Schauplatz des Reformationsjubiläums in Bayern: Die Sebalduskirche in Nürnberg mit Jubiläumsbanner. (Foto: Wolfram Göll)
Reformation

Demokratie braucht aktive Christen

Mit einem festlichen Gottesdienst und einem feierlichen Staatsakt in Nürnberg hat Bayern der Reformation vor 500 Jahren gedacht. Im Mittelpunkt stand die Bedeutung des Christentums für das Gemeinwesen sowie die ökumenische Versöhnung.

Ein Festgottesdienst in St. Sebald, ein feierlicher Staatsakt im Alten Rathaussaal, beides in voller Länge live im BR-Fernsehen übertragen – und noch dazu ein farbenfrohes historisches Reformations-Bürgerfest in der Nürnberger Altstadt: Der Rahmen des offiziellen 500. Reformationsjubiläums in Bayern hätte nicht prunkvoller und würdiger sein können.

Die Gästeliste signalisierte die Bedeutung des Ereignisses: Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Alt-Ministerpräsident Günther Beckstein, die Staatsminister Markus Söder, Joachim Herrmann und Ludwig Spaenle, Bezirkstagspräsident Richard Bartsch, Bayerns evangelischer Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, gleichzeitig Ratsvorsitzender und höchster Repräsentant der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), der katholische Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, der Griechische Orthodoxe Erzpriester Apostolos Malamoussis und viele weitere Repräsentanten des politischen, kirchlichen und kulturellen Lebens in Nürnberg, Franken und Bayern waren gekommen.

Als Christen schulden wir unserem Gemeinwesen Mitwirkung und Verantwortung.

Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister

Im Mittelpunkt der Reden stand die Bedeutung der aktiven Christen für das bayerische Gemein- und Staatswesen sowie die Freude über die ökumenische Aussöhnung zwischen den einst verfeindeten Konfessionen. „Demokratie braucht echte Christen“, betonte Bayerns Innenminister Herrmann, der in Vertretung von Ministerpräsident Horst Seehofer beim Staatsakt im Alten Rathaussaal sprach. „Wir brauchen Menschen, die sich einsetzen, für andere da sind, sich ehrenamtlich engagieren.“ Dieser Gedanke der öffentlichen Verpflichtung des Christentums wie auch die „typisch deutsche“ Arbeitsethik und der sprichwörtliche Fleiß gehe ganz entscheidend auf Martin Luther und die Reformation zurück, sagte Herrmann. „Als Christen schulden wir unserem Gemeinwesen Mitwirkung und Verantwortung.“

Reformation: Gewaltiges Ereignis für ganz Europa

Herrmann erinnerte an die Streitigkeiten zwischen Protestanten und Katholiken früherer Jahrzehnte und lobte die ökumenische Aussöhnung, die seither geschafft wurde: „Noch vor 50 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass die evangelische Kirche einen katholischen Erzbischof zum Reformationsjubiläum einlädt. Und der Bischof wäre wohl auch nicht gekommen“, so Herrmann schmunzelnd. Der Innenminister nannte die Reformation ein „gewaltiges Ereignis für Deutschland und Europa“ und Martin Luther eine „Jahrhundert-, wenn nicht sogar eine Jahrtausendgestalt“. Mit der Reformation sei das freie Denken in die Geschichte eingekehrt – „aber leider auch die Glaubensspaltung“.

Zum ersten Mal seit 500 Jahren feiern wir ein solches Jubiläum in ökumenischem Geist. Dafür kann man nur dankbar sein.

Heinrich Bedford-Strohm, Bayerns evangelischer Landesbischof

Kultusminister Ludwig Spaenle erinnerte an wichtige Schauplätze der Reformationsgeschichte in Bayern: Das Augsburger Bekenntnis von 1530, das auf dem dortigen Reichstag dem Kaiser Karl V. vorgelegt wurde und auf das die lutherischen Pfarrer noch heute bei der Ordination schwören. Weiter erinnerte Spaenle an die dem Augsburger Bekenntnis zugrundeliegenden „Schwabacher Artikel“ von 1529, die „Memminger Artikel“ der protestierenden Bauern von 1525, die mehrfach die Konfession wechselnde Oberpfalz, das früher pfalzgräfliche und lange Zeit protestantische Neuburg/Donau, das „bayerische Rom“ Dillingen, aber auch in neuerer Zeit das erste ökumenische Pfingsttreffen 1971 und die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999, beide in Augsburg – und schließlich 2010 der Zweite Ökumenische Kirchentag in München.

