Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. (Foto: A. Schuchardt)
Asylpolitik

„Wir müssen neue Wege gehen“

Neben der Kritik der üblichen schwer Empörten erhält Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer vor allem Zustimmung für sein Asylkonzept. Besonders die direkt betroffenen Kommunen unterstützen die Pläne. Die Situation bei den Asylunterkünften spitzt sich immer mehr zu.

Auf die Aussichtslosigkeit der Anträge von Menschen aus Balkanländern wies auch der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, hin. Er forderte in mehreren Interviews, das sogenannte Taschengeld für Asylsuchende zu kürzen oder zu streichen. „Manche Antragsteller vom Westbalkan geben in Anhörungen ganz offen zu, dass sie nur fünf Monate in Deutschland bleiben und die staatliche Hilfe von monatlich 143 Euro erhalten wollen“, berichtete Schmidt.

Was wir in Anhörungen hören und was uns auch gesagt wird ist, dass ein Aufenthalt von drei, vier, fünf Monaten in Deutschland dazu ausreicht, dass in den Ländern, über die wir hier reden, wiederum neun bis zwölf Monate gelebt werden kann.

Manfred Schmidt, Präsident des BAMF

Flüchtlinge aus Balkanregionen setzten bewusst auf längere Asylverfahren und Transferleistungen in Deutschland. „Was wir in Anhörungen hören und was uns auch gesagt wird ist, dass ein Aufenthalt von drei, vier, fünf Monaten in Deutschland dazu ausreicht, dass in den Ländern, über die wir hier reden, wiederum neun bis zwölf Monate gelebt werden kann“, so Schmidt in der ARD. Er bezog sich dabei auch auf Rückmeldungen, die seine Behörde von Kollegen der Europäischen Asylunterstützungsbehörde auf Malta bekommt. Da das BAMF seit Mitte Juli Asylanträge von Menschen aus dem Weltbalkan vorrangig bearbeite, rechne die Behörde in Kürze mit deutlich weniger Asylanträgen aus der Region, so Schmidt. Ziel sei, binnen 14 Tagen darüber zu entscheiden, ob jemand zurückgeschickt werde. Diese Frist hatte auch Seehofer für die besonderen Aufnahmeeinrichtungen als Zielmarke gefordert. Ähnlich sei man Anfang des Jahres mit einer Antrags-Flut von 30.000 Menschen aus Kosovo umgegangen, erklärte Schmidt weiter. Nach dem Ende der Aktion sei die Zahl dieser Asylanträge deutlich gesunken.

Unterstützung aus den Kommunen für bayerische Pläne

Laut dem bayerischen Landkreistags-Präsidenten Christian Bernreiter (Deggendorf, CSU) stießen Seehofers Pläne bei den Landräten überwiegend auf Zustimmung. „Wir brauchen auch dringend rasche Abhilfe“, so Bernreiter über die sich zuspitzende Situation in den Flüchtlingsunterkünften. Derzeit sucht die Staatsregierung nach geeigneten Flächen, die nahe an den Flüchtlingsrouten aus dem Balkan liegen sollen, am besten in den Kreisen Passau und Rosenheim.

Grundsätzlich fand auch der Rosenheimer Landrat Wolfgang Berthaler (CSU) Abschiebezentren richtig: „Wir müssen neue Wege gehen. Einen Versuch ist es wert.“ Die Flüchtlinge aus dem West-Balkan würden die Plätze für tatsächliche Kriegsflüchtlinge blockieren. Immer neue Unterkünfte zu finden, sei immer schwieriger. „Der Ton mit den Bürgermeistern wird rauer“, so Berthaler weiter. An den beiden Orten, die ausgewählt würden, könnte es laut dem Rosenheimer Landrat „einen Aufschrei geben“. Seehofer machte deshalb den Landkreisen ein Angebot: Wer ein Abschiebezentrum einrichtet, werde von zusätzlichen Belastungen in der Asylfrage befreit. Auch sein Passauer Amtskollege Franz Meyer begrüßte die Beschlüsse. Sie enthielten vieles von dem, was er selbst in München vorgeschlagen habe. Beschleunigte Verfahren und rasche Klarheit würden auch den Flüchtlingen helfen, betonte Meyer (CSU). Sollte der Landkreis Passau als Standort für eines der beiden Zentren ins Auge gefasst werden, würde sich Meyer nicht verwehren: „Wir stellen uns der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.“

