Die Bauvorschriften sind zu kompliziert, Genehmigungen dauern zu lang. Darin sind sich Unionspolitiker, Kommunen und Mittelständler einig. (Foto: imago images/Sven Simon)
Baurecht

Weniger Vorschriften, schnellere Genehmigungen

Die Bauordnungen müssen einfacher werden, vor allem im Sinn der Häuslebauer und Mittelständler. Darin sind sich Wirtschaftsverbände, Kommunen und Unionspolitiker einig. Besonders im Visier: das Verbandsklagerecht und übertriebener Brandschutz.

Bei Unionspolitikern, Häuslebauern, Kommunalverbänden und Unternehmern herrscht Einigkeit: Die herrschenden Bauvorschriften sind zu kompliziert und ein Hemmschuh für eine gedeihliche Entwicklung bei Wohnungs- und Gewerbeimmobilien. Insbesondere Mittelständler klagen über komplizierte Regelungen. Im Einzelnen monieren sie beispielsweise, man finde wegen der Vorschriften kaum einen Architekten, der bereit sei, etwa bei Erweiterungen von Altbau-Immobilien das Brandschutz-Protokoll zu unterschreiben. Auch auf dem Wohnungsbau-Sektor schaut es mau aus: Die Zahl der Wohnungs-Baugenehmigungen in Bayern ist im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zu 2018 zurückgegangen, und zwar laut Landesamt für Statistik um 954 Wohnungen.

Die Zahl der Bauvorschriften hat sich in den letzten Jahren von 5000 auf 20.000 vervierfacht.

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, verlangt einen „konsequenten Abbau überflüssiger Standards“. Verfahrensrechtliche Vorgaben im Vergaberecht, im Baurecht, aber auch bei den Förderrichtlinien des Bundes und der Länder müssten deutlich gestrafft werden, sagte er dem Handelsblatt. „So hat sich die Zahl der Bauvorschriften in den letzten Jahren von 5000 auf 20.000 vervierfacht“, erklärte Landsberg. Hier müsse „dringend“ umgesteuert werden. Nötig sei etwa eine Vereinheitlichung der 16 verschiedenen Landesbauordnungen. Das Baurecht fällt in die Kompetenz der Länder.

Baurecht ist eine der Hauptsorgen der deutschen Firmen

Genau so sieht es auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer. „Eine Top-Forderung der Betriebe ist die Beschleunigung von Planverfahren beispielsweise für den Energienetz-, Breitband- oder Verkehrsausbau. Das zeigen uns regelmäßig unsere Unternehmensbefragungen“, sagte er im Handelsblatt. „Denn gravierende Infrastrukturdefizite behindern Unternehmensansiedlungen.“ Davon sind laut Schweitzer nicht nur Händler und Dienstleister betroffen, sondern auch Hersteller von Industrieanlagen, die geeignete Wege für ihre Schwertransporte benötigten.

Ich frage mich schon, ob als zweiter Fluchtweg bei Neubauten nicht auch einfach eine Leiter reicht.

Ulrike Scharf (CSU), Mitglied im Landtagsausschuss für Bauen und Wohnen

Bau- und Wirtschaftspolitiker von CDU und CSU fordern ebenfalls klare Vereinfachungen des Baurechts. „Wir müssen das Baurecht vereinfachen. Bauen muss schneller, kostengünstiger, nachhaltiger, flächensparender und einfacher werden“, sagt die frühere bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) dem BAYERNKURIER. Sie findet beispielsweise Vorschriften beim Brandschutz übertrieben: „Es ist an der Zeit, die hohen Standards kritisch zu hinterfragen. Viele Vorschriften bei Lärm- und Brandschutz erhöhen die Hürden des Bauens und müssen überarbeitet werden“, unterstreicht Scharf, die auch stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises Wohnen, Bau und Verkehr der CSU-Landtagsfraktion ist.

Vollständige Digitalisierung der Ämter könnte einen Schub bringen

„Ich frage mich schon, ob als zweiter Fluchtweg bei Neubauten nicht auch einfach eine Leiter reicht“, präzisiert Scharf im Münchner Merkur. Selbst teure Brandschutzgutachten könnte man sich sparen, „wenn Experten der örtlichen Feuerwehren in die Planung eingebunden werden“. Noch heuer erwartet der Landtag einen Entwurf für eine Baurechtsvereinfachung von Bauminister Hans Reichhart (CSU). Ulrike Scharf moniert weiter, auch Vorgaben bei der Gebäudedämmung sorgten dafür, dass die Preise immer weiter stiegen – und Bauen damit unattraktiv machen. „Eine umfassende Reform des Bayerischen Baurechts ist deshalb zwingend notwendig. Es ist unser Ziel die Änderungen noch in diesem Jahr in den Landtag einzubringen, um so das Bauen im Freistaat deutlich zu beschleunigen“, sagt sie dem BAYERNKURIER.

