Ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei bei einer Übung. Hier wird eine Geiselnahme simuliert. (Foto: imago/Revierfoto)
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Nicht bereit für den Anti-Terror-Kampf?

Auf die Polizei kommen im Anti-Terror-Kampf überaus schwierige Einsätze zu. Bei den beiden Polizeigewerkschaften wachsen die Zweifel, ob Personalausstattung, Ausrüstung und Ausbildung dafür ausreichen. Die Polizei arbeite schon am Limit. Vor allem müssten die Beamten von unnötigen Aufgaben entlastet werden, die nichts mit Polizeiarbeit zu tun haben.

Die deutsche Polizei ist aus Sicht der Deutschen Polizei-Gewerkschaft (DPolG) nicht ausreichend für den Kampf gegen Terroristen wie in Paris gerüstet. „Auf eine direkte Konfrontation mit so schwer bewaffneten und auch kriegserfahrenen Attentätern sind wir denkbar schlecht vorbereitet“, sagte der Vorsitzende der DPolG, Rainer Wendt. Die Einsatzkräfte täten bereits, was sie könnten, stießen aber immer auch an ihre Grenzen. Die europäischen Staaten investierten zu wenig, um ihre Sicherheitsbehörden vernünftig auszustatten.

„Wir reden von Tätern, die man mit nichts bedrohen kann“, sagte er. Die Bereitschaftspolizei des Bundes brauche deshalb eine „robuste Bewaffnung und Ausstattung und auch ein robustes Training“. Polizei und auch die Nachrichtendienste müssten gestärkt und besser ausgerüstet werden, so Wendt. „Die Ausstattung der Polizei muss permanent modernisiert und angepasst werden, um auch in der Konfrontation mit schwer bewaffneten Attentätern bestehen zu können.“

Wir reden von Tätern, die man mit nichts bedrohen kann.

Rainer Wendt

Wichtig sei zudem, dass die Polizei sich wieder verstärkt ihren Kernaufgaben widmen könne, sagte Wendt. „Dazu gehört die umgehende Freistellung der neu aufgestellten Anti-Terror-Einheiten der Bundespolizei von allen sonstigen Tagesaufgaben, um für ähnliche Anschläge in Deutschland polizeilich vorbereitet zu sein. Die weder personell noch materiell dafür ausgestatteten Landespolizeien müssen in solchen Fällen rasch und wirksam unterstützt werden können“, so Wendt.

Wendt fordert akribische Grenzkontrolle

Die Bundeskanzlerin forderte Wendt auf, für eine „systematische und akribische“ Kontrolle der deutschen Außengrenzen zu sorgen. Dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ sagte Wendt, seit Wochen würden Bundespolizisten „verbraten“, indem sie in Kleiderkammern, Küchen und Bürostuben von Flüchtlings-Aufnahmestätten eingesetzt würden. Dafür könnten Soldaten eingesetzt werden, so Wendt.

Die  Polizei ist zum Schutz der Bürger in der Lage, wenn die politische Spitze bereit ist, die Polizei für ihre eigentlichen Aufgaben einzusetzen.

Rainer Wendt

Die Bundespolizisten würden vielmehr an den Grenzen zur Kontrolle dringend gebraucht. Sicherheitsexperten gingen davon aus, „dass zurzeit höchstens fünf bis zehn Prozent der einreisenden Flüchtlinge tatsächlich kontrolliert werden“, kritisierte Wendt. Den Einsatz der Bundeswehr im Inneren im Zuge der Terrorismusbekämpfung lehnte Wendt dagegen entschieden ab. „Das ist eine polizeiliche Herausforderung. Die  Polizei ist zum Schutz der Bürger in der Lage, wenn die politische Spitze bereit ist, die Polizei für ihre eigentlichen Aufgaben einzusetzen.“

Bundeswehr könnte Polizei entlasten

In diesem Zusammenhang bekräftigte die Bundespolizeigewerkschaft der DPolG ihre Forderung nach einer bundesweiten Rekrutierung und Einstellung von Tarifbeschäftigten als polizeilichen Unterstützungskräften, um Polizeivollzugsbeamte aus Bund und Ländern von allen polizeifremden Tätigkeiten zu befreien und auch die Bereitschaftspolizeien aus den Tagesaufgaben heraus zu ziehen und wieder voll einsatzfähig zu machen.

