Alfred Gaffal, Präsident der vbw. (Bild: Anja Schuchardt)
Bayerische Wirtschaft

Ampeln auf rot

Alarmstufe rot für Bayerns Wirtschaft. Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand sieht die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) in Deutschland in Gefahr. Präsident Alfred Gaffal warnt vor der aktuellen Scheinkonjunktur. Er fordert weniger soziale Wohltaten, ein energiepolitisches Gesamtkonzept und die Begrenzung des Flüchtlingszustroms.

Mindestens 55 Milliarden Euro werde Deutschland die Bewältigung der Flüchtlingskrise in diesem Jahr kosten. Hinzu komme, dass niedrige Energiepreise und Zinsen sowie ein starker Euro zu einer „konsumgetriebenen Scheinkonjunktur“ führen. Alfred Gaffal, Präsident der Bayerischen Wirtschaft, malt bei seiner Zwischenbilanz zur Agenda 2020 ein düsteres Bild für die Zukunft. Gaffal prognostiziert, dass Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, sollte die Politik nicht anfangen „endlich Wirtschaftspolitik zu machen“.

Statt Wirtschaftspolitik haben wir bisher fast nur die Ausweitung sozialer Wohltaten, zusätzliche Belastungen und Bürokratie für die Wirtschaft gesehen.

Alfred Gaffal, vbw Präsident

Die Zahlen zeigen, dass Bayern als Wirtschaftsstandort an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Seit 2000 ist das Anlagevermögen der bayerischen Industrie im Inland nur um 14 Prozent gewachsen, also rund ein Prozent pro Jahr. Im gleichen Zeitraum hat sich aber der Direktinvestitionsbestand im Ausland verdoppelt (plus 103 Prozent).

Bei der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Bundesregierung stellt die vbw die Ampeln auf „rot“. „Die negativen Auswirkungen von Mindestlohn und Rentenpaket werden nach und nach sichtbar. Statt den Sozialstaat weiter aufzublähen, sollte die Bundesregierung den Arbeitsmarkt flexibilisieren und in Forschung und Entwicklung investieren“, so Gaffal.

Nur 10 Prozent der Flüchtlinge können integriert werden

Vor allem die Integration von über einer Million Flüchtlinge stellt das Land vor enorme Herausforderungen. So können schätzungsweise nur zehn Prozent der Flüchtlinge kurzfristig in den Arbeitsmarkt integriert werden. Diese Annahme stützt sich auf empirische Daten der Bundesagentur für Arbeit und auf das Programm „IdA – Integration durch Ausbildung und Arbeit“. Seit Juni 2015 haben mithilfe des Programms gerade einmal 14 von 100 Teilnehmern kurzfristig – das heißt befristet auf ein bis zwei Jahre – eine Arbeitsstelle gefunden. Zudem fordert Gaffal, dass die Möglichkeit der Zeitarbeit für Flüchtlinge einfacher wird. Hier werde von Seiten der Politik gebremst. Der Grund: Es gibt Befürchtungen, dass weniger Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt noch mehr Flüchtlinge anlocken könnten und die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern.

Menschen verlieren Vertrauen

Gaffal betonte, dass die Menschen ihr Vertrauen in die Flüchtlingspolitik verloren haben. Das zeige sich im Erfolg der Partei Alternative für Deutschland (AfD) bei den Landtagswahlen.

Bei dem Wahlergebnis der AfD wird mir angst und bang. Das ist das Ergebnis einer unzufriedenen Wählerschaft, die den Weg nicht mehr mitgehen will.

Alfred Gaffal, vbw Präsident

Die Integration von Asylbewerbern – sowohl in die Gesellschaft als auch in den Arbeitsmarkt – kann laut Gaffal nur gelingen, wenn der Zustrom begrenzt wird. „Zudem brauchen wir dringend eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa und ein abgestimmtes Konzept zu den Grenzkontrollen, das den freien Warenfluss innerhalb der EU absichert.“ Eine Ausweitung der deutschen Grenzkontrollen sei für ihn keine Lösung. Die Aussetzung des Schengen-Raums wäre nicht nur mit einem erheblichen Schaden für die bayerische und die deutsche Wirtschaft verbunden, sondern würde auch die europäische Einheit gefährden.

Wanted: Energiepolitisches Gesamtkonzept

Die Energiewende läuft laut Gaffal nach wie vor holprig: „Sie hat Belastungen für die Gesellschaft von rund 30 Milliarden pro Jahr gebracht. Und noch immer wird ohne Gesamtplan nur bei Anlass und Bedarf entschieden.“ Die hohen Strompreise – eines der Probleme der Energiewende – werden durch staatlich veranlasste Kosten wie EEG-Umlage, Netzentgelte, Stromsteuer und Umlagen für abschaltbare Lasten nach oben getrieben. Deshalb plädiert Gaffal für ein energiepolitisches Gesamtkonzept unter anderem für Förderungen, Netzausbau und Umbau der Energieversorgung.

Lob für Bundesverkehrswegeplan

Positiv bewertet der vbw Präsident den von Bundesverkehrsminister Dobrindt vorgelegten Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans. „Gut ist, dass Projekte jetzt klar priorisiert werden. Wo besonders große Engpässe bestehen, muss vorrangig gebaut werden.“

Der Bundeshaushalt sieht für 2016 über eine Milliarde Euro mehr vor als für 2015. Es sind jedoch rund 300 Milliarden Euro Investitionen in den Aus- und Neubau von Verkehrswegen bis 2030 nötig. Um die Finanzierung der überalterten Verkehrsinfrastruktur zu verbessern, forderte Gaffal, die Pkw-Maut einzuführen. Die Zufahrt zum Brennerbasistunnel auf der Schiene und die dritte Startbahn am Flughafen München gehören auch zu Gaffals Schlüsselprojekten, um Internationalisierung voranzutreiben.

Gaffal steckt ständig in Funklöchern

Beim Thema Mobilfunk waren sich sowohl Gaffal, als auch Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw, einig. Sind sie in Bayern unterwegs, stecken sie ständig in Funklöchern. Ein Mastenprogramm soll deshalb auf den Weg gebracht werden. Gaffal appellierte hier an die Kommunen, passende Standorte zu finden und zu genehmigen. Beim Breitbandausbau sieht der vbw Präsident durch das Förderprogramm der Staatsregierung von 1,5 Milliarden Euro Bayern auf einem guten Weg.

Agenda 2020

In der Agenda 2020, eine Richtschnur der vbw, gibt der Verein Handlungsempfehlungen für die Politik, um die Wettbewerbsfähigkeit von Bayern und Deutschland zu erhalten und weiter auszubauen. Ihr Ziel ist mehr Beschäftigung und Wohlstand. Dazu wurden fünf Kernbereiche definiert, die für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft von zentraler Bedeutung sind.