Digitale Verfahren sind die Zukunft, um der eklatanten Wohnungsnot entgegenwirken zu können.

Ulrike Scharf

Scharf verspricht sich einen massiven Schub des Bau-Antragswesens durch eine vollständige Digitalisierung der Bauämter. „Ein hohes Beschleunigungspotential bietet die Digitalisierung. Digitale Verfahren sind die Zukunft, um der eklatanten Wohnungsnot entgegenwirken zu können“, sagt sie dem BAYERNKURIER. „Die Verfahren müssen durch die Beschränkung von Genehmigungspflichten und die Genehmigungsfiktion zügiger abgewickelt werden. Zur schnelleren Realisierung von Projekten brauchen wir außerdem mehr Personal in den staatlichen Bauämtern.“

Mittelstandsvereinigung kritisiert unhaltbare Zustände

In dasselbe Horn stößt der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann. „Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass in Deutschland Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen, bis Bauvorhaben geplant und genehmigt sind. Das ist ein großes Ärgernis für den Mittelstand“, sagt Linnemann dem BAYERNKURIER. „Wir müssen deshalb schleunigst die rechtlichen Rahmenbedingungen so anpassen, dass schneller geplant und gebaut werden kann.“

Ich verstehe jeden Mittelständler, der sich darüber beklagt, dass sich die Zahl der Bauvorschriften in den vergangenen Jahren vervielfacht hat.

Casten Linnemann (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung

Die langsamen Baugenehmigungen hemmten die Entwicklung – nicht nur einzelner Firmen, sondern der deutschen Wirtschaft insgesamt, kritisiert Linnemann. „Ich verstehe jeden Mittelständler, der sich darüber beklagt, dass sich die Zahl der Bauvorschriften in den vergangenen Jahren vervielfacht hat. Das lähmt nicht nur den Mittelstand, sondern die gesamte deutsche Volkswirtschaft. Viele dieser Vorschriften, vor allem die veralteten EU-Vorschriften auf Basis der Aarhus-Konvention, gehören auf den Prüfstand.“

CDU fordert Einschränkung des Verbandsklagerechts

Ein vierköpfiges Team hat – mit Linnemanns Beteiligung – für die CDU-Führung einen „11-Punkte-Plan für schnelleres Planen und Bauen“ entworfen, in dem steht, was sich vordringlich ändern muss. Um Verfahren zu beschleunigen, sollten etwa das Klagerecht von Umweltverbänden eingeschränkt, das Personal in Behörden aufgestockt und Bürger besser beteiligt werden, heißt es in dem fünfseitigen Papier, aus dem das Handelsblatt zitiert. Einer der Gründe, warum es von der Planung bis zum Baubeginn häufig viele Jahre oder sogar Jahrzehnte dauert, liegt aus Sicht der Christdemokraten in der wachsenden Zahl geltender planungs- und umweltrechtlicher Vorgaben.

Umweltverbände sollen nur klagen dürfen, wenn die Belange des entsprechenden Verbands direkt betroffen sind oder eine ordnungsgemäße Beteiligung der Umweltverbände im Genehmigungsverfahren nicht gegeben war.

Zitat aus dem „11-Punkte-Plan für schnelleres Planen und Bauen“ der CDU

Zum Vorschlag, das Klagerecht von Umweltverbänden einzuschränken, heißt es in dem 11-Punkte-Plan der CDU: „Umweltverbände sollen nur klagen dürfen, wenn die Belange des entsprechenden Verbands direkt betroffen sind oder eine ordnungsgemäße Beteiligung der Umweltverbände im Genehmigungsverfahren nicht gegeben war.“ Ansonsten werde das Verbandsklagerecht pauschal für die Blockade von Infrastrukturprojekten benutzt. Die Klagen von Umweltverbänden sollten sich auf umweltbezogene Rechtsvorschriften beschränken.

Scharf fordert bessere Dachboden-Nutzung

Noch weiter geht die CSU-Landtagsabgeordnete Ulrike Scharf mit ihren Forderungen: Sie will nicht nur die Abläufe straffen, sondern auch die Bauordnung entrümpeln. „In unseren Städten stehen unzählige Dachböden leer. Viele könnte man leicht in zusätzliche Wohneinheiten umwandeln.“ Deswegen hält sie es für realistisch, beispielsweise die Anhebung des Kniestocks um einen Meter genehmigungsfrei zu erlauben. Außerdem sollte so manche Stellplatzsatzung geändert werden, meint sie. „In der Erdinger Innenstadt kostet ein Parkplatz rund 10.000 Euro. Wenn zehn Wohnungen auf diese Weise entstehen, sind das 100.000 Euro. Das macht die Investition uninteressant.“