Der Vorsitzende der „DPolG-Bundespolizeigewerkschaft“, Ernst Walter, sagte, ein verstärkter Einsatz der Bundeswehr zur Wahrnehmung der humanitären und administrativen Aufgaben an der deutsch-österreichischen Grenze sei notwendig, um die derzeit weit mehr als 2000 zusätzlichen Bundespolizisten im Grenzraum sofort aus allen nicht-polizeilichen Tätigkeiten herauslösen zu können. „Unabhängig davon sollten polizeiliche Reserven im Bund und in den Ländern gebildet werden, um auch in Deutschland auf solche Terroranschläge angemessen reagieren zu können, ohne – wie jetzt in Frankreich – auch das Militär für polizeiliche Maßnahmen im Innern einsetzen zu müssen“, so Walter.

Vorratsdatenspeicherung zu eng gefasst?

Unterdessen hat der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, angesichts der Terroranschläge in Paris bessere Möglichkeiten zur Vorratsdatenspeicherung gefordert. „Das eng gefasste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung muss überdacht werden“, sagte Radek der Rheinischen Post. „Die Polizei muss Anschläge wie die in Paris unter allen Umständen verhindern“, sagte der GdP-Vize. Dazu müsse sie wissen, wo terroristische Zellen sind, welche Personen darin verstrickt sind, mit wem sie Kontakt haben und was sie planen.

Es ist deprimierend, wie regelmäßig die unsinnige Debatte über den sogenannten Überwachungsstaat wieder auflebt, sobald das Entsetzen über den Terror dem Alltag gewichen ist.

Jörg Radek

Dabei sei die Aufklärung  der Kommunikation solcher Kreise von entscheidender Bedeutung. „Es ist deprimierend, wie regelmäßig die unsinnige Debatte über den sogenannten Überwachungsstaat wieder auflebt, sobald das Entsetzen über den Terror dem Alltag gewichen ist“, sagte Radek. Er nannte es richtig, dass nach den Anschlägen in Paris im Januar Konsequenzen in Deutschland gezogen und die Polizei verstärkt worden seien. Dennoch sei eine bessere Informationsgewinnung und Auswertung dringend notwendig, sagte Radek.

Neues Polizeizentrum in Wegscheid

Zur besseren Zusammenarbeit zwischen deutschen und österreichischen Beamten soll in Wegscheid bei Passau ein Polizeizentrum entstehen. Dies habe Ministerpräsident Horst Seehofer dem Passauer Landrat Franz Meyer (beide CSU) mitgeteilt, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes. Demnach könnten die Beamten in der ehemaligen Polizeistation Wegscheid unterkommen. Wann das Zentrum eröffnet wird und wie viele Beamte dort arbeiten sollen, ist noch unklar.

Der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), hatte ein Polizeizentrum beider Länder bei einem Besuch im Raum Passau Anfang des Monats angekündigt. Die Kooperation soll den Zustrom von Flüchtlingen besser kontrollieren. In dem Zentrum sollen auch die Informationen zusammenlaufen, wie viele Menschen an der slowenisch-österreichischen Grenze auf die Weiterfahrt nach Deutschland warten. Zu Beginn der starken Zuwanderung von Flüchtlingen im Oktober hatten die Menschen an der österreichisch-deutschen Grenze oft stundenlang in der Kälte ausharren müssen.

Derzeit kommen immer noch 6300 Flüchtlinge pro Tag über die Grenze von Österreich nach Bayern. „Die Zahlen sind in den vergangenen Tagen in etwa gleichgeblieben. Großartige Schwankungen hat es nicht gegeben“, sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion München.

Mehr Bundespolizisten an Bayerns Grenze

Grenzkontrollen und Registrierung von Flüchtlingen – die Bundespolizei wird an der deutsch-österreichischen Grenze um 850 Beamte aufgestockt. Zudem entstehen zwei neue Inspektionen in Freilassing und in Kempten. Ein Sprecher der Bundespolizei in München bestätigte am Dienstag eine Mitteilung der Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig. Allein 430 der 850 zusätzlichen Bundespolizisten sollen im Bereich der Inspektionen Rosenheim, Kempten und Freilassing tätig sein. Bisher sind in der Region vom Berchtesgadener Land bis zum Bodensee rund 500 Beamte beschäftigt. Ein Großteil der Flüchtlinge mit dem Ziel Deutschland war in den vergangenen Monaten zuerst in Bayern angekommen.
dpa/wog