Mehr Wohnungen sind notwendig: Baukräne im Arnulfpark in München. (Bild: Imago/Ralph Peters)
Bayerischer Städtetag

„Bezahlbare Wohnungen sind seit langem Mangelware“

Viele Städte in Bayern haben mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zu kämpfen. Die Staatsregierung kurbelt deshalb bereits den Wohnungsbau an. Nun fordert auch der Bayerische Städtetag noch mehr finanzielle Mittel dafür - vor allem vom Bund. In der Realität scheitert Wohnungsbau an vielen Hürden, wie sich aktuell in Fürstenfeldbruck zeigt.

Vor der Sitzung des Bayerischen Städtetags in München am Montag wurde schon bekannt, dass die Möglichkeiten der Kommunen begrenzt seien. In vielen Orten, wie den Zentren des Flüchtlingsproblems in Bayern, darunter Rosenheim, Passau, Freilassing oder Traunstein, sind die Möglichkeiten sogar schon ausgereizt. Hinzu kommen steigende Ausgaben der Kommunen durch immer mehr Flüchtlinge. Sie brauchen unter anderem mehr sozialen Wohnraum, mehr Personal, mehr Kita-Plätze, mehr Schulen und vieles andere.

Bezahlbare Wohnungen sind seit langem Mangelware, die Wartelisten sind lang. Der Zuzug von Flüchtlingen und Asylbewerbern bringt zusätzlichen Druck auf den Wohnungsmarkt.

Ulrich Maly, Präsident des Bayerischen Städtetags

Nach Angaben des Bayerischen Sozialministeriums befanden sich Ende Oktober rund 121.000 Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber in Bayern. Etwa 62 Prozent davon sind in Privatwohnungen und dezentralen Einrichtungen untergebracht, für die die Kreisverwaltungsbehörden, also die Landratsämter, zuständig sind. Und der Andrang lässt nicht nach: Bis Ende Oktober wurden bereits 54.412 Asylanträge in Bayern gestellt. Vor allem in München, aber auch in Regensburg, Augsburg und Teilen Nürnbergs ist der Wohnraum bereits jetzt knapp und darum teuer. Diese Situation dürfte sich also noch deutlich verschärfen (der Bayernkurier berichtete). „Vor allem in Universitätsstädten und Ballungsräumen drängt die Wohnungsnot immer mehr. Bezahlbare Wohnungen sind seit langem Mangelware, die Wartelisten sind lang. Der Zuzug von Flüchtlingen und Asylbewerbern bringt zusätzlichen Druck auf den Wohnungsmarkt. Wir brauchen Mittel, um die Wohnungsnot zu lindern“, warnte jetzt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly.

Lob für den Wohnungspakt Bayern

Der Ausbau des Angebots an preiswertem Wohnraum ist nach Ansicht der Städte unerlässlich für das Miteinander in der Stadtgesellschaft. „Der von der Staatsregierung vorgestellte Wohnungspakt Bayern ist ein wichtiger und richtiger Schritt“, lobte Maly. Dieser Wohnungspakt will 28.000 neue staatlich finanzierte oder geförderte Mietwohnungen bis 2019 schaffen und schafft dringend benötigte Übergangskapazitäten (der Bayernkurier berichtete). „Die Aufstockung der Mittel für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum auf nun insgesamt 2,6 Milliarden Euro aus Bundes- und Landesmitteln ist zwar positiv“, schränkte der Städtetagspräsident ein. „Dies entspricht dem Fördervolumen für die Wohnraumschaffung für Spätaussiedler in den 1990er Jahren. Seit damals sind aber die Preise und Baustandards gestiegen. Mit dem heutigen Fördervolumen können nur halb so viele Wohnungen wie vor 25 Jahren gebaut werden. Deshalb fordert der Bayerische Städtetag vor allem vom Bund eine weitere Erhöhung der Fördermittel.“

Es geht nicht allein darum, anerkannte Flüchtlinge mit Wohnraum zu versorgen. Die Bemühungen müssen allen Menschen helfen, die günstige Wohnungen brauchen.

