Polizeieinsatz: In NRW soll künftig die Nationalität von Tatverdächtigen benannt werden. (Bild: Bayerische Polizei)
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Nationalität von Tatverdächtigen benennen

In Presseauskünften der Polizei soll in Nordrhein-Westfalen künftig die Nationalität aller Tatverdächtigen genannt werden, wenn diese zweifelsfrei feststeht. Damit soll auch vermieden werden, dass man dem Staat Vertuschung vorwirft.

Der Erlass zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei in Nordrhein-Westfalen werde derzeit überarbeitet, teilte das Innenministerium in Düsseldorf mit. Das Ziel: In Presseauskünften soll dort künftig die Nationalität aller Tatverdächtigen genannt werden, wenn diese zweifelsfrei feststeht. Also von Ausländern ebenso wie von deutschen Tatverdächtigen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Transparenz das beste Mittel gegen politische Bauernfängerei ist.

Herbert Reul, Innenminister NRW

Transparenz gegen Bauernfängerei

„Ich werbe seit meinem Amtsantritt um Transparenz. Das sollten wir in Zukunft auch in der Pressearbeit der Polizei noch konsequenter umsetzen“, erklärte Innenminister Herbert Reul (CDU) die geplante Änderung. Künftig solle gelten: „Wir nennen alle Nationalitäten von Tatverdächtigen, die wir sicher kennen – selbstverständlich auch die von deutschen Tatverdächtigen. Und dann können Journalisten selber entscheiden, ob sie es schreiben wollen oder nicht.“ Reul sagte weiter: „Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Transparenz das beste Mittel gegen politische Bauernfängerei ist.“ Zuvor hatte die Bild-Zeitung berichtet.

Das kann und darf keine Behörde entscheiden.

Volker Stennei, Presserat

Im bisherigen Erlass heißt es: „Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhalts oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs zwingend erforderlich ist.“ Dies wurde jedoch vielfach kritisiert, auch weil oft nicht klar war, warum die Nationalität in einem Fall genannt wurde und in einem anderen nicht.

Lob vom Presserat

Der Deutsche Presserat begrüßte, „dass die Polizei der Presse die Information über die Nationalität von Tatverdächtigen zur Verfügung stellt“. Presseratssprecher Volker Stennei sagte weiter: „Die Entscheidung, ob die Nationalität für die Berichterstattung relevant ist, muss jede ethisch gebundene Redaktion sorgsam selbst abwägen und treffen. Das kann und darf keine Behörde entscheiden.“

Außerdem erklärte Stennei: „Allein die Tatsache, dass eine Behörde die Nationalität nennt, rechtfertigt nicht die Verwendung in der Berichterstattung.“ Nach der entsprechenden Richtlinie des Presserates – die ebenfalls immer wieder in der Kritik stand und steht – müsse „ein begründetes öffentliches Interesse an der Herkunft eines Tatverdächtigen bestehen“. Dies sei zumeist bei besonders schweren Taten wie Mord oder Terrorismus gegeben. Der Pressekodex empfiehlt in Richtlinie 12.1, in der Berichterstattung über Straftaten außerdem darauf zu achten, „dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt“.

Dort, wo die Polizei selbst als Kommunikator beziehungsweise Redaktion in direkter Ansprache gegenüber der Bevölkerung auftrete, sei es ihre ethische Verantwortung, mögliche Folgen zu bewerten. „Das ist nicht Aufgabe des Deutschen Presserates“, betonte Stennei.

