Bayern will für „stille Tage“ kämpfen
Der ausnahmslose Schutz des Karfreitags in Bayern verstößt gegen das Grundgesetz. Zu diesem Schluss kommt das Bundesverfassungsgericht. Aus der bayerischen Politik kommt eine klare Reaktion: Innenminister Herrmann betont, man werde dem Schutz der stillen Tage weiterhin Vorrang einräumen.
Gerichtsurteil

Bayern will für „stille Tage“ kämpfen

Der ausnahmslose Schutz des Karfreitags in Bayern verstößt gegen das Grundgesetz. Zu diesem Schluss kommt das Bundesverfassungsgericht. Aus der bayerischen Politik kommt eine klare Reaktion: Innenminister Herrmann betont, man werde dem Schutz der stillen Tage weiterhin Vorrang einräumen.

Der ausnahmslose Schutz des Karfreitags in Bayern als Tag, an dem Tanz und Musik nicht erlaubt sind, verstößt gegen das Grundgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit einem veröffentlichten Beschluss festgestellt. Die Karlsruher Richter gaben damit einer Verfassungsbeschwerde des „Bundes für Geistesfreiheit“ statt.

Staatsregierung pocht auf Schutz der stillen Tage

Ob und wenn ja, wie die Staatsregierung nach dem Urteil künftig mit der Genehmigung von öffentlichen Unterhaltungsveranstaltungen an den sogenannten stillen Feiertagen verfahren wird, ist aber offen. Denn die Reaktion aus den Reihen der CSU fallen eindeutig aus: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann etwa sagte, der Freistaat werde „dem Schutz des Karfreitags und der stillen Tage weiterhin Vorrang einräumen“. Denn – so die Lesart der Staatsregierung – das Gericht habe in seinem Urteil auch deutlich gemacht, welch hohe Bedeutung der Karfreitag als stiller Tag genieße. „Deshalb bleibt für uns die Leitlinie, den Charakter der stillen Tage, wie etwa den des Karfreitags, in Bayern auf jeden Fall beizubehalten und nicht anzutasten.“

Für uns bleibt die Leitlinie, den Charakter der stillen Tage in Bayern auf jeden Fall beizubehalten.

Joachim Herrmann, Bayerischer Innenminister

Trotz Urteil: Karfreitag darf weiter geschützt werden

Gegen die bayerische Regelung geklagt hatte der sogenannte „Bund für Geistesfreiheit“, der nach seiner Selbstbeschreibung „die Interessen konfessionsloser Menschen“ vertritt und für die strikte Trennung von Kirche und Staat eintritt. Um die bayerische Regelung gerichtlich prüfen zu lassen, hatte die Gruppierung am Karfreitag 2007 eine Veranstaltung in einem Münchner Theater organisiert. Die zum Abschluss geplante „Heidenspaß-Party“ wurde – wie abzusehen war – untersagt. Zu Unrecht, sagte nun das Verfassungsgericht. Zwar darf der Karfreitag als „stiller Tag“ laut Beschluss besonders geschützt werden. Jede Befreiungsmöglichkeit von vorneherein auszuschließen, sei aber unverhältnismäßig, urteilten die Richter.

Staatsregierung will Entscheidung „in Ruhe prüfen“

Für Innenminister Herrmann war diese Veranstaltung eine „gezielte Provokation“. Daher werde die Staatsregierung nun „in Ruhe prüfen“, wie die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Ausnahmemöglichkeiten gestaltet werden können. Schließlich gehe es nur um wenige, „aber zentrale Tage für das religiöse Leben in Deutschland“, sagte der CSU-Politiker. Ähnlich äußerte sich auch die CSU-Fraktion im bayerischen Landtag.

Diese wenigen Tage sind zentrale Tage für das religiöse Leben in Deutschland.

Joachim Herrmann

Seehofer: „Habe kein Verständnis für Entscheidung“

Der bayerische Ministerpräsident schlug in die gleiche Kerbe. CSU-Chef Horst Seehofer teilte in einer ersten Reaktion mit, er habe „keinerlei Verständnis“ für die Entscheidung: „Man kann nur noch den Kopf schütteln, mit welchen Spitzfindigkeiten heutzutage Urteile gefällt werden“, sagte er am Rande der Landtagssitzung in München. Damit, so lassen die Äußerungen zahlreicher Fraktionskollegen schließen, spricht der Parteichef der Mehrheit der bayerischen CSU-Politiker aus der Seele.

Man kann nur noch den Kopf schütteln, mit welchen Spitzfindigkeiten heutzutage Urteile gefällt werden.

Horst Seehofer, Bayerischer Ministerpräsident

Und auch von der europäischen Ebene der Christsozialen kommt Kritik. Der Europaabgeordnete und CSU-Vize Manfred Weber hält das Urteil ebenfalls für einen Fehler: „Das Gericht übersieht, dass es nicht immer die gesellschaftliche Mehrheit sein muss, die Toleranz zeigen muss. Auch die gesellschaftliche Minderheit könnte am Karfreitag durchaus einmal tolerant sein.“

Mit Ausnahme des Tags der Deutschen Einheit sind die Feiertage in Deutschland durch Landesgesetze festgelegt. Die sogenannten stillen Tage genießen speziellen Schutz. In Bayern gehören dazu zum Beispiel auch Allerheiligen und der Heilige Abend. An „stillen Tagen“ sind im Freistaat laut Regelung „öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist“.

Künftig auch Ausnahmeregelung für den Karfreitag?

Die striktesten Regeln gelten dabei für den Karfreitag: Dann sind auch Sportveranstaltungen und „musikalische Darbietungen jeder Art in Räumen mit Schankbetrieb“ verboten. Für die restlichen Tage sind dagegen Ausnahmegenehmigungen möglich – für den Karfreitag allerdings nicht. Genau diese Regelung erklärte das Bundesverfassungsgericht jetzt für nichtig – das bayerische Gesetz muss damit in diesem Punkt geändert werden. Die Entscheidung bedeutet aber nicht, dass in Zukunft an Karfreitag jede Party stattfinden darf. Laut Erklärung der Richter müssen Veranstaltungen erlaubt werden, die die „öffentliche Meinungsbildung und Weltanschauungen berührt“.