Fingerzeig: Horst Seehofer im Dialog mit der Basis. (Foto: CSU)
Basisdialog

Vier Stunden konstruktiv-kritischer Austausch

Es war die dritte Station des Basisdialoges von CSU-Chef Horst Seehofer im vollbesetzten Veranstaltungsforum in Fürstenfeldbruck. Seehofer machte klar, dass es dem Freistaat sehr gut gehe. Damit dies so bleibe, müsse man eine Agenda für die Zukunft Bayerns aufstellen und Ideen sammeln. „Das ist der Sinn des Basisdialogs“, so Seehofer. „Wir wollen wissen, wie Sie die Dinge sehen.“

„Bayern blüht – Bayern geht’s sehr gut. Bayern ist etwas Einmaliges und Einzigartiges“, sagte Seehofer eingangs. Aber niemand dürfe sich auf seinen Lorbeeren ausruhen. „Der Erfolg für die kommenden Wahlen wird jetzt gelegt. Was jetzt falsch gemacht wird, kann man im Wahljahr nicht mehr korrigieren.“ Bundestagswahl 2017, Landtagswahl 2018, Europawahl 2019, Kommunalwahlen 2020 und dann schon wieder die nächste Bundestagswahl – das sind die Stationen. Dann rief der Parteichef die anwesenden CSU-Mitglieder humorvoll zur Fragerunde auf: „Es heißt ja so oft: Wenn ich den mal seh, werd‘ ich ihm die Meinung geigen. Heute ist das erlaubt!“

Zentrales Thema: Flüchtlingspolitik

Die Gäste ließen sich nicht lange bitten. In vielen Beiträgen der etwa 500 Anwesenden kam die Sorge über die Flüchtlingskrise zum Ausdruck. „Jetzt müssen Taten folgen, nur Reden kommt nicht mehr an“, hieß es da. Die Sorge der Anwesenden drehte sich auch um die Ansichten und Traditionen der Flüchtlinge, beispielsweise wenn es um die Gleichberechtigung der Frau geht.

Bayern hat in der Zuwanderungspolitik eine sehr differenzierte Antwort gegeben. Humanität, Integration und Begrenzung sind die Grundlagen unserer Asylpolitik.

Horst Seehofer

Seehofer machte klar: „Bayern hat in der Zuwanderungspolitik eine sehr differenzierte Antwort gegeben. Humanität, Integration und Begrenzung sind die Grundlagen unserer Asylpolitik“, sagte der Parteivorsitzende. Die CSU sei nicht gegen Zuwanderung, „sondern für eine gesteuerte Zuwanderung mit Maß und Mitte“. Eine unbegrenzte Zuwanderung nach Deutschland könne es aber nicht geben: „Kein Land auf der Welt kann jährlich mehr als eine Million Menschen aufnehmen“, so Seehofer unter lautstarkem Beifall. Da helfe es auch nicht, wenn US-Präsident Obama Deutschland lobe, dass es auf der richtigen Seite stehe, und am nächsten Tag verkünde er, dass die USA gerade einmal 10.000 Flüchtlinge aufnehmen wollten. „So viele Menschen kamen bei uns im Herbst an einem Tag an!“, machte Seehofer deutlich.

Die Menschen sollen mit uns leben, nicht neben uns oder sogar gegen uns.

Horst Seehofer

Bei denjenigen, die in Deutschland bleiben dürften, sei eine zielgerichtete Integration wichtig. „Deshalb machen wir ein Bayerisches Integrationsgesetz, in dessen Zentrum unsere Leitkultur steht“, so Seehofer. „Die Menschen sollen mit uns leben, nicht neben uns oder sogar gegen uns.“ Nicht verhandelbar nannte er diese Bedingung. Das klappe in Bayern besser als anderswo, denn hier gebe es keine „Ghetto-Bildung“ mit Parrallelgesellschaften wie in Duisburg, Berlin oder Bremen.

Bundeskanzlerin hat Wende vollzogen

Auch eine Spitze an die Kanzlerin konnte sich Seehofer nicht verkneifen: „Ihre Politik hat sich doch längst geändert, auch wenn sie das öffentlich nie zugeben wird.“ Und fuhr in Bezug auf all die CSU-Vorschläge, die zuerst verteufelt und dann umgesetzt wurden, fort: „Sie müssen in Deutschland nur so lange eine Idee vertreten, bis sie kommt.“ Zugleich warnte der CSU-Chef, dass der bevorstehende Familiennachzug neue Probleme für Deutschland mit sich bringen werde. „Besorgniserregend“ nannte er die Tatsache, dass zehntausende Flüchtlinge einfach verschwunden seien, aus den Unterkünften oder während des Transports durch Ziehen der Notbremse im Zug.

EU sollte sich um die großen Dinge kümmern

Im vollbesetzten Saal in Fürstenfeldbruck wurde auch die zunehmende Enttäuschung der Bevölkerung über die EU deutlich. Diese müsse endlich in Bewegung kommen und die großen Dinge anpacken, anstatt permanent für neue, unnötige Bürokratie zu sorgen. Die Gründerväter der EU hätten bei der Gründung der EU eine andere Idee gehabt, eine versöhnende, Frieden stiftende. Diese Idee müsse wieder in den Mittelpunkt gestellt werden, dann wachse auch wieder die Zustimmung in der Bevölkerung. Der aktuelle Rechtsruck in vielen EU-Staaten müsse eine deutliche Warnung sein.

