Der Solidaritätszuschlag wird weitgehend abgeschafft. (Bild: imago images/Sven Simon)
Steuern

Der Soli wird abgeschafft

Die meisten Bundesbürger müssen ab 2021 keinen Solidaritätszuschlag mehr zahlen. Die Abgabe wird für rund 90 Prozent der Zahler abgeschafft, wie der Bundestag jetzt beschloss.

Ab 2021 müssen die meisten Bundesbürger keinen Solidaritätszuschlag mehr zahlen. Die Abgabe wird für rund 90 Prozent der Zahler abgeschafft, wie der Bundestag nun beschlossen hat. Weitere 6,5 Prozent sollen ihn noch teilweise entrichten, je höher das Einkommen, desto mehr. Nur die reichsten 3,5 Prozent werden weiterhin voll zur Kasse gebeten.

Zeichen des Erfolges

Der Abbau sei möglich, weil die Deutsche Einheit weit vorangekommen sei, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in Berlin. Die weitgehende Reduzierung sei „auch ein Zeichen des Erfolges des Zusammenwachsens in Deutschland“.

Der Soli war als Sondersteuer vor allem für den Aufbau Ostdeutschlands nach der Wende eingeführt worden. Er beträgt 5,5 Prozent der Körperschaft- und Einkommensteuer, insgesamt brachte er dem Staat im vergangenen Jahr 18,9 Milliarden Euro ein. Durch den Teil-Abbau nimmt der Bund ab 2021 rund 10,9 Milliarden Euro weniger ein. Das Geld war – wie alle Steuereinnahmen – nicht zweckgebunden und floss in den Bundeshaushalt ein. Es wurde also nicht direkt etwa in neue Straßen oder Schwimmbäder in den ostdeutschen Bundesländer gesteckt.

Eine Familie, die überhaupt keinen Soli mehr zahlen muss, kann nach Berechnungen des Münchner ifo-Instituts je nach Einkommen und Lebenssituation mehr als 1500 Euro im Jahr sparen. Auch wer noch einen Teil-Soli zahlen muss, kann mehrere Hundert Euro sparen. Wer sehr wenig verdient, profitiert allerdings kaum – weil er nach Angaben des Finanzministeriums schon heute keinen oder nur wenig Soli zahlt.

Volle Entlastung

Für wen künftig noch Soli fällig wird, kann man nur ungefähr sagen, da es bei der Einkommensteuer unterschiedliche Freibeträge etwa für Kinder oder verheiratete Paare gibt. Laut Finanzministerium wird eine Familie mit zwei Kindern in etwa bis zu einem Jahresbruttolohn von 151.000 Euro voll entlastet, Singles bis zu einem Jahresbruttolohn von rund 73.000 Euro. Besonders Steuerzahler mit mittleren Einkommen profitieren.

Die größte Steuerentlastung seit vielen, vielen Jahren.

Olav Gutting, CDU

Der CDU-Abgeordnete Olav Gutting sprach in der Debatte von der „größten Steuerentlastung seit vielen, vielen Jahren“. Die Streichung erfolge ohne jegliche Gegenfinanzierung, es werde nicht versteckt an anderer Stelle erhöht. Nach Ansicht der Union ist die Teil-Abschaffung aber nur ein erster Schritt hin zu einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags in der nächsten Legislaturperiode. Dies sei eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit. „Dieser Frage muss sich auch der Koalitionspartner stellen“, sagte Gutting. Denn an der SPD ist die vollständige Abschaffung gescheitert.

Spitzenverdiener zahlen weiter

Scholz verteidigte, dass die Spitzenverdiener weiter zahlen müssen. Eine Entlastung hoher Einkommen wäre nicht gerecht, sagte er. Steuerzahler mit hohen und sehr hohen Einkommen müssten dazu beitragen, dass öffentliche Aufgaben finanziert werden könnten. Eine vollständige Abschaffung auch für die einkommensstärksten zehn Prozent der Bevölkerung würde laut Finanzministerium zusätzlich fast 11 Milliarden Euro kosten.

