Keine Annäherung zwischen Union und SPD in der Flüchtlingsfrage. Am kommenden Donnerstag wollen Horst Seehofer (CSU), Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch einmal um Lösungen ringen. (Bild: Archiv/Imago)
Asylpolitik

Entscheidung vertagt

Beim Koalitionsgipfel am Wochenende nähern sich CDU und CSU in der Flüchtlingsfrage wieder an – konkrete Lösungen scheitern aber an der SPD. Besonders die von der Union geforderten Transitzonen stoßen bei den Sozialdemokraten auf Ablehnung – heftige Kritik bleibt da vom Koalitionspartner nicht aus. Am Donnerstag soll es einen neuen Anlauf geben. Für den Moment zeigt sich Horst Seehofer zufrieden.

Nach dem ergebnislos verlaufenen Koalitionsgipfel zur Asylpolitik vom Wochenende kreiden sich Union und SPD gegenseitig mangelnde Kompromissbereitschaft an. Wie am Sonntag bekannt wurde, hatten sich die Unions-Parteichefs Angela Merkel und Horst Seehofer in nahezu allen wesentlichen Punkten klar angenähert und eine gemeinsame Linie entwickelt, um die verfahrene Situation in der deutschen Asylpolitik endlich zu entwirren.

Mit den Sozialdemokraten aber steht eine Einigung noch aus: Größter Streitpunkt waren am Wochenende die von der Union geforderten sogenannten „Transitzonen“ an den deutschen Grenzen, wo Menschen, die keine Bleibeperspektive in Deutschland haben, umgehend wieder zurückgeführt werden können und nicht erst innerhalb der Republik auf Einrichtungen verteilt werden. SPD-Chef Sigmar Gabriel lehnt derartige Zentren aber weiterhin ab – seine Partei schlägt stattdessen sogenannte „Einreisezentren“ vor – ein Vorschlag, der in der Union wiederum kaum Unterstützung findet.

Das „Nein“ der SPD ruft in der Union Kritik hervor: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte die SPD in einem Statement auf, dem Unionskonzept von Transitzonen für Flüchtlinge doch noch zuzustimmen. Diese als Haftlager zu kritisieren, sei unseriös, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte die Transitzonen zuvor als „Haftzonen“ und „Massengefängnisse an der Grenze“ bezeichnet – eine Formulierung, die in der Union auf heftige Proteste gestoßen war. Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt etwa sagte am Rande der CSU-Vorstandssitzung, bei dem vorgeschlagenen Konzept handle es sich weder um umzäunte Gefängnisse noch würden Haftbedingungen vorherrschen, „weil man sehr wohl raus kann, und in die Richtung des Landes, aus dem man kommt“. Die Parteien seien in einer gemeinsamen Verantwortung, für die Aufnahme der Flüchtlinge eine schnelle Lösung zu finden, erklärte Hasselfeldt.

Nächstes Spitzentreffen am Donnerstag

Fakt ist jetzt: Aktuell gibt es in der Großen Koalition keine Einigung für eine Begrenzung des Flüchtlingsandrangs. Einen neuen Versuch soll es jetzt Mitte der Woche geben. Die Dreierrunde will am Donnerstag in Berlin nochmals nach Lösungen suchen.

Seehofer: Unions-Positionspapier ist „Erfolg für CDU und CSU“

In diese Verhandlungen gehen Merkel und Seehofer mit einem neuen, gemeinsamen Positionspapier zur Asylpolitik. Die Kanzlerin und Bayerns Ministerpräsident einigten sich auf einen Forderungskatalog, in dem Transitzonen als „vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze“ bezeichnet werden. Das neue Positionspapier lässt dabei offen, wo diese Zonen eingerichtet werden sollen – das muss also nicht zwingend in Grenznähe sein. CDU und CSU pochen außerdem weiterhin auf das Flughafenverfahren: Demnach darf im Transitbereich der Airports festgehalten werden, wer keine oder gefälschte Ausweispapiere bei sich hat oder aus einem „sicheren Herkunftsland“ kommt. Das bedeutet nicht Freiwilligkeit, sondern zur Not Anwendung von Polizeigewalt.

Hinzu kommt in dem Papier ein weiterer essentieller Punkt: Das Ziel einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen wurde zwischen Merkel und Seehofer klar festgelegt, wie der CSU-Chef am Rande der Vorstandssitzung seiner Partei am Montagmorgen mitteilte.

Der CSU-Chef nannte das gemeinsame Papier einen Erfolg für beide Unionsparteien. Neben der Einigung darauf, dass die generelle Anzahl von Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, begrenzt werden sollen, und der Einigung auf die Forderung nach Transitzonen wurde auch die Forderung der CSU berücksichtigt, den Familiennachzug zu begrenzen.

Allgemein gesehen lobte Seehofer das Papier als einen wichtigen Schritt – dem aber noch weitere folgen müssten. „Für den Moment bin ich zufrieden, aber wir haben noch ein gehöriges Stück Arbeit vor uns“, sagte Seehofer vor der CSU-Vorstandssitzung. Er hob insbesondere hervor, dass sich CDU und CSU nun gemeinsam auf das Ziel verständigt hätten, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren. „Wir sind zu einer klaren Vereinbarung gekommen, schriftlich niedergelegt, dass die Flüchtlingszahlen zu reduzieren sind – das ist der Maßstab.“

„Ein Land muss selbst entscheiden können, wer einreisen darf – und wer nicht“

Im Streit über die Transitzonen rief Seehofer die SPD zum Einlenken auf. Diese gehörten zum Wichtigsten, was jetzt geschehen müsse. Die Kritik der Sozialdemokraten, bei den Transitzonen handle es sich um Haftzonen, wies Seehofer als „Unwahrheit“ zurück. Das habe auch das Bundesverfassungsgericht klargestellt. Wer in eine Transitzone komme, sei „völlig frei, sich zurückzubewegen in sein Heimatland oder woandershin – nur die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland kann erst erfolgen nach Durchführung des Verfahrens“. Ein Land müsse schon noch selbst entscheiden können, wer einreisen dürfe und wer nicht.

Herrmann: „SPD drückt sich vor Entscheidungen“

Bayerns Innenminister Joachim Hermann sagte zum Verhalten der SPD, da das Bundesverfassungsgericht das Flughafenverfahren bestätigt habe, hätten die SPD-Einwände „mit einer seriösen Diskussion nichts mehr zu tun“. Die SPD wolle sich davor drücken, Entscheidungen zu treffen.

Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich übte ebenfalls scharfe Kritik am Berliner Koalitionspartner. Sollte die SPD bei ihrer Ablehnung von Transitzonen bleiben, bewege sich die Partei „am Rande der Regierungsunfähigkeit“, so der CSU-Politiker in einem TV-Interview.