„Wir müssen die Sorgen der Bürger ernst nehmen“
Die Rufe nach einem Kurswechsel in der Flüchtlingsfrage werden immer lauter. Bundesinnenminister de Maizière weist darauf hin, dass Migration auch eine "dunkle Seite" habe - und liegt damit auf einer Linie mit Verkehrsminister Dobrindt. Dieser betont, es reiche nicht aus, der Welt "ein freundliches Gesicht" zu zeigen. Und auch auf europäischer Ebene wird laut über nationale Lösungen nachgedacht.
Asylpolitik

„Wir müssen die Sorgen der Bürger ernst nehmen“

Die Rufe nach einem Kurswechsel in der Flüchtlingsfrage werden immer lauter. Bundesinnenminister de Maizière weist darauf hin, dass Migration auch eine "dunkle Seite" habe - und liegt damit auf einer Linie mit Verkehrsminister Dobrindt. Dieser betont, es reiche nicht aus, der Welt "ein freundliches Gesicht" zu zeigen. Und auch auf europäischer Ebene wird laut über nationale Lösungen nachgedacht.

Angesichts der anhaltenden Andrangs von Flüchtlingen nach Europa hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) dazu aufgerufen, Sorgen und Ängste der einheimischen Bevölkerung ernst zu nehmen und die Zuwanderung zu begrenzen. „Migration hat auch ihre dunkle Seite“, sagte der Minister am Rande einer UN-Veranstaltung zur Flüchtlingskrise in Genf. „Sie kann zu Konflikten führen und man ist damit konfrontiert, dass das Fremdartige als bedrohlich empfunden werden kann.“

Fairness gegenüber der eigenen Bevölkerung

De Maizière war Hauptredner einer Tagung des Weltkirchenrates mit UN-Hilfsorganisationen zu den Herausforderungen der Flüchtlingssituation. Obwohl man als Christ gerne jedem Menschen in Not helfen wolle, wisse man, „dass wir nicht unbegrenzt Barmherzigkeit üben können, jedenfalls nicht in der Form, dass wir jeden aufnehmen, der hier Schutz sucht, ohne uns selbst und unsere Gesellschaft zu opfern“, betonte der Innenminister. Die Fairness gegenüber der eigenen Bevölkerung und jenen in Not gebiete es, Unterschiede zu machen zwischen jenen, die vor Kriegen fliehen und anderen, die der Armut entkommen wollen.

Reduzierung unbedingt notwendig – Appell an die Türkei

Die Zahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge müsse unbedingt reduziert werden, forderte der Minister. „Angesichts der enormen Zahlen von potenziellen Migranten in Afrika und Asien glaube ich, dass es einfach nicht darstellbar ist, alle zu akzeptieren, die auf der Suche nach einem besseren Leben in Europa sind“, sagte de Maizière – und sieht dabei auch den Partner Türkei in Pflicht. Von Ankara erwarte Deutschland, dass das Land mehr gegen die illegale Zuwanderung nach Europa unternehme. Konkret solle bei den deutsch-türkischen Konsultationen am 22. Januar über das weitere Vorgehen diskutiert werden.

Dobrindt: „Werden um Grenzschließungen nicht herumkommen“

Zur Reduzierung der Migration müsse zudem der Schutz der EU-Außengrenzen mit Hilfe der Grenzagentur Frontex intensiviert werden, so der Innenminister. Nachdem das aber bislang nur unzureichend funktioniert, ziehen immer mehr Politiker auch wieder nationale Grenzsicherungen in Betracht – unter anderem de Maizières Kabinettskollege Alexander Dobrindt. In einem Interview mit dem Münchner Merkur sagte der Verkehrsminister, man müsse sich darauf vorbereiten, dass man um Grenzschließungen nicht herumkomme. „Wir müssen das mit den anderen Ländern auf der Reiseroute der Flüchtlinge zügig absprechen“, sagte der CSU-Politiker.

Wir werden um Grenzschließungen nicht herumkommen.

Alexander Dobrindt

Kritik an EU

Dobrindt warf der EU vor, Deutschland mit dem Flüchtlingsproblem alleinzulassen. „Wer von einer Koalition der Willigen redet zur Bewältigung dieser Krise, muss auch die Realität benennen: Es gibt bei dem Thema längst einen Pakt der Unwilligen gegen uns.“ Man brauche eine schnelle Veränderung der Situation – „im Wissen, dass das Auswirkungen auch auf das Ansehen Deutschlands in Europa haben kann“, sagte Dobrindt. „Es reicht jetzt aber nicht mehr aus, der Welt ein freundliches Gesicht zu zeigen.“

Oettinger fordert besseren Schutz der EU-Außengrenzen

Auf europäischer Ebene geht die Diskussion um den richtigen Umgang mit dem Flüchtlingsstrom weiter. Digitalkommissar Günther Oettinger (CDU) etwa fordert in einem Interview mit der „Welt“ zunächst die konsequente Wiedereinführung des Dublin-Abkommens. Es sei richtig, dass Deutschland in einer Notlage im vergangenen Jahr das Abkommen faktisch außer Kraft und Flüchtlinge ohne Registrierung ins Land gelassen habe. „Das aber muss jetzt beendet werden“, betonte Oettinger. „Es werden alle verlieren, wenn wir jetzt nicht gemeinsam dafür sorgen, dass die Außengrenzen wirksam geschützt werden und mehr Mittel für die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen in ihren Heimatregionen zur Verfügung gestellt werden. Eine Grenzschließung hält der CDU-Mann aber für die falsche Lösung. „Deutschland muss alles tun, um Schengen und die Freizügigkeit in Europa zu erhalten“, so Oettinger.

Leider haben die deutsche Politik und auch die Öffentlichkeit hier viel zu lange die Augen verschlossen.

Günther Oettinger

Die Menschen kämen nach Deutschland, „weil das Asylrecht im Vergleich zu anderen europäischen Ländern attraktiver ist“, stellte der Kommissar fest. „Leider haben die deutsche Politik und auch die Öffentlichkeit hier viel zu lange die Augen verschlossen.“ Nun mache man alle paar Wochen Asylrechtsreformen und baue so die materiellen Vorteile ab. Einie Harmonisierung der materiellen und der verfahrensrechtlichen Grundlagen in der EU sei daher „absolut sinnvoll“. Ansonsten werde jeder, der nach Europa komme, weiterhin am liebsten nach Deutschland gehen.