Die SPD-Abgeordnete Wiebke Esdar sagte, Spitzenverdiener wie Topmanager würden zu Recht nicht entlastet. VW-Chef Herbert Diess verdiene 127 mal so viel wie die VW-Beschäftigten. Dagegen profitierten von der weitgehenden Soli-Abschaffung Berufsgruppen wie Dachdecker, Gärtner, Kranken- und Altenpfleger, Busfahrer und Erzieher: „Es ist ein Gesetz für die vielen, nicht für die wenigen.“

Juristische Hürden

Erwartet werden zahlreiche Klagen von den  Betroffenen, die weiter Soli zahlen müssen. Ihre juristischen Chancen werden allgemein als gut bewertet, da diese Abgabe nur noch für Teile der Bevölkerung aus verschiedenen Gründen als fragwürdig bewertet wird. Einer der Gründe: Da der Solidarpakt zur Unterstützung der ostdeutschen Bundesländer Ende 2019 ausläuft, dürfe danach auch kein Soli mehr verlangt werden, sagen Juristen.

FDP-Fraktionsvize Christian Dürr kritisierte zudem, der Mittelstand werde nicht entlastet – und das in einem Konjunkturabschwung. Aus der Wirtschaft kam ähnliche Kritik. Vor allem Unternehmer, Selbstständige, aber auch gut verdienende Facharbeiter würden weiter belastet, sagte der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven.

Der Soli

Das Finanzministerium hat einige Rechenbeispiele für die neue Regelung vorgelegt:

SINGLES: Ledige sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer zahlen ab 2021 keinen Soli mehr, wenn sie im Jahr nicht mehr als etwa 73.000 Euro brutto verdienen. Bis zu einem Einkommen von 109.000 Euro fällt nur noch ein Teil ab, wer mehr verdient, zahlt wie bisher.

FAMILIEN OHNE KINDER: Hier kommt es darauf an, ob beide Partner verdienen oder nur einer. Ein zusammen veranlagtes kinderloses Ehepaar, bei dem nur ein Partner verdient, wird bis zu einem Bruttolohn von etwa 136.000 Euro voll entlastet und bis rund 206.000 Euro teilweise. Wenn beide gleich viel verdienen, muss bis zu einem gemeinsamen Bruttolohn von rund 148.000 Euro kein Soli gezahlt werden. Ab etwa 219.000 Euro Jahresbruttolohn fällt der volle Zuschlag an.

FAMILIEN MIT KINDERN: Auch hier kommt es darauf an, ob beide Elternteile verdienen oder nicht. Bei einer Familie mit Alleinverdiener und zwei Kindern liegt die untere Grenze bei einem Bruttojahreslohn von circa 152.000 Euro, bis 221.000 Euro fällt nur ein Teil-Soli an. Wenn beide Eltern gleich viel verdienen, zahlen sie bis zu einem gemeinsamen Bruttojahreslohn von rund 164.000 Euro keinen Soli mehr, ab 234.000 Euro fiele er dann wieder voll an.

SELBSTSTÄNDIGE HANDWERKER: Nach Rechnung des Ministeriums sind 88 Prozent der zur Einkommensteuer veranlagten Gewerbetreibenden vom Soli befreit. Das sind etwa 370.000 Personen, zum Beispiel selbstständige Handwerker. Weitere 27.000 müssen zumindest nicht mehr die volle Summe zahlen.

UNTERNEHMEN: Wer eine GmbH betreibt und dafür Körperschaftssteuer zahlt, ist von der Reform ausgenommen – das kritisiert etwa der Steuerzahlerbund.

SPARER: Auch wer gut verzinste Sparguthaben hat, muss auf Kapitaleinkünfte unter Umständen weiter Soli zahlen – nämlich dann, wenn er mehr als 801 Euro Zinsen im Jahr einstreicht. Das betrifft vor allem alte Verträge – denn heutzutage sind die Zinsen deutlich niedriger.

(dpa/BK)