Blick auf die BMW-Welt: Die Automobilindustrie sorgt in Bayern für gute Konjunktur. (Bild: Imago/Blickwinkel)
Bayerische Konjunktur

Wachstum trifft Unsicherheit

Das Weißbierglas ist recht voll - der bayerischen Wirtschaft geht es soweit ganz gut. Das zeigt der Index der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, traditionell dargestellt anhand eines Bierglases. Doch Unsicherheiten und Wahlgeschenke aus Berlin könnten die Konjunktur langfristig schwächen.

Zwar ist die Lage der bayerischen Wirtschaft gut, doch die Unsicherheiten sind groß. So lautet die Einschätzung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Zweimal jährlich berechnet die Vereinigung den „vbw Index“, auch „Weißbier-Index“ genannt. Er verbesserte sich im Vergleich zum Frühjahr 2016 um einen Punkt auf 132 Punkte. Bereits seit zwei Jahren ist der Index stabil. Bei den Teilindizes gab es jedoch Verschiebungen.

Der Lageindex Wachstum legte um 5 auf 141 Punkte zu, der Prognoseindex Wachstum um 4 auf 126 Punkte. Diese Verbesserung sei auf die höheren Erwartungen der Unternehmen zurückzuführen. Der Lageindex Beschäftigung sank um 9 auf 128 Punkte. Der Rückgang dürfe aber nicht überbewertet werden. Die Situation auf dem bayerischen Arbeitsmarkt sei so gut, dass eine Verbesserung immer schwerer wird, erklärte Alfred Gaffal, Präsident der vbw. So setzte sich nach einem Stillstand die positive Entwicklung auf dem bayerischen Arbeitsmarkt im Oktober wieder fort. Der Prognoseindex Beschäftigung stieg um 3 auf 131 Punkte. Grund für die Verbesserung seien die expansiv ausgerichteten Beschäftigungspläne der Unternehmen. Auch die Zahl der offenen Stellen nähme weiterhin zu.

Feiertage kosten Milliarden

Nach einem Wachstum von 3,3 Prozent im ersten Halbjahr 2016 geht die vbw für das Gesamtjahr 2016 von einem Wirtschaftswachstum in Bayern von 2,5 Prozent aus. Damit liegt Bayern an der Spitze der Länder. Bundesweit stieg das BIP um 2,3 Prozent. Im kommenden Jahr wird allerdings mit einem schwächeren Wachstum gerechnet. Der Grund: drei Arbeitstage weniger. Jeder zusätzliche freie Tag kostet 0,1 Prozentpunkte BIP-Wachstum, rund drei Milliarden Euro.

Für das überdurchschnittliche Wachstum in Bayern sorgen mehrere Faktoren. So sind die Exporte im Freistaat stärker gewachsen als bundesweit. Im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent. Das sei vor allem der Automobilindustrie zu verdanken, die kräftig zugelegt habe, sagte Gaffal. Aber auch das Baugewerbe im Freistaat boomt aufgrund der niedrigen Zinsen und des kontinuierlichen Zuzuges. Bayern hat zudem im bundesweiten Vergleich den Arbeitsmarkt mit der höchsten Beschäftigung.

Syrienkonflikt und US-Wahl sorgen für Unsicherheit

Erhebliche Unsicherheiten gibt es aber nicht nur in Deutschland, sondern auch auf den beiden größten Exportmärkten Großbritannien und USA. Beim Thema Brexit sei noch nicht klar, was die Unternehmen wirtschaftlich und politisch erwarte. Das Wahlergebnis in den USA sei zwar ebenfalls ein Unsicherheitsfaktor. Doch Gaffal rät zur Gelassenheit. Noch könne niemand seriös einschätzen, welche seiner Wahlkampf-Ankündigungen der künftige US-Präsident Trump tatsächlich wie umsetzen werde.  

Nichts wird so heiß gegessen, wie gekocht. Trump weiß selbst noch nicht, was er will. Wir warten erst einmal ab, welchen Einfluss die Entwicklungen in Amerika für die bayerische Wirtschaft haben.

Alfred Gaffal, Präsident der vbw

Als weitere Unsicherheitsfaktoren nannte Gaffal das anstehende Verfassungsreferendum in Italien, die weitere Entwicklung in Griechenland, die Situation in der Türkei, den Konflikt in Syrien, die weltweite Bedrohung durch den islamistischen Terror sowie die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen. Gaffal sprach sich für eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland aus – aus Sicht vieler Außenpolitiker wäre das allerdings ein großer Fehler. Die Sanktionen schaden nach Meinung Gaffals nicht nur der russischen, sondern auch der bayerischen Wirtschaft.

