Deutsch-Sprachkurs für Flüchtlinge. (Bild: Imago/edp)
Arbeitsmarkt

„Familiennachzug hemmt die Integration“

Wie schwierig der Weg in die Arbeitswelt für Flüchtlinge ist, zeigen die Integrationsprojekte der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Bis Ende des Jahres will sie 20.000 Flüchtlingen einen Platz in der Arbeitswelt bieten – Praktikum, Ausbildung oder Beruf. Doch damit das klappt, ist nicht nur Fachwissen gefragt, auch soziale Aspekte spielen eine entscheidende Rolle.

Für viele junge Flüchtlinge stehen die ersten Sommerferien vor der Tür. Während deutsche Schüler und Azubis eifrig Pläne für ihre freie Zeit machen, heißt es für Flüchtlinge: Deutsch pauken. Denn gute Sprachkenntnisse sind neben umfassenden Kontakten zur deutschen Gesellschaft die Voraussetzungen für Erfolg im Arbeitsmarkt und im Bildungssystem. Für umfassende Zahlen und Statistiken ist es noch zu früh. Weder gibt es Schulabschlüsse noch Jobqualifikationen. Die genaue Zahl der Flüchtlinge an deutschen Schulen kennt beispielsweise niemand. Doch es gibt viele Einzeleindrücke und erste Bilanzen von Integrationsprojekten, die zumindest Tendenzen aufzeigen.

Integration durch Ausbildung und Arbeit: IdA

Das Gemeinschaftsprojekt „IdA 120“, unterstützt von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, sollte Flüchtlingen möglichst rasch eine berufliche Perspektive im Freistaat bieten. Dass es bis dahin ein schwieriger Weg ist, zeigt die Bilanz: 35 von 109 Teilnehmern konnten bis Projektabschluss im März 2016 ein Beschäftigungsverhältnis vermittelt werden. Die Erfolgsquote des Projekts war insgesamt dennoch überdurchschnittlich.

Die bisherigen Erfahrungen bestätigen schon jetzt, dass vor allem Sprache und schneller Kompetenzerwerb und deren enge Vernetzung miteinander die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt sind.

Bertram Brossardt, vbw Hauptgeschäftsführer

Kurzfristig sei ein Einstieg in Arbeit und Ausbildung für nur etwa zehn Prozent der Flüchtlinge möglich, mittelfristig biete sich für die unter 25-jährigen Flüchtlinge Chancen. „IdA 120“ richtete sich an Asylbewerber ab 21 Jahren, die eine hohe Bleibeperspektive in Deutschland haben und über Vorqualifikationen verfügen. So hatten rund ein Viertel einen Hochschulabschluss und knapp zwei Drittel eine Schulbildung von mindestens zehn Jahren. Fast 90 Prozent der Teilnehmer hatten eine Aufenthaltsgenehmigung. Trotz der Vorauswahl brachen 18 Projektteilnehmer vorzeitig ab. Insgesamt kostete „IdA 120“ knapp eine Millionen Euro, pro Person wurden etwa 10.000 Euro investiert.

Mit Turbo in die Ausbildung

Die Erkenntnisse aus „IdA 120“ wurden als Blaupause weiterentwickelt und sind in weitere Initiative eingeflossen. Die vbw hat dazu mit ihren Partnern ein Maßnahmenpaket mit zwölf Einzelprojekten gestartet. Kernstück ist dabei das Projekt „IdA 1000“ und „IdA BayernTurbo“. Damit unterstützt die vbw rund 2.000 Asylbewerber und Flüchtlinge bei der Integration in den Arbeitsmarkt in Bayern. Bei „BayernTurbo“ absolvieren momentan 337 Teilnehmer das Programm, bei „IdA 1000“ nehmen aktuell 655 Flüchtlinge teil. Für die Projekte investiert die vbw rund 6,7 Millionen Euro. Ihr Ziel: bis Ende des Jahres 20.000 Flüchtlingen einen Platz in der Arbeitswelt bieten – sei es ein Praktikum, eine Ausbildung oder einen Beruf. Bis Ende 2019 sollen dann 60.000 Asylbewerber und Flüchtlinge erfolgreich integriert sein. Helfen soll dabei auch die im März 2016 gestartete Plattform www.sprungbrett-intowork.de. Dort sind aktuell 317 Praktikumsplätze von Unternehmen für Flüchtlinge eingestellt.

