Schmale Grenze zwischen Überwachungsstaat und notwendigem Schutz der Bürger: Videoüberwachung der Polizei am Kölner Hauptbahnhof. (Bild: Imago/C.Hardt/ Future Image)
Datenschutz

Zwischen Sicherheit und Freiheit

Bei der Landesversammlung des Arbeitskreises Juristen der CSU drehte sich alles um den Datenschutz im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit. Landtags-Fraktionschef Thomas Kreuzer wurde als Landesvorsitzender einstimmig wiedergewählt.

Für den erkrankten Thomas Kreuzer übernahm Regina Resch die kurze Vorstellung der hochkarätigen Gäste, bevor es gleich in die Diskussion ging. Moderatorin Kea-Sophie Stieber von der Hanns-Seidel-Stiftung wies darauf hin, dass das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit den Gesetzgeber schon seit Jahrzehnten beschäftigt, der Datenschutz dagegen noch ein relativ junges juristisches Fachgebiet ist.

Innenminister Herrmann warnt vor Nachlässigkeit

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte, seiner Meinung nach sollte man gar nicht „allzu viel Gegensatz konstruieren“. Aus seiner Sicht gebe es hier eine gute Kooperation der Sicherheitsbehörden mit den Datenschützern. „Wir haben einen großartigen Rechtsstaat, eine vorbildliche Demokratie, vorbildliche Freiheiten“, lobte Herrmann. „Wir müssen daran arbeiten, das Vertrauen der Menschen in diese Freiheiten zu erhalten.“ Es brauche dafür einen starken Staat, der aber kein Selbstzweck sein dürfe. Datenschutz dürfe aber auch nicht zum Täterschutz werden: „Da, wo es in der Bekämpfung des Terrorismus weitere Herausforderungen gibt, müssen wir auch weiter konsequent handeln“, forderte der Minister.

Welchen Sinn hat es denn, dass der Bundesverfassungsschutz Informationen sammelt?

Joachim Herrmann, Bayerischer Innenminister

So sehe der Freistaat weiteren Handlungsbedarf beim Verfassungsschutz. Aber alle bayerischen Anträge seien von den SPD-regierten Ländern abgelehnt worden, während einzelne Anträge etwa von Hessen und Baden-Württemberg mitgetragen wurden, die von schwarz-grünen beziehungsweise grün-schwarzen Regierungen gesteuert werden. Das zeige auch, wie ernsthaft das neue Interesse der SPD für die Innere Sicherheit sei. Als Beispiel nannte er den Antrag, die Altersgrenze für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz abzuschaffen. „Bisher haben wir keine Kinder beobachten müssen“, schilderte Herrmann. „Aber heute ist das anders: 2016 hat eine 14-Jährige am Hauptbahnhof Hannover einen Bundespolizisten fast totgestochen und in Ludwigshafen hat ein 12-jähriger ganz ernsthaft und professionell einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt vorbereitet. Dann ist doch völlig klar, das wir hier im islamistischen Bereich handeln müssen. Es kann doch nicht sein, dass wir sagen, die beobachten wir nicht.“

Es gebe hier auch Probleme mit dem Trennungsgebot des Bundesverfassungsgerichts für Polizei und Verfassungsschutz, das eigentlich nirgendwo im Grundgesetz stehe. „Welchen Sinn hat es denn, dass der Bundesverfassungsschutz Informationen sammelt?“, fragte Herrmann. „Wenn eine Person die Grenze zur Gewalt überschreitet, dann ist es doch Sinn der Sache, dass der Verfassungsschutz das nicht nur beobachtet, sondern der Polizei meldet und zwar so früh wie möglich.“ Am besten schon, wenn schon Indizien vorliegen, dass er gewalttätig werden könnte. „Denn wenn etwas passiert, dann haben wir doch ein allgemeines Geschrei, wieso haben die das nicht weitergemeldet?“, warnte der Minister. Sogar die Ergebnisse des NSU-Ausschusses besagten, dass der Informationsausschuss erheblich intensiviert werden müsse, aber die beiden letzten Urteile des Bundesverfassungsgerichts sagten „genau das Gegenteil“.

Islamisten, so steinzeitlich ihre Ansichten und Methoden sonst auch sein mögen, arbeiten mit der allermodernsten Technik.

Joachim Herrmann

Ein anderes Spannungsfeld zum Datenschutz sei natürlich die Technik, Videoüberwachung, Kommunikationsüberwachung und anderes. Herrmann machte aber klar: „Islamisten, so steinzeitlich ihre Ansichten und Methoden sonst auch sein mögen, arbeiten mit der allermodernsten Technik.“ Ähnliches gelte im Feld der Cybersicherheit. Hier müsse man auf Augenhöhe.

Datenschutzbeauftragter: Verhältnismäßigkeit ist wichtig

Der Bayerische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Thomas Petri stimmte Herrmann einerseits zu: „Ohne eine Mindestmaß an Sicherheit gibt es keine individuelle Freiheit.“ Er stellte aber die Gegenthese auf: „Ohne individuelle Freiheit gibt es auch keine Demokratie.“ Individuelle Freiheit bedeute, „dass ich mich nicht immer im Mehrheitsspektrum bewegen muss. Wenn wir das nicht wollen, nicht fördern, dann schaden wir der Demokratie“, warnte Petri.

Politiker sehen Datenschutz eher als bürokratisches Hemmnis, das die effektive Strafverfolgung ausbremst.

