Deutschland und besonders Bayern profitieren von der EU. (Bild: Imago/Winfried Rothermel)
Studie

EU hilft Bayerns Wirtschaft

Die EU bringt für Deutschland und insbesondere Bayern viele Vorteile. Das zeigt das Positionspapier der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw): „Europa ohne die EU – mehr Fluch als Segen für die Wirtschaft“. Zeitgleich rief vbw-Präsident Gaffal die EU zu grundlegenden Reformen auf.

Das vbw-Positionspapier untersucht die Folgen eines „Europa ohne die EU“. Insbesondere der Euro erweist sich danach als positiv.

Es darf nicht sein, dass die EU den Bürgern wie ein Tanker vorkommt, dessen Fahrtrichtung sich nur schwer korrigieren lässt.

Alfred Gaffal, Präsident der vbw

Wenn Deutschland aus der Europäischen Währungsunion austräte, würde das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bis 2025 um jährlich 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen, so die vbw. In Summe würden dadurch fast 1,2 Billionen Euro an Wirtschaftsleistung und 200.000 Arbeitsplätze verloren gehen.

Bayern profitiert besonders

Bayern profitiert auch in besonderem Maße von der EU-Osterweiterung, die es ohne die EU nicht gegeben hätte.

Ungarn, Tschechien und Polen gehören zu den Top-10-Lieferländern Bayerns. Insgesamt kamen im Jahr 2000 noch 12,4 Prozent der bayerischen Einfuhren aus Mittel- und Osteuropa, 2015 schon doppelt so viele. Der Bezug von günstigen Vorleistungen aus diesen Staaten trägt wesentlich zum Exporterfolg Bayerns bei.

Als Plus hat sich auch der Schengen-Raum erwiesen, der der exportorientierten bayerischen Wirtschaft einen weitgehend ungehinderten Warenaustausch ermöglicht. Bayerische Unternehmen führten 2015 Waren im Wert von rund 179 Milliarden Euro aus, mehr als die Hälfte davon ins europäische Ausland.

Länderübergreifende Standards notwendig

Zu einem Vorteil entwickeln kann sich nach Überzeugung der vbw der digitale Binnenmarkt, allerdings nur, wenn länderübergreifend Standards für IT-Sicherheit und Kommunikation geschaffen werden, zum Beispiel im Bereich des eGovernment. „Gelingt dies nicht, wird es für bayerische Unternehmen schwerer, auf den europäischen Märkten erfolgreich zu sein“, sagte vbw Präsident Alfred Gaffal.

Das Referendum im Vereinigten Königreich zum Brexit ist ein Weckruf, der ein ‚Weiter so‘ verbietet.

vbw-Positionspapier

Bei der Harmonisierung von Vorschriften halten sich Vor- und Nachteile die Waage. „Das ist dort sinnvoll, wo der Binnenmarkt ohne einheitliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen nicht funktioniert und Wettbewerbsverzerrungen drohen, zum Beispiel beim Datenschutz, bei der Mehrwertsteuer oder bei der Finanzmarktregulierung. In allen anderen Fällen ist die  gegenseitige Anerkennung nationaler Regelungen der effizientere Weg“, so Gaffal weiter.

EU mischt sich zu oft ein

Als Nachteil sieht die vbw, dass die EU-Kommission das Subsidiaritätsprinzip häufig nicht beachtet. „Es ist nicht zulässig, dass die EU aktiv wird, wenn eine Regelung auch auf nationaler Ebene gefunden werden kann“, sagte Gaffal. Als Beispiel nennt die vbw die Mobilitätsrichtlinie, die EU-weit die Übertragbarkeit von Betriebsrentenansprüchen vereinfachen soll. „Gleiches gilt für die Revision der Entsenderichtlinie, die letztlich zu einer Harmonisierung von Löhnen und Lohnfindungssystemen führt. Dies fällt aber klar in die Zuständigkeit der Sozialpartner“, so der vbw-Präsident. Auch die durch die EU verursachte Bürokratie ist nach seinen Worten nachteilig und muss weiter konsequent eingedämmt werden.

Die vbw rief die EU zu grundlegenden Reformen auf: „Das Referendum im Vereinigten Königreich zum Brexit ist ein Weckruf, der ein ‚Weiter so‘ verbietet. Dieser ist in Brüssel aber offenbar nicht deutlich genug gehört worden, wenn Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach der Brexit-Abstimmung gegenüber seinen Mitarbeitern die Devise ausgibt, die EU-Kommission arbeite weiter wie zuvor. Es darf nicht sein, dass die EU den Bürgern wie ein Tanker vorkommt, dessen Fahrtrichtung sich nur schwer korrigieren lässt“, sagte Gaffal.