Die Bürgermeister hoffen auf Entlastung

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützt Seehofers Pläne ausdrücklich. Das könnte die Kommunen entlasten, so der Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Es sei nicht Aufgabe des Asylrechts, Wirtschaftsflüchtlingen ein Bleiberecht zu garantieren. Auch Nürnbergs Oberbürgermeister und Städtetagspräsident Ulrich Maly (SPD) ist dafür, die Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, um den Zuzug von Flüchtlingen zu minimieren. Er forderte aber auch mehr Hilfe in diesen Staaten. Auch der Günzburger OB Gerhard Jauernig (SPD) wich von der Linie seiner Partei ab. Er sei „viel näher am Geschehen wie mancher Parlamentarier“, so seine Erklärung zur Realitätsferne so manches SPD-Landtagsabgeordneten. „Wenn wir die positive Haltung der Bevölkerung erhalten wollen, müssen wir den Mut haben, dort, wo Missbrauch offenkundig ist, in schärferer Weise vorzugehen.“ Er unterstütze deshalb alle Maßnahmen, die Flüchtlinge aus dem Balkan abschreckten, zur Not sogar Zeltstädte. „Wir stoßen jeden Tag an unsere Grenzen“, warnte Stephan Winter (CSU), Bürgermeister von Mindelheim in Schwaben. Von den Plänen der Staatsregierung, vor allem Balkanflüchtlinge schneller abzuschieben, erhofft auch er sich Entlastung. Zeltstädte lehnt Winter jedoch als „unwürdig“ ab. Jedes Jahr solle ein gewisses Kontingent von Einwanderern aus den Balkanstaaten aufgenommen werden, denn gerade in seiner Region suchten sie Arbeitskräfte. Bürgermeister Björn Jungbauer (CSU) aus Kirchheim (Landkreis Würzburg) ließ wie so viele Kommunen gerade die Turnhalle für 75 Flüchtlinge herrichten. „Wir wollen ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Damit die Stimmung nicht kippe, sei es aber wichtig, nur solchen Menschen Asyl zu gewähren, die es wirklich benötigten. Für Asylbewerber aus dem Balkan gebe es laut Jungbauer kaum Rückhalt in der Bevölkerung.

Kaufbeuren fordert rot-grüne Kursänderung bei Drittstaaten

Mit einem Aufruf an die Bundesregierung, den Bundesrat und die Bayerische Staatsregierung hat sich der Stadtrat von Kaufbeuren mehrheitlich für eine Kursänderung in der aktuellen Asylpolitik ausgesprochen. Kern der von der CSU beantragten Resolution ist die Forderung an den Bundesrat, verschiedene Balkanländer wie Serbien, Bosnien oder Montenegro als sichere Drittstaaten einzustufen, um unberechtigte Asylanträge aus diesen Ländern schneller ablehnen zu können. Oberbürgermeister Stefan Bosse und CSU-Fraktionssprecher Thomas Jahn betonten übereinstimmend, dass die Grenze der Leistungsfähigkeit der Kommunen erreicht ist. In Kaufbeuren zum Beispiel sind jetzt alle städtischen Wohnmöglichkeiten mit Ausnahme von Notunterkünften wie etwa Turnhallen mit Flüchtlingen belegt. Die Stadt hat zahlreiche neue Stellen für die Betreuung von Asylbewerbern schaffen müssen.

Sie unterbreiten keinen einzigen Lösungsvorschlag, wie man die Aufnahmekapazitäten für politisch Verfolgte erhalten kann und diffamieren stattdessen diejenigen, die nach Problemlösungen suchen.

