Außengrenzen den Ländern zu helfen, die dann mit diesem Problem zwangsläufig zu tun haben.“ Es sei schon in der Vergangenheit ein Fehler gewesen, Italien und Griechenland bei der Kontrolle der EU-Außengrenzen nicht zu helfen. Seehofer warf der EU-Kommission deswegen „riesiges Versagen“ vor.

Weber verteidigt Reise

Die Reise Seehofers wird von SPD und Grünen scharf kritisiert. So sagte SPD-Chef Gabriel zu Bild: „Statt Merkel zu unterstützen verbündet er sich mit ihrem größten Gegner. Ich halte es für verantwortungslos, der Kanzlerin kurz vor dem entscheidenden Gipfel derartig in den Rücken zu fallen.“ Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber hat das Treffen verteidigt. Die CSU beharre darauf, eigene Akzente setzen zu dürfen, sagte Weber im RBB-Inforadio. Die Themen der Reise seien mit der Kanzlerin abgestimmt, sagte der Fraktionschef der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Weber unterstützt Orbans Grenzsicherungen im Grundsatz, kritisierte aber, der Ungar wolle Europa zu einer „Festung“ machen. „Jeder muss auch bereit sein zum Kompromiss.“ (siehe auch: Weber im BAYERNKURIER-Interview

Merkel in Paris

Während Horst Seehofer in Budapest Gespräche führt, reist Kanzlerin Angela Merkel nach Paris. Dort versucht sie den bevorstehenden Türkei-Gipfel mit dem französischen Präsidenten François Hollande vorzubereiten. Hollande erklärte nach dem Treffen: „Angesichts der Flüchtlingsfrage haben Deutschland und Frankreich die selbe Antwort: Europa. Europa muss in der Lage sein, die erwarteten Lösungen herbeizuführen.“ Deutsche Hoffnungen auf ein Eingehen Hollandes auf Merkels langfristigen Plan, der Türkei Flüchtlinge abzunehmen, wurden aber nicht erfüllt. Hollande sagte lediglich, sein Land werde die Zusage erfüllen, im Rahmen der bereits vereinbarten Umverteilung innerhalb der EU 30.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Als Voraussetzung nannte er dafür noch die Einhaltung der Schengen-Verträge. Merkel sagte, Deutschland und Frankreich stimmten überein, dass die EU ihre Außengrenze schützen müsse, um die Reisefreiheit im Inneren zu sichern. Die Länder müssten wieder wegkommen von Grenzkontrollen. Und: „Wir müssen wissen, wer nach Europa kommt.“ Einseitige Lösungen brächten keine nachhaltige Verringerung der Flüchtlingszahlen.

Seehofer und Orban demonstrierten Einigkeit

Seehofers Reise nach Budapest ist quasi ein Gegenbesuch: Im vergangenen Herbst war Orban auf der CSU-Fraktionsklausur im Kloster Banz zu Gast. Es war der Beginn der Flüchtlingskrise als Seehofer und Orban Einigkeit demonstrierten und sich gemeinsam gegen Merkels Flüchtlingspolitik aussprachen. Orban, der Ungarns Grenze mit einem Zaun abriegeln ließ, bezeichnete sich im September 2015 in Banz als ein „Grenzschutzkapitän“ Bayerns: „Die Südgrenzen Bayerns werden heute schon in Ungarn geschützt.“

(dpa/AS)