Thomas Petri, Bayerischer Datenschutzbeauftragter

Politiker sähen Datenschutz „eher als bürokratisches Hemmnis, das die effektive Strafverfolgung ausbremst“. Datenverarbeitung spiele aber eine immer größere Rolle in unserer Gesellschaft. „Junge Leute können fast nicht mehr die Finger von ihren Smartphones lassen. Das ist ein menschliches Grundbedürfnis, dem müssen wir gerecht werden. Das sieht das Grundgesetz als Funktionsvoraussetzung für die freiheitliche Demokratie“, so Petri weiter. Er formulierte drei Leitlinien für neue Gesetze: Orientierung am geltenden Recht, Transparenz und Normenklarheit, Verhältnismäßigkeit.

„Bedeutet denn ein hochgefährlicher 12-Jähriger, dass man alle Minderjährigen erfasst, die mal eine Dummheit oder eine verdächtige Bemerkung geäußert haben?“, fragte der Datenschützer und gab gleich die Antwort: „Junge Menschen dürfen in Verfassungsschutzdateien nichts verloren haben, das muss die Regel sein.“ Zum Thema Videoüberwachung meinte Petri, die binde Personal, sei ein Hase- und Igel-Spiel und setze auch rechtstreue Bürger unter Überwachungsdruck.

Der Praktiker

Alfons Zehentner, Kriminaldirektor und Leiter des Führungsstabes im BLKA, erwähnte den bekannten Fall des „Autobahnschützen“, der wahllos auf andere Fahrzeuge geschossen hatte. Hier sei der Ermittlungserfolg nur durch eigene stationäre Videoüberwachung an Autobahnen möglich gewesen. „Diese Daten lagen auch in der Mautdatenerfassung vor, die dürfen wir aber nicht nutzen“, erklärte Zehentner. Der Grund: Datenschutz. Hier ist klar das Spannungsfeld zwischen dem Leben weiterer potenzieller Opfer und dem Datenschutz ersichtlich.

Täter scheren sich nicht um örtliche Zuständigkeitsgrenzen von Polizeibehörden.

Alfons Zehentner, Leiter des Führungsstabes im BLKA

Durch Digitalisierung und Internet gebe es ständig neue Möglichkeiten für Kriminelle, warnte der LKA-Mann und forderte: „Wir müssen darauf genauso zugreifen können, wie auf Tatortspuren wie DNA oder Fingerabdrücke!“ Das neue Gesetz erlaube zehn Wochen lang die Speicherung der Rufnummern und IP-Adressen, Zeitpunkt und Dauer von Gesprächen sowie für vier Wochen die Standortdaten. Ausgenommen sind E-Mails. „Wir Praktiker brauchen zum Beispiel IP-Adressen etwa bei den Ermittlungen gegen Kinderpornografie ganz besonders“, so Zehentner. „Das ist oft der einzige Ansatzpunkt, um den Tätern auf die Spur zu kommen. Ebenso bei Wohnungsdiebstahl oder Enkeltrickbetrug. Standortdaten sind hier ganz wichtig.“ Das gelte übrigens auch beim Thema islamistischer Terrorismus. „Erst Verbindungsdaten setzen uns in die Lage, Hintermänner zu ermitteln.“ Der Kriminalbeamte forderte auch die Nutzung von Datenbanken und besseren Informationsaustausch. „Täter scheren sich nicht um örtliche Zuständigkeitsgrenzen von Polizeibehörden.“

Kein „Big Brother“

Videoüberwachung sei seiner Erfahrung nach ein wichtiges Instrument nicht nur repressiver, sondern auch präventiver Natur. Es führe immer öfter zur raschen Identifizierung der Täter. Die Gesichtserkennung sei schon sehr weit fortgeschritten. „Die biometrischen Daten eines Gesichts sind genauso vielfältig wie Fingerabdrücke.“ Das könnte man beispielsweise auch an Flughafen- oder Bahnhofseingängen installieren, um von vornherein Gefährder zu erkennen. Die Gefahr eines Big Brother-Staates sehe er nicht. „Wir können schon aufgrund unserer beschränkten personellen Ressourcen gar nicht so gefährlich für den Bürger werden“, sagte Zehentner.

Neuwahl: Kreuzer bestätigt

Bei der Neuwahl des Landesvorstandes des Arbeitskreises Juristen wurde erneut Thomas Kreuzer zum Landesvorsitzenden gewählt, einstimmig. Auch seine drei Stellvertreter Dr. Regina Resch, Bernhard Ring und Prof. Dr. Kyrill Schwarz wurden in ihren Ämtern bestätigt sowie der Schatzmeister Florian Amslinger. Kassenprüfer bleiben Markus Ihle und Christoph Oberhauser.

Die Delegierten verabschiedeten noch vier Anträge für den nächsten CSU-Parteitag. Einer will das Hawala-Banking über Mittelsmänner wieder als schwere Straftat einstufen, weil es viele Schleuser nutzen. Der zweite Antrag fordert die einheitliche Erfassung von biometrischen Daten und Fingerabdrücken bei der Ersteinreise im Geltungsbereich der Dublin-Abkommen, den Abgleich dieser Daten bei jedem ausländer- und asylrechtlichen Verfahren sowie die Strafbarkeit der Verschleierung der echten Personalien. Nummer drei fordert eine Einschränkung des dauerhaften Bleiberechtes für Asylberechtigte über die Niederlassungsfreiheit erst nach fünf Jahren und nur, wenn jemand seinen Lebensunterhalt ohne Hilfe des Sozialstaats bestreiten kann. Der vierte Antrag fordert eine Beschränkung des Waffenrechts, um sogenannte „Reichsbürger“ besser vom Waffentragen ausschließen zu können.