Thomas Jahn, CSU-Fraktionssprecher Kaufbeuren

An manchen Schulen im Stadtgebiet herrschen schwierigste Zustände, wenn Kinder ohne Deutschkenntnisse, die oftmals durch ihre Flucht traumatisiert sind, integriert, betreut und unterrichtet werden müssen.

OB Stefan Bosse: „Ich unterstütze den Antrag der CSU und die Bemühungen der Bayerischen Staatsregierung, konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Lage der Kommunen zu unterbreiten. Dazu gehört die Einstufung verschiedener Balkanstaaten als sichere Drittstaaten. Wir wollen damit sicherstellen, dass wir auch in Zukunft in der Lage sind, politisch Verfolgte aufnehmen zu können.“ Thomas Jahn zeigte sich über die polemischen und größtenteils unsachlichen Attacken von Sprechern der SPD, der Grünen und der FDP gegen die CSU verwundert: „Sie unterbreiten keinen einzigen Lösungsvorschlag, wie man die Aufnahmekapazitäten für politisch Verfolgte erhalten kann und diffamieren stattdessen diejenigen, die nach Problemlösungen suchen.“ Stadtrat und Bundestagsabgeordneter Stephan Stracke (CSU) betonte ebenfalls, dass im ersten Halbjahr 2015 etwa 50 Prozent der Asylanträge von Menschen aus Serbien, Montenegro oder Bosnien gestellt wurden, also aus Ländern, in denen keine Verfolgung besteht. Stracke kritisierte die Vertreter der SPD und der Grünen: „Sie wollen Asylverfahren für eine unkontrollierte Zuwanderung nach Deutschland benutzen und verschleiern den Menschen Ihre wahren politischen Ziele.“

Klare bayerische Linie zeigt Wirkung

Deutliche Wirkung hat bislang die klare bayerische Linie gezeigt, den Aufenthalt abgelehnter kosovarischer Asylbewerber konsequent zu beenden. Mit der dreizehnten Sammelabschiebung seit Februar 2015 wurden weitere 94 kosovarische Asylbewerber heute vom Münchner Flughafen direkt nach Pristina gebracht. Wurden im Februar 2015 noch 3.525 neue Asylbewerber aus dem Kosovo in Bayern registriert, reduzierte sich die Anzahl nach den Worten von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann im Juni 2015 auf 50. Herrmann kritisierte erneut die Verantwortungslosigkeit und die Realitätsferne rot-grüner Asylpolitik: „Wer nicht erkennt, dass unser Asylsystem organisatorisch, personell und finanziell an den Grenzen der Belastbarkeit angekommen ist, handelt verantwortungslos. Und er setzt sich in eindeutigen Widerspruch zur geltenden Rechtslage. Wir müssen dem massenhaften Asylmissbrauch aus dem Westbalkan endlich einen Riegel vorschieben. Wer das nicht wahrhaben will, zerstört auf Dauer auch die positive Einstellung der Bevölkerung gegenüber wirklich verfolgten Menschen.“ Herrmann forderte die rot-grüne Bundesratsmehrheit erneut dazu auf, die bisherige Haltung zu überdenken und daran mitzuwirken, den Kosovo, Albanien und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Bayern sei zu einem schnellen Gesetzgebungsverfahren bereit. Aus Bayern wurden in diesem Jahr mit Sammelabschiebungen insgesamt bereits 1168 ausreisepflichtige Ausländer in ihre Heimatländer zurückgeführt.

Unser Asylsystem hat organisatorisch, personell und finanziell seine Grenzen erreicht.

Volker Bauer, MdL

„Es ist schade, wie die Kollegen der Opposition hier und im Bundesrat die Realität verkennen. Durch die Blockadehaltung bei der Anerkennung der Westbalkanländer als sichere Herkunftsstaaten, mit der Auszahlung von Geld statt Sachmitteln und mit der Ablehnung einer schnelleren Abschiebung senden sie falsche Anreize“, sagte der Landtagsabgeordnete Volker Bauer. „Unser Asylsystem hat organisatorisch, personell und finanziell seine Grenzen erreicht. Ich bewundere die Helfer vor Ort. Aber irgendwann können auch sie nicht mehr. Vor allem im Hinblick auf den kommenden Winter, der Landespolitik und Kommunen vor größere Herausforderungen stellen dürfte. Da hilft kein Schwadronieren über ein noch stärkeres Engagement der EU in der Entwicklungsarbeit, sondern nur ganz konkretes Handeln.“