Die Vorteile im Einzelnen:

  1. Binnenmarkt: Als vergleichsweise kleine Volkswirtschaft ist Bayern auf den Export angewiesen. Von daher profitiert der Freistaat in besonderer Weise vom EU-Binnenmarkt. Europa ist nach wie vor der wichtigste Export- und Importmarkt für die bayerische Wirtschaft.
  2. Energiebinnenmarkt: Auch wenn die Vollendung des europäischen Energiebinnenmarktes noch nicht abgeschlossen ist, ergeben sich bereits heute beim Bau von Anlagen und bei der Produktion und der Distribution von Strom deutliche Vorteile für die deutsche Wirtschaft durch gemeinsam entwickelte Technologien und durch die Angleichung der Rahmenbedingungen. Diese Wohlfahrtseffekte könnten ohne die Europäische Integration nicht oder nicht im gleichen Umfang realisiert werden.
  3. Transeuropäische Netze: Durch die Beseitigung von Engpässen im europäischen Transportnetz können für den Güterverkehr Transportwege verkürzt und Transportkosten gesenkt werden. Das ist für die bayerische Wirtschaft wesentlich, da sie eng mit den Weltmärkten vernetzt ist.
  4. Digitaler Binnenmarkt: Digitalisierung bedeutet Vernetzung von Menschen, Maschinen und Dingen. Sie kann nur erfolgreich sein, wenn länderübergreifend Standards für die Kommunikation (zum Beispiel im Bereich des eGovernment) und die IT-Sicherheit existieren und angewendet werden. Gelingt dies nicht, so fällt es bayerischen Unternehmen schwer, auf den europäischen Märkten präsent und erfolgreich zu sein.
  5. Schengen Raum: Arbeitsteilig organisierte Wertschöpfungsketten benötigen freien Waren- und Personenverkehr. Die exportorientierte bayerische Wirtschaft braucht einen möglichst ungehinderten Austausch über die Grenzen – bayerische Unternehmen führen pro Jahr Waren im Wert von rund 179 Milliarden Euro aus. Umgekehrt sind für unsere Unternehmen die Vorleistungen aus dem Ausland wesentliche Bestandteile des erfolgreichen Bayernmodells.
  6. Europäische Währungsunion: Wenn Deutschland heute aus der Europäischen Währungsunion ausscheiden und die D-Mark wieder einführen würde, fiele das BIP-Wachstum bis 2025 um jährlich 0,5 Prozentpunkte niedriger aus.
  7. Wachstum und wirtschaftliche Konvergenz: Die vorliegenden Studien sind sich einig, dass die wirtschaftliche Integration und vor allem die Schaffung des Binnenmarkts das Wirtschaftswachstum ebenso wie die wirtschaftliche Konvergenz in Europa erhöht haben.

Verbesserungen fordert die vbw bei folgenden Punkten:

  1. Europas Gewicht in der Welt: Die europäische Integration und der Ausbau der weltweiten Handelsbeziehungen sind nicht nur ein „Projekt“ – sie sind zwingende Notwendigkeit, um neben den USA und China als Weltregion auf Augenhöhe mitzuwirken.
  2. Harmonisierung von Normen und Vorschriften: Eine Vollharmonisierung macht Sinn in Bereichen, wo der Binnenmarkt ohne einheitliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen nicht funktioniert oder unterschiedliche nationale Regelungen zu binnenmarktwidrigen Wettbewerbsverzerrungen führen. In allen anderen Fällen ist der Weg der gegenseitigen Anerkennung nationaler Regelungen der effizientere und zielführende Weg und von Vorteil für die bayerische Wirtschaft.
  3. Kompetenzübertragung: Für die Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten ist das Subsidiaritätsprinzip klar als Richtschnur verankert und garantiert, dass Entscheidungen nahe an den Menschen getroffen werden. Es ist nicht zulässig, dass übergeordnete Verwaltungsebenen aktiv werden, solange eine Regelung auch auf darunter liegenden Ebenen gefunden werden kann. Diese Maßgabe findet in der Realität häufig nicht ausreichend Beachtung, insbesondere bei Initiativen der Europäischen Kommission. Auch sind die vorgesehenen Verfahren zur Sicherstellung der Subsidiarität wenig wirkungsvoll. Hier gilt es nachzubessern.
  4. Bürokratie: Bürokratie ist ein Nachteil der EU für die bayerische Wirtschaft und wird aktiv von der Europäischen Kommission bekämpft. Gleichzeitig gilt es nationale und europäische Vorschriften so aufeinander abzustimmen, dass es zu einer Entlastung für Bürger und Unternehmen kommt und nicht zu zusätzlicher Belastung.

Das Fazit der vbw

Für die bayerische Wirtschaft ist klar:

Es gilt daher, das Erreichte nicht zu gefährden, und gleichzeitig die notwendigen Korrekturen an der EU anzubringen. Statt immer ‚mehr Europa‘ brauchen wir ein ‚besseres Europa‘. Das zu definieren, ist die Aufgabe, die uns allen aktuell bevorsteht.

vbw-Positionspapier

(PM/avd/dos)