Verschiedene Wege

Die Praxis in dieser Frage ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich, und das wird voraussichtlich auch so bleiben. „Wir werden uns die beabsichtigte Neuregelung in Nordrhein-Westfalen näher anschauen und gegebenenfalls entscheiden, ob in Bayern Änderungen oder Ergänzungen notwendig sind“, so Innenminister Joachim Herrmann auf Anfrage des BAYERNKURIER. „Bislang hat sich die Praxis in Bayern bewährt.“

Der Pressesprecher des Bayerischen Innenministeriums, Oliver Platzer, sagte, mit ihrer Pressearbeit komme die Polizei dem Auskunftsanspruch der Presse nach, der für die Medien gleichzeitig unverzichtbare Grundvoraussetzung für die Realisierung der in Artikel 5 Grundgesetz geschützten Pressefreiheit sei. „Dem gegenüber stehen die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen. Die Polizei wägt daher im Einzelfall zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse, abgeleitet aus Artikel 5 Grundgesetz und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen hinsichtlich der weitergegebenen Informationen ab“, betonte Platzer gegenüber dem BAYERNKURIER.

Die Polizei wägt im Einzelfall zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ab.

Bayerisches Innenministerium

Personenbezogene Daten werden, außer etwa in den Fällen einer zielgerichteten Fahndung, grundsätzlich nur in anonymisierter Form weitergegeben, so das Innenministerium. „Die Entscheidung über den Umfang der Anonymisierung hängt von den näheren Umständen des Ereignisses, dem Sachstand des Ermittlungsverfahrens und etwaigen Geheimhaltungspflichten im Einzelfall ab“, erklärte Platzer. „Im Bewusstsein ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung verfahren die Pressestellen der Polizeipräsidien dabei mit der Nennung der Nationalität von Tatverdächtigen sehr bedacht und sensibel. Dabei folgen sie den Grundsätzen der Einzelfallprüfung, der Neutralität und Transparenz.“

In der Praxis werden deshalb auch im Einzelfall die Nationalitäten von Tatverdächtigen genannt. Seitens des Ministeriums gebe es diesbezüglich „keine spezifische schriftliche Regelungslage“ in Hinblick auf die Pressearbeit der Polizeipräsidien. Der Inhalt und Umfang der polizeilichen Pressearbeit werde – basierend auf der objektiven Sachverhalts- und Anzeigenaufnahme – durch die Polizeipräsidien, bei Straftaten gegebenenfalls in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft, entschieden und verantwortet.

Andere Bundesländer

In Schleswig-Holstein etwa soll die Nationalität weiterhin nur dann genannt werden, wenn der Sachzusammenhang das erforderlich mache. „Diese Regelung hat sich bewährt“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. In Thüringen gibt es nach Angaben des Innenministeriums weder einen Erlass zur Nennung von Nationalitäten in Pressemitteilungen, noch sei ein solcher in Planung. „Es liegt grundsätzlich im Ermessen des Polizeibeamten, zu entscheiden, ob die Nennung der Nationalität relevant für das Tatgeschehen ist“, sagte ein Ministeriumssprecher. Dabei sollen sich die Polizisten am Pressekodex orientieren, wie eine Sprecherin der Landespolizeidirektion ergänzte. „Letztlich muss von Fall zu Fall entschieden werden.“

Auch in Rheinland-Pfalz sei kein Erlass geplant, bei Presseauskünften künftig die Nationalität aller Tatverdächtigen zu nennen, so weit diese zweifelsfrei feststehe, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Mainz. Sie werde genannt, sofern dies aus Ermittlungsgründen für sinnvoll gehalten werde oder wenn in Übereinstimmung mit dem Pressekodex „ein begründetes öffentliches Interesse“ bestehe. Und auch in Baden-Württemberg ist keine generelle Nennung der Nationalität von Verdächtigen bei Straftaten geplant. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte in Stuttgart, die Nationalität werde in Abstimmung mit den beteiligten Staatsanwaltschaften und Gerichten dann veröffentlicht, wenn sie bei der Beurteilung einer Straftat eine Rolle spiele – bei einfachen Körperverletzungen zum Beispiel werde sie nicht genannt.

Von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hieß es, die Nationalität von Tatverdächtigen spiele bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit immer eine Rolle. „Ermittlungsergebnisse gehören aber nur begrenzt in die Öffentlichkeit“, erklärte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow. „Deshalb kann es eine generelle Transparenz bei der polizeilichen Pressearbeit in diesem Zusammenhang nicht geben.“

(dpa/BK)