Ulrich Maly

Letztlich falle das Problem der Wohnungssuchenden auf die kommunale Ebene. „Nachdem ein Asylbewerber anerkannt ist, muss er aus der Gemeinschaftsunterkunft ziehen und braucht eine Wohnung. Zuständig ist dann das Rathaus“, erklärte Maly. Können sich Bürger selbst nicht am Wohnungsmarkt versorgen, droht allerdings die Obdachlosigkeit. „Das Sofortprogramm muss zu einem Präventionsprogramm gegen Obdachlosigkeit fortentwickelt werden“, fordern daher die Kommunen. Programme zur Wohnbauförderung dürfen sich zudem nicht auf einzelne Personengruppen beschränken, denn dies würde die Gefahr von Ghettobildung mit sich bringen. Stabile Quartiere funktionierten nur mit einer breiten Durchmischung von allen gesellschaftlichen Schichten. Dafür sei ein geordneter Städtebau nötig. „Es geht nicht allein darum, anerkannte Flüchtlinge mit Wohnraum zu versorgen. Die Bemühungen müssen allen Menschen helfen, die günstige Wohnungen brauchen. Integration funktioniert über Wohnen und Gemeinschaft, nicht durch Aufteilung in Menschen, die schon lange da sind, und Menschen, die neu kommen“, so der Nürnberger OB.

Noch mehr Wohnungen notwendig

Genau deshalb hat der Ministerrat das kommunale Förderprogramm auch für alle Bedürftigen geöffnet (der Bayernkurier berichtete). „Es müssen mehr Wohnungen neu gebaut werden. Deshalb müssen echte Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben werden, da Zinsvergünstigungen angesichts niedriger Marktzinsen keinen Anklang finden“, so die Forderung des Bayerischen Städtetags. Mit dem Vergabevorbehalt für anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber wurden erstmals echte Zuschüsse im Rahmen der staatlichen Wohnraumförderung gewährt.

In vielen Städten stehen kaum mehr freie Flächen zur Verfügung.

Ulrich Maly

Der Wohnungspakt Bayern weitet die Zuschussförderung auf alle bedürftigen Bürger aus. Ohne Förderung des sozialen Wohnungsbaus lässt sich ein niedriges Mietniveau wegen hoher Grundstückspreise und der vielen Anforderungen wie Barrierefreiheit und Energieeinsparung nicht mehr realisieren. Hohe Standards ziehen hohe Baukosten nach sich, so dass zu wenig bezahlbare Mietwohnungen neu gebaut werden. Maly will eine Absenkung der bürokratischen und gesetzlichen Standards: „In vielen Städten stehen kaum mehr freie Flächen zur Verfügung. Der Bund muss prüfen, ob die Auflagen zum Lärmschutz noch zeitgemäß sind, um Wohnraum etwa an Sportplätzen schaffen zu können. Es ist zu prüfen, ob so mancher Standard, so wichtig er aus Sicht von Naturschutz oder Energieeinsparung sein mag, zumindest vorübergehend ausgesetzt oder gesenkt werden könnte. Denn wir müssen die Verfahren beschleunigen, um rasch Wohnungen bauen zu können.“ Änderungen des Planungs- und Immissionsschutzrechts müssten die Baulandmobilisierung erleichtern. „Wir müssen alles, was an geeigneten Flächen vorhanden ist, für den Wohnungsbau mobilisieren. Fläche, Baupreis, Finanzierungskosten: Diese Parameter müssen so gesteuert werden, dass am Ende ein Mietpreis steht, den Senioren, Alleinerziehende, junge Familien, Geringverdienende und anerkannte Flüchtlinge zahlen können – möglichst ohne soziale Transferleistungen“, sagte der Städtetagspräsident.

Integration nicht vergessen

Bei aller gebotenen Eile zur Schaffung dringend gesuchter Wohnungen dürfe jedoch der Integrationsaspekt nicht vergessen werden. „Programme der Städtebauförderung haben sich bewährt bei der Wiederherstellung stabiler Quartiere, sie müssen nun auch proaktiv für die soziale Stabilisierung der Wohnviertel eingesetzt werden. Man darf nicht erst abwarten, bis sich ein Quartier zum Problemquartier auswächst, sondern muss präventiv planen. Hierfür ist eine neue Denklogik der Städtebauförderung nötig, die bislang erst dann eingreifen kann, wenn etwas schief gelaufen ist“, mahnte Maly. In neuen Wohnvierteln müsse die Entwicklung von Anfang an mit integrationsfördernden Maßnahmen begleitet werden: Soziale Kontakte würden im Wohnumfeld wachsen, hier träfen sich Nachbarn und tauschten sich aus, hier öffne sich ein Raum für interkulturellen Austausch und gründe sich die Basis für ein einvernehmliches Zusammenleben.