Bischöfe demonstrieren ökumenische Freundschaft

Der Grundton der Ausführungen der Bischöfe Bedford-Strohm und Schick war konfessionell versöhnlich und von ökumenischem Geist erfüllt. „Zum ersten Mal seit 500 Jahren feiern wir ein solches Jubiläum in ökumenischem Geist. Dafür kann man nur dankbar sein“, erklärte Bedford-Strohm. Er erinnerte an Luthers reformatorische Grundgedanken, vor allem die Lehre von der Rechtfertigung des sündigen Menschen allein durch den Glauben an Jesus Christus. Christus selbst habe – so die lutherische Rechtfertigungslehre – durch seinen Tod am Kreuz und seinen Sieg über den Tod die Sünden der Menschen bereits getilgt. Daraus folgt in Luthers Lehre die Ablehnung der damals bestimmenden Werke-Theologie, die besagte, dass der Mensch seine Erlösung durch gute Werke verdienen müsse – mithin auch durch den Kauf von kirchlichen Ablassbriefen.

Ich muss mir die Liebe Gottes gar nicht erarbeiten, indem ich mein moralisches Punktekonto so weit wie möglich nach oben bringe.

Landesbischof Bedford-Strohm erklärt Luthers Rechtfertigungslehre

Wie Bedford-Strohm ausführte, habe die Entwicklung der Rechtfertigungslehre Martin Luther selbst befreit von seinem gewaltigen innerlichen Druck, Gott aus eigener Kraft irgendwie gerecht werden zu müssen. „Wenn das stimmt, dann eröffnet sich eine neue Welt. Ich muss mir die Liebe Gottes gar nicht erarbeiten, indem ich mein moralisches Punktekonto so weit wie möglich nach oben bringe“, so Bedford-Strohm.

Doch auch heute noch gebe es vielerlei vergleichbaren Zwang, so der Landesbischof. Diese falschen Götter hießen heute nur anders, beispielsweise der Schlankheitswahn. Verstöße gegen dessen Vorschriften würden nicht umsonst als „Diät-Sünden“ bezeichnet. Dieser falsche Gott treibe vor allem junge Mädchen dazu, sich buchstäblich zu Tode zu hungern, so Bedford-Strohm. Eine Rückbesinnung auf die „befreiende Erkenntnis: ich bin bereits befreit, weil ich Gottes Geschöpf bin“, wäre da sehr hilfreich.

Katholischer Erzbischof würdigt Luthers reformatorisches Grundanliegen

Ebenso warnte der Landesbischof vor einer moralischen Überheblichkeit beispielsweise der Flüchtlingshelfer oder der ökologisch-korrekten Radfahrer und Konsumenten von fair gehandelten Produkten: „Wir handeln falsch, wenn wir für moralisches Handeln eintreten und das ankommt als Moralismus. Wenn wir für Flüchtlinge kämpfen und manche verstehen es dann als moralischen Anspruch. Das bringt die Menschen in Rechtfertigungsdruck“, so Bedford-Strohm.

Luthers Grundanliegen war es, Kirche und Gesellschaft wieder zu Gott hinzuführen und damit zu reformieren.

Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg

Erzbischof Schick betonte, die Christen feierten das Reformationsjubiläum 2017 gemeinsam als „Christusjubiläum“. Nicht nur, weil sich das gehöre in Zeiten der „ecclesiastical correctness“, so Schick schmunzelnd. „Sondern weil das Jubiläum wichtig ist, jetzt und in Zukunft.“ Das Jubiläum fordere dazu auf, dass „alle Christen an Christus denken und ihn hochjubeln“. Luthers Grundanliegen sei es gewesen, Kirche und Gesellschaft wieder zu Gott hinzuführen und damit zu reformieren, würdigte der Erzbischof den Reformator.