2500 Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Dortmund. Bei den Abschiebungen gehört NRW zu den säumigen Ländern. (Bild: Imago/JOKER/Martina Hengesbach)
Flüchtlingskrise

Asylpaket II im Kabinett beschlossen

Nach drei Monaten Blockade durch die SPD hat das Bundeskabinett das Asylpaket II angenommen. Es sieht spezielle Aufnahmeeinrichtungen sowie einen Stopp des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige vor. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Kosten für Flüchtlinge aus dem Ruder laufen. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) kritisiert, die deutsche Politik der offenen Grenzen spalte Europa.

Nach drei Monaten Blockade durch die SPD hat das Bundeskabinett das Asylpaket II auf den Weg gebracht. In der vergangenen Woche hatten sich die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, auf die Verschärfungen im Asylrecht verständigt (der Bayernkurier berichtete).

Außerdem beschloss das Kabinett, Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären – in der Hoffnung, deren Bürger leichter zurückschicken zu können. Migranten aus diesen Ländern haben wenig Chancen auf ein Bleiberecht und werden gleichzeitig überdurchschnittlich häufig kriminell. Der Großteil der massiven sexuellen Übergriffen von Köln ging auf das Konto von Algeriern und Marokkanern.

Bereits vor einer Woche hatte das Kabinett eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, um kriminelle Ausländer leichter abschieben zu können. Dabei wurde das Strafmaß gesenkt, ab dem bei Verurteilten eine Ausweisung in Betracht zu ziehen ist.

Aussetzung des Familiennachzugs und spezielle Einrichtungen für Schnellverfahren

Auf die Eckpunkte des Asylpakets II hatten sich Merkel, Seehofer und Gabriel ursprünglich bereits am 5. November 2015 verständigt. Die SPD hatte sich aber nachträglich gegen die Begrenzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige gewehrt und ihre Zustimmung verweigert, als sie erfuhr, dass die größte Gruppe aus dieser Kategorie Syrer sind. Allerdings sollen Angehörige, die noch in Flüchtlingslagern in der Türkei, Jordanien und dem Libanon leben, vorrangig mit Kontingenten nach Deutschland geholt werden – allerdings nur, wenn sich eine europäische Einigung auf Kontingente ergibt.

Die Koalitionäre verständigten sich außerdem darauf, dass Asylbewerber sich mit zehn Euro Eigenateil an Integrationskursen beteiligen müssen. Abschiebungen sollen erleichtert werden – auch bei gesundheitlichen Problemen der Betroffenen. Bestimmte Flüchtlingsgruppen – unter anderem Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten – sollen künftig in neuen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, wo ihre Asylanträge im Schnellverfahren abgearbeitet werden.

Marokko und Algerien nehmen ihre eigenen Bürger nicht auf

Ob die parallel vorgesehene Einstufung der drei Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten zur beschleunigten Rückführung ihrer Bürger führen kann, ist derweil fraglich. Sie haben dann in der Regel zwar kein Anrecht auf Asyl, solange sie nicht das Gegenteil glaubhaft belegen können.

Bereits jetzt gibt es aber Probleme, weil die Staaten abgelehnte Asylbewerber oft nicht zurücknehmen – obwohl es beispielsweise mit Algerien ein Rückübernahmeabkommen gibt. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) brachte allerdings am Wochenende die Möglichkeit ins Gespräch, abgelehnte Asylbewerber und andere illegale Immigranten in Drittstaaten abzuschieben, etwa die Türkei. Zudem sollen weitere Abkommen mit diesen Staaten geschlossen werden.

CSU: Kabinettsbeschluss erfüllt einige unserer Forderungen

Die Bundestags-CSU begrüßt den längst überfälligen Kabinettsbeschluss: „Nachdem die SPD ihre drei Monate währende Blockadehaltung aufgegeben hat, konnten in der heutigen Kabinettssitzung endlich weitere wichtige Maßnahmen beschlossen werden. Damit kommen wir dem Ziel, den Flüchtlingszustrom zu steuern und zu begrenzen wieder ein gutes Stück näher“, sagt der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Michael Frieser.