Die EU soll sich nicht um die DIN-Norm eines Staubsaugers kümmern, sondern um die großen Handlungsfelder und Probleme Europas.

Horst Seehofer

Die AfD ist nach Meinung von Horst Seehofer nicht nur durch die verfehlte Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel erstarkt, auch Fragen der nationalen Identität, der inneren Sicherheit, der Familienpolitik und nach ideellen Werten müssten beantwortet werden.

Diskussion um die Rente

Heiß diskutiert wurde das Thema Rente, allgemein und speziell die Themen Mütterrente, Altersarmut sowie der Vergleich West- und Ostrenten. Nachdem die rot-grüne Bundesregierung Anfang der 2000er Jahre ein Absinken des Rentenniveaus beschlossen hatte, sollten im Gegenzug die Menschen ihre private Vorsorge stärken. Das Problem: Das machten viel zu wenige. Der CSU-Chef warnte darum:

Wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerung keine private Vorsorge macht und das Rentenniveau weiter absinkt, dann besteht für viele die Gefahr der Altersarmut.

Horst Seehofer

Deshalb müsse man jetzt überlegen, wie man das System am besten reformiere. Klar sei jedoch: „So wie es ist, kann es nicht bleiben. Wir brauchen eine nachhaltige, vernünftige Lösung“, so Seehofer.

Kritik an TTIP-Geheimverhandlungen

Ein Landwirt machte klar, wie schwierig die Situation für die Bauern derzeit ist und welche Konkurrenz aus Übersee durch TTIP drohe: „Die Amerikaner haben viel größere Flächen, die können viel aggressiver produzieren. Da geht der Preisverfall weiter!“ Dies würden viele der kleinen bayerischen Höfe nicht überleben. Seehofer kritisierte die Intransparenz, mit der die Verhandlungen beim Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) geführt würden. Gleichzeitig habe der Freistaat mit seiner exportstarken Wirtschaftsstruktur grundsätzlich ein Interesse an Handelsabkommen, insbesondere vor dem Hintergrund eines immer dichteren Welthandels und einer immer härteren internationalen Konkurrenz. Dies könne jedoch nicht bedeuten, dass die bewährten bayerischen und deutschen Standards im Verbraucherschutz abgesenkt würden: „Dinge, die nur den Amerikanern nutzen, machen wir nicht mit. Wenn unsere Interessen ausreichend berücksichtigt werden, dann werden wir es mittragen“, so Seehofer.

Länderfinanzausgleich vor Lösung?

Einer der Anwesenden bemerkte, dass der Länderfinanzausgleich einst geschaffen wurde, um die unterschiedlichen Startbedingungen der Bundesländer auszugleichen. Das sei aber jetzt nicht mehr der Fall. „Jetzt alimentieren die gut regierten Länder die schlecht regierten. Das ist ein Fehlanreiz, der beendet werden muss!“ Der Parteivorsitzende zeigte sich zuversichtlich, dass es eine Entlastung für Bayern beim Länderfinanzausgleich geben werde: „Es gibt eine Vereinbarung der Länder. Diese würde Bayern um 1,3 Milliarden Euro entlasten“, so Seehofer. Momentan befinde man sich hierüber in Verhandlungen mit dem Bund. „Ich bin guter Dinge, dass wir das hinbekommen. Der Länderfinanzausgleich darf Faule nicht belohnen.“

Dauerthema Maut

Zur Pkw-Maut und den darum schwelenden Streit mit der EU gab Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt einen Einblick in die Tücken und Interessen von Brüssel. Im Zuge der Ablehnung der deutschen Maut habe er zu EU-Kommissionspräsident Juncker gesagt, die EU habe „gegen die britische LKW-Maut vor drei Jahren nichts unternommen, mitsamt der gleichen Kfz-Steuer-Senkung wie jetzt in Deutschland geplant. Und was war da das Ergebnis? Die EU eröffnete sofort ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien.“ Diese Inkonsequenz zeige, dass hier reine Interessenpolitik im Spiel sein. Das größte Transitland Europas ist eben Deutschland. „Ich bin jetzt an den Gardasee gefahren, habe Pickerl und Brennermaut gezahlt. Ich zahle das gerne, wenn die Straßen sicher und in gutem Zustand sind“, sagte Dobrindt unter lautem Beifall. „Und mit der gleichen Selbstverständlichkeit erwarte ich das auch für Deutschlands Straßen.“

Hohes Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit

Weitere Themen waren die Innere Sicherheit, die Politikverdrossenheit („Warum sagen alle der Staat und die Politiker? Warum nicht mein Staat und meine Politiker?“), die Krise der Landwirtschaft, der Lehrermangel, die Jungwähler, die Pflege, Erbschaftssteuer, Entwicklungshilfe, die Digitalisierung, der Mittelstand, bezahlbarer Wohnraum für Familien allgemein und speziell für Familien mit mehr als drei Kindern („Ich habe Kollegen, die zahlen mehr als 60 Prozent ihres Gehaltes allein für Miete!“), die Bildung, der Klimawandel, die Nullzinspolitik von EZB-Chef Draghi, die Kronprinzendebatte in der CSU („das nervt!“) sowie die dritte Startbahn am Münchner Flughafen.