Die CSU will Zweifel an der Besteuerung der Renten ausräumen. (Bild: imago images / Arnulf Hettrich)
Rentensteuer

„Wir wollen, dass es gerecht zugeht“

Nach der juristischen Kritik eines Bundesfinanzrichters an der derzeitigen Rentenbesteuerung fordert die CSU die Überprüfung der von SPD-Kanzler Schröder eingeführten Reform. Eine Doppelbesteuerung müsse gegebenenfalls korrigiert werden.

Der Freistaat Bayern fordert vom Bund eine Überprüfung der derzeitigen Rentenbesteuerung. „Wir wollen, dass es gerecht zugeht“, sagte Josef Zellmeier (CSU) am Donnerstag im Landtag in München. Mit breiter Mehrheit stimmten die Parlamentarier für einen Antrag, der von der Bundesregierung eine Überprüfung verlangt.

Wir wollen, dass es gerecht zugeht.

Josef Zellmeier, CSU

Die Kritik eines Richters

Der Antrag geht zurück auf eine Kritik von Egmont Kulosa, Richter am Bundesfinanzhof (BFH). Auch wenn am BFH Urteile von fünf Richtern gesprochen werden: Kulosa ist stellvertretender Vorsitzender des „für Alterseinkünfte und -vorsorge“ zuständigen zehnten BFH-Senats. Und er hatte jüngst in einem Kommentar für einen juristischen Fachdienst die Rentenbesteuerung als verfassungswidrig bezeichnet.

Die im Jahr 2005 in Kraft getretene Reform der Rentenbesteuerung hält der Richter für in Teilen missraten. Als „evidente Verfassungswidrigkeit“ wertete er insbesondere die bis 2040 geltenden Übergangsregelungen für die steuerliche Entlastung von Arbeitnehmern und die Belastung als Rentenempfänger, weil diese zu einer steuerlichen Doppelbesteuerung führen.

Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hatte 2002 die unterschiedliche Besteuerung von Renten und Pensionen für verfassungswidrig erklärt und eine Gleichbehandlung gefordert, bei der aber eine doppelte Besteuerung vermieden werden müsse. Der Staat dürfe seine Bürger nicht zweimal zur Kasse bitten: bei den Beiträgen an die Rentenkassen während des Erwerbslebens und dann ein zweites Mal bei der Auszahlung der Renten.

Rentenreform mit Übergangsregeln

Es folgte unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder eine Reform: Bis 2005 galt bei der Einkommensteuer noch der Freibetrag von 50 Prozent der Rente – besteuert wurde also nur die Hälfte der Rente. Seit 2005 gilt die sogenannte nachgelagerte Rentenbesteuerung. Die Zahl der steuerpflichtigen Rentner stieg seitdem kontinuierlich um zunächst jährlich zwei Prozentpunkte. Bei Neurentnern des Jahres 2019 werden es schon 78 Prozent der Altersbezüge sein, die steuerpflichtig sind. Ab 2040 werden die gesetzlichen Renten dann komplett besteuert.

Es bedarf keiner komplizierten mathematischen Übung, (…) eine Zweifachbesteuerung nachzuweisen.

Egmont Kulosa, BFH-Richter

Im Gegenzug können seit 2005 Rentenbeiträge mehr und mehr vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden. Bis 2025 werden die Beiträge für den Aufbau einer Altersversorgung dann steuerfrei sein. Das Problem sind nun die unterschiedlichen Übergangsfristen bis 2025 und bis 2040. Kulosa sagte zu diesem Punkt: „Es bedarf keiner komplizierten mathematischen Übung, um bei Angehörigen der heute mittleren Generation, die um 2040 in den Rentenbezug eintreten werden, eine Zweifachbesteuerung nachzuweisen.“ Und weiter: „Denn diese Personen werden ihre Rentenbezüge in vollem Umfang versteuern müssen, können ihre Beiträge aber nur 15 Jahre lang – von 2025 bis 2039, und auch dann nur bis zum Höchstbetrag (…) – ohne prozentuale Beschränkung abziehen.“

Zum besseren Verständnis, was das bedeutet: Wer ab 2040 in Ruhestand geht, muss seine Rente bis zum Lebensende voll versteuern. Voll entlastet aber wird er bei seinen vorher geleisteten Vorsorgeaufwendungen nur maximal 15 Jahre lang, nämlich ab 2025 eben bis zu seinem Renteneintritt 2040. Vor 2025 hatten diese Rentner aber aus ihrem bereits versteuerten Einkommen Beiträge in die Altersvorsorge eingezahlt. Betroffen sind besonders stark Rentner ab den 1970er Geburtsjahrgängen. Erst Arbeitnehmer, die ab 2025 das Arbeiten und damit das Einzahlen in die Rentenversicherung beginnen, werden nicht mehr doppelt besteuert.

CSU sieht Änderungsbedarf

Zellmeier betonte, dass eine solche Kritik eines hochrangigen Richters nicht ignoriert werden dürfe. Sollte Kulosas Einschätzung zutreffend sein und es eine „systematische Benachteiligung“ bei der Besteuerung von Renten für bestimmte Personen- und Altersgruppen geben, „dann ist das zu korrigieren“. Die CSU werde als Mitglied der Bundesregierung auch im Bund darauf pochen.

Rentenbesteuerung

Gerade erst wurde bekannt, dass im kommenden Jahr voraussichtlich weitere 51.000 Rentnerinnen und Rentner erstmals Steuern zahlen müssen. Damit werden dann 2020 insgesamt rund 5,12 Millionen Senioren steuerpflichtig sein – fast jeder vierte Rentner. 2018 überwiesen die Rentner rund 33 Milliarden Euro an Finanzminister Olaf Scholz.

Ruheständler sind steuerpflichtig, sobald ihre Einkünfte über dem Freibetrag von 9168 Euro pro Jahr liegen (Stand 2019, im Jahr 2020 sind es 9408 Euro). Dazu zählen alle Einkünfte, also neben der gesetzlichen Rentenversicherung auch Einnahmen aus privater Vorsorge, Mieten, Dividenden oder Zinsen. Seit 2012 wird die Altersgrenze für den Bezug der gesetzlichen Rente schrittweise von 65 auf 67 Jahre im Jahr 2031 angehoben. Doch das wird laut Experten nicht reichen, weil ab Mitte der 2020er Jahre die geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter erreichen.

Die Angst vor Altersarmut ist groß in Deutschland: Jeder Zweite hat einer Umfrage der Deutschen Bank mit Unterstützung des Meinungsforschungsinstituts Ipsos zufolge diese Sorge – doch für die private Vorsorge fehlen nach eigener Einschätzung 47 Prozent der Befragten die Mittel. Nur 17 Prozent der 3200 Befragten von 20 bis 65 Jahren erwarten der Umfrage zufolge aus der gesetzlichen Rente im Alter eine ausreichende Versorgung. 70 Prozent glaubten dagegen, dass aus dieser Quelle nur eine Grundversorgung kommen werde. 54 Prozent der Befragten erwarten sogar, dass das gesetzliche Rentensystem über kurz oder lang zusammenbrechen wird. Die Deutsche Rentenversicherung hat andere repräsentative Befragungsergebnisse: 72 Prozent der Bevölkerung sahen danach die gesetzliche Rentenversicherung als ideale Form der Altersvorsorge an.