„Jetzt geht der Job erst richtig los“

Für 12.000 Geflüchtete konnte die Bundesagentur für Arbeit in den ersten sechs Monaten Brücken in den bayerischen Arbeitsmarkt bauen. Davon fanden etwa 7.000 einen Platz durch „IdA 1000“ und „Bayern Turbo“. Wichtig sei jetzt, Menschen, die oftmals im Helferbereich eine erste Beschäftigung gefunden haben, Möglichkeiten der Weiterbildung im Betrieb zu eröffnen, sagt Markus Schmitz, Geschäftsführer der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit.

Jugendliche Geflüchtete, die eine Ausbildung aufnehmen, müssen wir auch während der Ausbildung auf dem Weg zum erfolgreichen Abschluss weiter unterstützen. Jetzt geht unser Job erst richtig los.

Markus Schmitz, Geschäftsführer der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit

Familiennachzug hemmt die Integration

Damit Integration funktioniert, sind aber nicht nur Sprachkenntnisse und Fachqualifikationen wichtig. Zuwanderer sollten möglichst nicht unter sich bleiben, sondern Freundschaften zur deutschen Bevölkerung knüpfen und das hiesige Verständnis von Religion akzeptieren. Das sagt Ruud Koopmanns, Leiter der Abteilung Migration im Wissenschaftszentrum in Berlin, im Interview mit der Welt. Als Beispiel für eine nicht erfolgreich gelungene Integration nennt er beispielsweise die starke Orientierung der Türken auf ihr Herkunftsland. So verbringen sie viel Zeit in der eigenen Gruppe, was ihre Chancen sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im Bildungssystem verschlechtere. Wenn Familien nachziehen, werde das Problem zusätzlich verstärkt.

Die ersten Gastarbeiter, die vor 50 Jahren nach Deutschland kamen, lebten hier eher modern und fanden Anschluss. Als die Familien nachzogen und sich damit Gemeinschaften bildeten, wurden aus den modernen Männern plötzlich konservative Familienväter.

Ruud Koopmanns, Leiter der Abteilung Migration im Wissenschaftszentrum in Berlin

„Integrationsgesetz müsste strenger sein“

Dass Deutschland Zuwanderung braucht, davon ist sowohl Koopmanns als auch Brossardt überzeugt. Aber nur wenn ein Migrant erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert wird, profitiert die Gesellschaft davon. Damit das klappt, will die Bundesregierung mit dem neuen Integrationsgesetz Flüchtlinge dazu verpflichten, Deutsch zu lernen.

Das Gesetz erleichtert Asylbewerbern den Einstieg in Ausbildung und Arbeit und gibt den Unternehmen Rechtssicherheit. Allerdings ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, warum die Zeitarbeit nur befristet geöffnet werden soll.

Bertram Brossardt, vbw Hauptgeschäftsführer

Auch für Koppmanns geht das neue Gesetz in die richtige Richtung, aber nicht weit genug geht. Besser wäre es, einen erfolgreichen Abschluss zu fordern. Entscheidend aber sei, dass bei Misserfolg auch Rückführungen erfolgen – unter der Voraussetzung, dass die Situation im Herkunftsland wieder sicher ist. Dazu müsse die politische Bereitschaft da sein, Abschiebungen durchzusetzen. Doch daran habe es in der Vergangenheit oft gemangelt.

(Quellen: vbw/Welt/Zeit/AS)