Dies ist die weitreichendste Verschärfung des Asylrechts seit mehr als 20 Jahren.

Michael Frieser, innenpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag

„Die Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsländer um die Maghreb-Staaten und die Einschränkung des Familiennachzugs sind wichtige, von der CSU-Landesgruppe seit langem geforderte Punkte“, so Frieser weiter. Insgesamt handle es sich um die weitreichendste Verschärfung des Asylrechts seit mehr als 20 Jahren, lobt der CSU-Innenpolitiker.

„Wie die Erfahrung mit den Westbalkanstaaten gezeigt hat, wird auch die Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten dazu führen, dass sich die Zahl der Asylanträge aus diesen Ländern deutlich reduziert und damit dringend benötigte Kapazitäten frei werden“, betont Frieser. „Die durch die Bundesregierung auf den Weg gebrachten Maßnahmen schließen sich an eine sehr umfangreiche Reihe von weitgehenden Maßnahmen an, die in den letzten Monaten zur Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung beschlossen wurden. Diese müssen nun zügig umgesetzt werden.“

Derzeit Verhandlungen mit Tunesien

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, Deutschland verhandle derzeit mit Tunesien über kurzfristige Lösungen – jenseits von Rücknahmeabkommen, deren Aushandlung dauere. „Wenn das mit Tunesien gelingt, wird das hoffentlich auch mit den anderen Maghreb-Staaten gelingen“, so Steinmeier.

Der Außenminister betonte, jedes Land sei nach dem Völkerrecht verpflichtet, seine Bürger zurückzunehmen, wenn sie in einem anderen Land kein Aufenthaltsrechtsrecht hätten. Mit den Westbalkanländern Serbien, Kosovo und Albanien sei bereits im vergangenen Jahr vereinbart worden, Staatsbürger auf der Grundlage eines vereinfachten Papieres wieder aufzunehmen.

IW: 50 Milliarden Euro Flüchtlings-Kosten für 2016 und 2017

Nach einer neuen Erhebung drohen in Deutschland die Flüchtlingskosten aus dem Ruder zu laufen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut IW Köln hatte für 2016 und 2017 Kosten von zusammen rund 50 Milliarden Euro prognostiziert und gemutmaßt, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deshalb wieder neue Schulden aufnehmen müsse (der Bayernkurier berichtete). Das Kieler Institut für Weltwirtschaft hatte zuvor bereits Kosten von 55 Milliarden Euro vorhergesagt.

Die Welt mutmaßte jetzt in einer Analyse, dass Schäuble in den kommenden Jahren tatsächlich strukturell sparen müsste, falls er Steuererhöhungen umgehen und gleichzeitig den ausgeglichenen Haushalt einhalten will. In den vergangenen Jahren habe Schäuble nicht wirklich gespart, um die Neuverschuldung auf Null zu drücken, sondern vor allem von den niedrigen Zinsen, der starken Konjunktur, Rekord-Steuereinnahmen und niedriger Arbeitslosigkeit profitiert.

Bislang müssen wir von einem Scheitern Europas sprechen.

Markus Söder (CSU), bayerischer Finanzminister

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) warf der Bundesregierung unterdessen vor, durch ihr Agieren in der Flüchtlingspolitik erheblich zu einer Spaltung Europas beizutragen. „Bislang müssen wir von einem Scheitern Europas in der Flüchtlingskrise sprechen. Weder der Schutz der Außengrenzen funktioniert noch die solidarische Umverteilung von Flüchtlingen in der EU“, sagte Söder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Europa sei in der Flüchtlingspolitik zutiefst gespalten. „Daran hat Deutschland mit seinem Sonderweg der offenen Grenzen leider erheblichen Anteil.“

Unsichere Außengrenzen schädigen Schengen-System am meisten

Die Lage in Europa bezeichnete Söder als „besorgniserregend“. „Schengen ist derzeit außer Kraft, weil sich niemand mehr auf die Kontrolle der EU-Außengrenzen verlassen kann. Daran kann Schengen auf Dauer zugrunde gehen, nicht an vorübergehenden nationalen Grenzkontrollen.“

Eine Obergrenze würde ein dringend notwendiges Signal aussenden.