Der CSU-Politiker verurteilte außerdem Unterstellungen der Grünen gegenüber dem Sozialministerium und dem BAMF, die Kommunen könnten aufgrund politischen Versagens nicht vorausschauend genug agieren und müssten „von einer Woche zur nächsten“ planen. Bauer wörtlich: „Manchmal glaube ich, die Kollegen denken, die Asylbewerber schreiben, bevor sie sich in die Hände von skrupellosen Schleppern begeben oder im Kosovo in den Bus setzen, eine Anmeldekarte ‚Bin in 7 Tagen da. Holt mich bitte vom Busbahnhof ab‘.“ Mit Blick in die Kommunen fügte er hinzu: „Mit der politischen Tolerierung des massenhaften Missbrauchs von Asyl trägt die Opposition sicherlich nicht dazu bei, die Akzeptanz und den Einsatz für die wirklich Hilfsbedürftigen in der Gesellschaft aufrecht zu erhalten.“

Herr Maas muss sich fragen lassen, wie weit er und die SPD sich eigentlich von der Realität in den Kommunen und den Problemen vor Ort bereits entfernt haben.

Michael Frieser, MdB

Auch der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Michael Frieser, unterstützt die Pläne des Freistaats: „Die Zugangszahlen der vergangenen Monate belegen weiterhin einen nahezu ungehinderten Zustrom von Asylbewerbern aus Südosteuropa. Er umfasst konstant mindestens 40 Prozent aller Asylbewerber. Dies ist nicht nur ein offensichtlicher Missbrauch unseres Grundrechts auf Asyl, sondern auch unserer Aufnahmebereitschaft. Die Aufnahmekapazitäten in vielen Städten und Gemeinden sind vollständig ausgereizt.“

Die aufgesetzte Empörung der Opposition und des Bundesjustizministers sei nicht nur realitätsfern, sondern auch eine Missachtung der geltenden Rechtslage. „Herr Maas muss sich fragen lassen, wie weit er und die SPD sich eigentlich von der Realität in den Kommunen und den Problemen vor Ort bereits entfernt haben“, so Frieser. Armut und der Wille, hierzulande zu arbeiten, sind nach deutschen Recht schlicht keine Asylgründe.

Grüne und das Grundgesetz

Das sieht die Vorsitzende der Grünen Jugend, Theresa Kalmer, ganz anders. Sie kritisierte im Tagesspiegel die Bereitschaft des grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, zu Verhandlungen über die Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten mit diesen Worten: „Es ist mit grüner Politik nicht zu vereinbaren, Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu ernennen, in denen Geflüchtete an Armut leiden oder Minderheiten politisch verfolgt werden.“ Da widerspricht grüne Politik wohl mal wieder dem Grundgesetz.

Andere Länder, andere Sitten

Ein Blick über die Grenzen macht deutlich, wie liberal die deutsche Asylpolitik eigentlich ist: Österreich, das mit 41.000 Flüchtlingen laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ebenfalls an der „Kapazitätsgrenze“ angelangt ist, will die Sozialleistungen für Zuwanderer aus dem Balkan begrenzen. Allein zwischen Januar und Mai 2015 seien 20.620 Asylanträge gestellt worden, im Vorjahreszeitraum waren es gerade einmal 7279 – ein Anstieg um 183 Prozent. Ungarn baut derzeit an einem 175 Kilometer langen Grenzzaun, um sich gegen den Zustrom aus Serbien abzuschotten. Dänemark kündigte vor Kurzem an, wieder Grenzkontrollen einzuführen und aus Polen ist zu hören, man wolle künftig ausschließlich christliche Flüchtlinge aufnehmen. Großbritannien, das im letzten Jahr lediglich 143 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hatte, will nun vor allem die Einwanderung aus den EU-Ländern stoppen.