Die globalen Konflikte und Probleme lassen sich nur zusammen mit Russland lösen.

Alfred Gaffal

Strompreise gefährden Wettbewerbsfähigkeit

Aber es sind nicht nur die Unsicherheiten, denen die Konjunktur in Bayern trotzen muss. Die vbw kritisierte ebenso innenpolitische Entscheidungen. Sie appellierte kurz vor der Bundestagswahl an die Regierung in Berlin, auf Wahlgeschenke zu verzichten. Durch Leistungsausweitungen bei der Rente oder hohe Strompreise gefährde sie die Wettbewerbsfähigkeit des Landes.

Die Marktpreise an den Strombörsen sinken, aber für die deutschen Stromkunden wird es immer teurer, weil unser Strompreis mit Umlagen, Abgaben und Steuern überfrachtet ist. Wir brauchen endlich eine Strompreisbremse.

Alfred Gaffal

Im ersten Halbjahr 2016 kostete die Kilowatt-Stunde Strom für Industriekunden in Deutschland 12,85 Cent. Nur in Italien mussten die Unternehmen mit 14,06 Cent mehr zahlen. In den anderen Ländern sind die Kosten weitaus niedriger.

„Energiewende ist ein Subventionskarussell“

Laut einer Studie belaufen sich die Gesamtkosten der Energiewende in Deutschland im Strombereich bis zum Jahr 2015 auf über 520 Milliarden Euro. Darunter fallen 400 Milliarden Euro für die EEG-Umlage und weitere 100 Milliarden Euro für Netzentgelte. Deshalb forderte die vbw eine Strompreisbremse, beispielsweise durch eine niedrigere Stromsteuer oder mithilfe eines Streckungsfonds. Er könne die EEG-Umlage deckeln. Langfristig solle die EEG-Umlage komplett abgeschafft werden.

Klimaschutzplan schwächt Standort Deutschland

Den von der Bundesregierung vorgelegten Klimaschutzplan kritisierte der vbw-Präsident. Er gehe in vielen Bereichen deutlich über europäische und globale Einsparziele hinaus. Die Folge: Deutschland werde als Investitionsstandort geschwächt. Den Versuch, die Elektrifizierung als alleinige Antriebstechnik im Straßenfahrzeugbau zu erzwingen, beurteilte die vbw kritisch. Um das Ziel der Klimakonferenz von Paris zu erreichen, sollten nicht Autos mit Verbrennungsmotoren verdammt, sondern die Energieeffizienz gesteigert werden. So seien im Gebäudesektor enorme Einsparpotenziale vorhanden. Doch der Klimaschutzplan sehe keine steuerliche Absetzbarkeit von Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung vor.

Warum heißt der Index auch „Weißbier-Index“?

Offiziell heißt der Weißbier-Index eigentlich vbw-Index. Mit Bier hat er nicht wirklich etwas zu tun. Doch das Auf und Ab der bayerischen Konjunktur lässt nun mal mit einem Weißbierglas ganz gut darstellen: Geht’s uns in Bayern gut, ist das Glas voll. Geht’s mit der Konjunktur runter, ist auch weniger Bier im Glas. Der aktuelle Index zeigt: Das Glas ist recht voll. Der Index ist im Vergleich zum Frühjahr 2016 um 1 Punkt auf 132 Punkte gestiegen. 100 Punkte stehen für den langjährigen Durchschnitt, 200 Punkte sind der Maximalwert.

Dabei fasst der Index insgesamt 31 Ein­zel­daten zusammen. Dazu gehören die Ergebnisse der vbw Konjunkturumfrage Bayern (Befragung von 700 bis 800 Unternehmen durch das IW Köln), Informationen des ifo-Konjunkturtests Bayern und Daten des Statistischen Landesamtes. Auch Daten der Bundesagentur für Arbeit fließen mit ein: die Zahl der Arbeitslosen, der offene Stellen und der Beschäftigten. Die Gewichtung der einzelnen Daten erfolgt entsprechend der Branchengröße und der Bedeutung und Einflussstärke des jeweiligen Indikators. Zu den vier Teilindizes zählen der Lageindex Wachstum, der Prognoseindex Wachstum, der Lageindex Beschäftigung und der Prognoseindex Beschäftigung. Der Gesamtindex ist der Durchschnitt der vier Teilindizes.