Markus Söder (CSU), bayerischer Finanzminister

Weiterhin sagte der Minister der FAZ: „Die Festsetzung einer Obergrenze würde das dringend notwendige Signal aussenden, dass Deutschlands Möglichkeiten erschöpft sind und wir nicht mehr jeden aufnehmen werden, der zu uns kommen will.“ Spätestens mit dem Erreichen der Obergrenze müssten alle Flüchtlinge, die aus sicheren Drittstaaten kommen, an der Grenze abgewiesen werden. Die Äußerungen aus der AfD, bei den Abweisungen notfalls Waffengewalt einzusetzen, bezeichnete Söder als „unverantwortlichen Unsinn“.

AfD verschwindet wieder, wenn Flüchtlingsprobleme gelöst sind

Söder nannte die AfD ein „Fieberthermometer“ für die Sorgen der Bevölkerung in der Flüchtlingskrise. „In unserem Land ist aus einer Willkommens- eine tiefgreifende Besorgniskultur geworden“, äußerte Söder. „Die AfD ist nichts anderes als das Fieberthermometer dieser Sorgen. Dieser Spuk wird verschwinden, wenn die Flüchtlingskrise gelöst ist.“

Wir brauchen einen grundlegenden Kurswechsel.

Markus Söder (CSU), bayerischer Finanzminister

Die Äußerung von Kanzlerin Merkel, Flüchtlinge müssten, wenn der Krieg in ihrer Heimat vorbei sei, wieder dorthin zurückgehen, beschreibe die Rechtslage und sei ein „richtiges Signal“, sagte Söder. „Allerdings reicht das nicht aus. Wir brauchen einen grundlegenden Kurswechsel.“  Die Asylpakete I und II seien „von der SPD immer wieder verzögert und verwässert“ worden.

Der bayerische Finanzminister forderte eine „deutlich konsequentere Abschiebung“ von abgelehnten Asylbewerbern aus Deutschland und forderte, die Bundesrepublik solle sich an Schweden ein Beispiel nehmen. Schweden hatte unlängst angekündigt, bis zu 80.000 Flüchtlinge abschieben zu wollen. Zwingend notwendig ist es nach Söders Ansicht, die Asylverfahren „fundamental zu beschleunigen“. „Bisher haben wir es hier mit einem Bürokratieversagen zu tun.“

Kabinett: Jobcenter werden von Bürokratie befreit

Daneben einigte sich das Kabinett darauf, Jobcenter von Bürokratie zu befreien, damit sie Langzeitarbeitslose besser vermitteln können. Das Kabinett billigte einen entsprechenden Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Eine Maßnahme ist, dass Hartz-IV-Leistungen nicht mehr nur für sechs, sondern für zwölf Monate bewilligt werden. Linke und Grüne kritisieren, dass gleichzeitig auch die Sanktionsmöglichkeiten gegen Hartz-IV-Empfänger ausgeweitet werden.

Der Deutsche Städtetag begrüßt, dass Bund und Länder die Leistungen für  Arbeitslosengeld II-Empfänger und ihre Familien einfacher regeln wollen. Ziel sei es, den bürokratischen Aufwand in den Jobcentern zu reduzieren und Klagen vor Gericht zu vermeiden, betonte die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) aus Ludwigshafen: „Die jetzt vorgeschlagenen Änderungen im Sozial­gesetzbuch II sind dringend nötig und helfen, das Recht für Langzeit­arbeitslose zu vereinfachen und verständlicher zu regeln.  Allerdings reichen die Vorschläge noch nicht weit genug. Die Kommunen drängen seit langem auf umfangreichere Änderungen beispielsweise bei den Regelungen zum angemessenen Wohnraum, damit die Kommunen mehr Spielraum bekommen, um die unterschiedlichen Gegebenheiten des lokalen Wohnungsmarktes besser berücksichtigen zu können.“

dpa/FAZ/wog