In der Realität scheitert Wohnungsbau an vielen Hürden

Wie schwierig neue Wohneinheiten zu bauen sind, besonders in und um Großstädte herum, zeigt sich aktuell im Kreis Fürstenfeldbruck. Der Landkreis hat unter dem Druck des Flüchtlingsansturms versucht, ein interkommunales Wohnungsbaukonzept zu erarbeiten. Allein für dieses Jahr bräuchte der Kreis 1020 Wohnungen für die Flüchtlinge, die in Fürstenfeldbruck bleiben werden. Woher die kommen sollen, weiß Landrat Thomas Karmasin nach eigenen Angaben nicht. Einige Kommunen beteiligten sich gar nicht an dem Konzept, dies war eine erste Schwierigkeit. An der Weiterentwicklung des Plans sollen alle Beteiligten, also auch Bürger, Kommunen und ein Planungsbüro, mitwirken. Immerhin kam bei den 23 teilnehmenden Kommunen heraus, dass der Landkreis über Baulandreserven für rund 11.500 Wohnungen, also für etwa 23.000 Menschen, verfügt. Theoretisch.

Das Potenzial für den Wohnungsbau ist gering.

Thomas Karmasin, Landrat von Fürdtenfeldbruck

Doch dann holt die Realität das Wunschdenken ein: Entweder ist die Gemeinde schon beinahe vollständig zugebaut oder die Grundstücksbesitzer wollen nicht verkaufen. Andere Gemeinden begrenzen ihren Bevölkerungszuwachs, dazu kommen Naturschutzgebiete, Abstandsregelungen zum Nachbargrundstück, beschränkte Geschoss- und Grundflächenzahlen, und eine der Hauptbremsen: Der Bürger – mit seinen heißgeliebten Bürgerentscheiden. Und es ist ja auch legitim, dass man weder das Orts-, noch das Landschaftsbild durch neue Wohnklötze in der immer gleichen Hässlichkeit durch „moderne“ Architekten verschandeln lassen will. Naturschützer beklagten zu Recht seit Jahren den steigenden Flächenverbrauch in Bayern, doch zur Zeit schweigen sie verbissen. Vergessen werden sollte auch nicht, dass Neubaugebiete von den Kommunen teuer erschlossen werden müssen, mit Straßen, Kanälen, Schulen, Kindergärten und so fort. Oben drauf kommt noch der Unterhalt dieser Infrastruktur. Die Folge ist, dass Kommunen lieber bereits erschlossene Gebiete nachverdichten, das ist billiger. Eine nicht unwichtige Randnotiz: Den Wohnungen müssten natürlich auch Arbeitsplätze folgen, denn was Perspektivlosigkeit nicht nur bei Migranten auslöst, lässt sich in Berlin, Paris, Marseille, Brüssel oder Birmingham seit Jahrzehnten beobachten. Am Ende kam dann der Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin zu einem ernüchternden Ergebnis: „Das Potenzial für den Wohnungsbau ist gering.“

Das im Oktober 2015 verabschiedete Asylgesetz sieht vor,

dass Asylbewerber sechs statt bisher drei Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden dürfen. Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten dürfen sogar bis zum Abschluss der Asylverfahren oder bis zur Abschiebung in diesen Einrichtungen untergebracht werden. Läuft das Asylverfahren noch, müssen sie aber spätestens nach sechs Monaten in die „Anschlussunterbringung“, früher meist in eine Gemeinschaftsunterkunft. Doch schon jetzt müssen nach Angaben des Bayerischen Sozialministeriums etwa 17.000 Menschen aus den Gemeinschaftsunterkünften in eine private Unterkunft umziehen.