Die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga lobt im Nationalrat in Bern die Erfolge des eidgenössischen Asylgesetzes und die „Migrationspartnerschaften“ mit einigen der wichtigsten Herkunftsländer. (Foto: EQ Images/imago)
Schweiz

Asylrecht mit interessanten Ideen

In der Schweiz bleibt das Asylrecht bestehen. Ein Antrag der nationalkonservativen SVP auf Aussetzung scheiterte im Parlament. Aus deutscher Sicht sind einige der Schweizer Regelungen besonders interessant: So unterhalten die Eidgenossen sogenannte „Migrationspartnerschaften“ mit Nigeria, Tunesien, Serbien, dem Kosovo und Albanien, was die Asylanträge aus diesen Ländern beträchtlich reduziert.

Mit deutlicher Mehrheit haben Schweizer Abgeordnete eine Aussetzung des Asylrechts abgelehnt. Sie wiesen mit 103 gegen 48 Stimmen einen entsprechenden Vorstoß der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) zurück. In der Debatte des Nationalrats, der großen Kammer des eidgenössischen Parlaments, wurde der Antrag scharf kritisiert.

Nach dem Willen der SVP – der wählerstärksten Partei der Schweiz – sollte die Regierung in Bern mittels Notrecht die Asylgesetze für mindestens ein Jahr teilweise außer Kraft setzen. Während dieser Zeit sollte niemand mehr in Asylverfahren aufgenommen oder als Flüchtling anerkannt werden. Zugleich sollten die Grenzen wieder systematisch und notfalls mit Hilfe der Armee kontrolliert werden.

Zur Begründung erklärte die SVP, die Schweiz nehme seit Jahren überdurchschnittlich viele Asylsuchende auf. Angesichts der großen Fluchtbewegungen in Europa könne auch sie von einem plötzlichen starken Zustrom an Asylsuchenden erfasst werden. Linke Parteien kritisierten den Antrag als „menschenverachtend“. Auch liberale und christdemokratische Politiker distanzierten sich. Die Debatte war vom Wahlkampf überschattet, denn in der Schweiz finden am 18. Oktober Parlamentswahlen statt.

Schweizer Modell: 48-Stunden-Verfahren und „Migrationspartnerschaften“

Für ausländische Beobachter besonders interessant sind einige Details des derzeit gültigen Asylrechts. So achtet die Schweiz sehr auf rasche Verfahren. In Zürich läuft derzeit ein Versuch, binnen 48 Stunden eine Entscheidung zu treffen (der Bayernkurier berichtete). Das hält vor allem Wirtschafts- und Sozialmigranten aus sicheren Herkunftsstaaten fern, erklärte die Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in der Debatte: „Das sogenannte 48-Stunden-Verfahren hat dazu geführt, dass die Asylgesuche aus diesen Staaten massiv zurückgegangen sind.“

Ein weiterer Hinweis der Bundespräsidentin lässt aufhorchen, nämlich das Lob für die seit drei Jahren bestehenden sogenannten „Migrationspartnerschaften“ der Schweiz mit Ländern wie mit Nigeria, Tunesien, Serbien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina. „Wir haben auch die Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten verstärkt. Dazu gehören auch die bestehenden Migrationspartnerschaften, die wir haben mit Nigeria, Tunesien, Serbien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina. Auch diese zeigen beträchtliche Wirkung. Die Asylgesuche aus diesen Staaten sind innerhalb von drei Jahren erheblich gesunken“, sagte Sommaruga.

Migrationspartnerschaften helfen bei Rückführung und Identitätsklärung

Diese „Migrationspartnerschaften“ bieten die Grundlage für einen „institutionalisierten Dialog, der eine breite Palette von Themen umfasst, Vertrauen aufbaut und einen Interessenausgleich ermöglicht“, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) unter Berufung auf eine Studie der „Maastricht Graduate School of Governance“ schreibt. „Erleichterung im Visa-Bereich gegen eine Kooperation bei Rückübernahmen von illegalen Aufenthaltern ist ein Beispiel“, so die NZZ weiter. Der Dialog solle aber auch Themen wie Menschenhandel, Prävention der irregulären Migration oder Bildungsaufenthalte umfassen.

Ein Beispiel: So habe Nigeria dabei mitgeholfen, die Identität von Asylbewerbern zu klären, die ihre Identität verschleiern wollten, so die NZZ. „Der Problemfall Nigeria konnte durch 15 sogenannte Identifikationsmissionen etwas entschärft werden. 93 Prozent der Personen, die ihre Identität vertuschten, konnten so erkannt werden.“ Interessant wäre so eine Partnerschaft gerade aus deutscher Sicht, denn Deutschland scheitert regelmäßig beim Schweizer Partnerland Tunesien mit dem Versuch, dessen Bürger zurückzuschicken. Deutschland gegenüber weigert sich die Regierung in Tunis, eigene Staatsbürger zurückzunehmen, der Schweiz gegenüber offensichtlich nicht (mehr).

Als Effekt der Migrationspartnerschaft ist der Zustrom von Asylbewerbern gerade aus dem Westbalkan nach anfänglichem Anstieg deutlich zurückgegangen, wie Bundespräsidentin Sommaruga erklärt. Laut der Studie der „Maastricht Graduate School of Governance“ wären die 48-Stunden-Schnellverfahren der Schweiz ohne Migrationspartnerschaften mit den Herkunftsländern nicht möglich.

Auch die Schweiz hat ein Umsetzungsproblem

Wie jedoch der ARD-Korrespondent in der Schweiz, Hans-Jürgen Maurus, kommentiert, hat auch das Schweizer Modell seine Schwächen: „Bei der Rückführung von Wirtschaftsflüchtlingen hapert es gewaltig, bei weniger als zehn Prozent der Fälle, die von Gerichten abschlägig beschieden werden, wird der Vollzug auch tatsächlich umgesetzt. Dann helfen aber auch beschleunigte Verfahren nichts.“ Es hapert demnach also auch in der Schweiz in der Praxis an den konsequenten Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber, wie bis vor kurzem auch in fast allen deutschen Bundesländern.

Wegen der Flüchtlingskrise und ihres Widerstands gegen neue Asylzentren hat die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) laut Meinungsforschern unterdessen an Zuspruch gewonnen. Bei der jüngsten „Wahlbarometer“-Umfrage unter 2000 Eidgenossen sei die SVP im August auf 28 Prozent gekommen, teilte das Institut gfs.bern mit – das entspricht einem Zuwachs um 1,9 Prozentpunkte.

dpa/wog