Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). (Bild: imago/IPON)
Schäubles Vorschlag

EU-Kommission soll unpolitisch werden

Ursprünglich hat die Europäische Kommission eine rein verwaltende Rolle als „Hüterin der EU-Verträge“. Doch seit einiger Zeit maßt sie sich immer mehr politische Kompetenzen an, kritisiert Bundesfinanzminister Schäuble (CDU). Er schlägt daher eine Entpolitisierung der Kommision vor. Die Kommission könne nicht EU-Exekutive und Hüterin der Verträge gleichzeitig sein, meint Schäuble.

Großes Aufsehen hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit seinem Vorschlag erregt, die EU-Kommission zu entpolitisieren und auf ihre ursprüngliche Rolle als „Hüterin der Verträge“ zu beschränken und insofern zu entmachten. In dieser Funktion soll die Kommission beispielsweise darauf achten, dass die Mitgliedstaaten ihre europarechtlichen Verpflichtungen, etwa im Binnenmarkt, einhalten, und sie agiert als Wettbewerbsbehörde. Gleichzeitig eine Art EU-Regierung und Hüterin der Verträge, das funktioniere nicht, meint Schäuble. Zuerst hatte die FAZ von Schäubles Plänen berichtet.

Angesichts der andauernden Kompetenzstreitigkeiten unter den Griechenland-Gläubigern fordert Schäuble, dass die Zuständigkeiten der Kommission auf einigen Feldern zurückgeschnitten und insgesamt neu gegliedert werden. So will Schäuble erreichen, dass die ursprüngliche Funktion der Brüsseler Behörde als sogenannte Hüterin der EU-Verträge institutionell getrennt wird von ihren immer stärker werdenden politischen Aktivitäten. Schäuble denkt daran, diese Funktionen an politisch unabhängige Behörden nach dem Vorbild des Bundeskartellamts auszugliedern und so der Zuständigkeit der Kommission zu entziehen. Der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem will das Thema zu einem Schwerpunkt des niederländischen EU-Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr 2016 machen.

Juncker sieht sich ausdrücklich als „politischer Präsident“

In der Tat versteht sich der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärtermaßen als „politischer Präsident“ und seine Truppe als „politische Kommission“. Immerhin hatte er als Spitzenkandidat der EVP sozusagen die Europawahlen 2014 gewonnen. Daraus leitet er seinen Führungsanspruch ab. Er hat diesen Anspruch mit zahlreichen eigenen Initiativen unterstrichen, etwa dem gelegentlich als „Juncker-Fonds“ bezeichneten Investitionsfonds Efsi.

Das aber geht Schäuble, aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), deutlich zu weit, ist allenthalben aus Berlin zu hören. Schon vor zwei Wochen kritisierte Schäuble auf dem Treffen der EU-Finanzminister, dass die Kommission zunehmend als politische Instanz agiere, ohne ihre Aufgabe als Hüterin der Verträge aufgeben zu wollen. Wie nun das Finanzministerium erklärte, geht es dem Minister nicht darum, die Kommission zu schwächen. Im Gegenteil: Ziel sei es, ihre Position zu stärken, indem mögliche Interessenkonflikte vermieden würden. „Insgesamt ist wichtig, dass die Kommission die richtige Balance zwischen ihrer politischen Funktion sowie der Rolle als Hüterin der Verträge wahrt“, sagte ein Sprecher.

CDU-Wirtschaftsrat und Wettbewerbshüter loben Schäuble

Der Wirtschaftsrat der CDU begrüßt die Initiative des Finanzministers. Die Krise biete die Möglichkeit, den Kontinent neu aufzustellen und Europa fit für die Zukunft zu machen, betonte Generalsekretär Wolfgang Steiger. Scharf griff er Kommissionspräsident Juncker an. Die Politisierung der Kommission habe die Verunsicherung in Europa steigen lassen. „Mit seiner Anti-Troika-Rhetorik hat er die Athener Geisterfahrt unterstützt.“ Statt auf Einhaltung der Regeln im Fiskalpakt zu pochen, seien Defizitsündern wie Frankreich großzügig Ermessensspielräume eingeräumt worden. „Schäuble legt den Finger also in die richtige Wunde“, meinte Steiger.

Auch deutsche Wettbewerbsrechtler lobten Schäubles Idee. „Es könnte die Wettbewerbsaufsicht auf Unionsebene stärken, wenn ein unabhängiges Wettbewerbsamt geschaffen würde“, sagte Daniel Zimmer, der Vorsitzende der Monopolkommission, dieser Zeitung. Immerhin sei die Generaldirektion Wettbewerb in der EU-Kommission ein starker und verlässlicher Akteur bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln.

Zuletzt erbrachte die EU-Kommission in der Griechenland-Krise den Nachweis, dass sie eindeutig politisch agiert, analysiert die FAZ: „Auch in der Griechenland-Krise wollte und will Juncker die Kommission nicht einfach als Teil der Gläubiger-Troika verstehen, die die Verwirklichung der vereinbarten Reformen in Athen überprüft und nun die technischen Details des neuen Hilfsprogramms mit der griechischen Regierung aushandelt. Vielmehr hat er immer wieder direkt mit Ministerpräsident Alexis Tsipras verhandelt und so dessen Forderungen bestärkt, es müsse auf höchster Ebene eine politische Vereinbarung über neue Kredite und einen Schuldenschnitt geben. Schäuble hat mehrfach klargestellt, dass in dieser Frage nicht die Kommission verhandlungsbefugt ist, sondern die Eurogruppe als Vertreterin der europäischen Kreditgeber.“ Auch andere EU-Finanzminister hatten Juncker immer wieder darauf hingewiesen, dass nicht die EU, sondern die Mitgliedstaaten die Gläuber Athens sind.

(dpa/FAZ/wog)