Wo die Schandis Waben haben: Auf dem Dach des Münchner Polizeipräsidiums pflegen Beamte ihr Bienenvolk. (Foto: J.Brandl)
Umwelt

Nichts als Honig im Kopf

Mit der Diskussion um die Rettung der Artenvielfalt entdecken immer mehr Bayern die Lust am Imkern: auf blühenden Alpenwiesen ebenso wie auf Balkonen und Dachterrassen in der Stadt. Sogar die Münchner Polizei schleudert Honig.

Engagierten Golfern hätte man solch eine Hingabe kaum zugetraut. Dass die Freizeitsportler eigene Bienenstöcke am Rande der Grüns positionieren, überrascht selbst viele Umweltschützer. Inzwischen gibt es bayernweit rund vierzig Golfanlagen, die sich dem selbstverpflichtenden Programm „Golf & Natur“ angeschlossen haben und damit Bienen auf ihrem Areal einen bunten Lebensraum bieten. Etablierte Golfclubs, wie etwa in Thalkirchen, Straßlach, Eichenried, Wörthsee oder aber auch in Lauterhofen und Abensberg, ernten sogar eigenen Honig.

Der Bayerische Golfverband mit Sitz in München ist zudem Partner des Projekts „München floriert“ von der Deutschen Wildtier Stiftung, dessen Ziel es ist, artenreiche Wildblumenwiesen zu schaffen und zu erhalten, um so auch das Nist- und Nahrungsangebot für Wildbienen zu verbessern. Verbandsgeschäftsführerin Heidrun Klump ist stolz auf dieses Engagement: „Auf unseren Golfanlagen dürfen keinerlei Insektengifte gespritzt werden, sodass wir nicht nur auf dem Papier eine umweltfreundliche Sportart betreiben.“

Nektar auf jedem Hektar

Was auf bayerischen Golfplätzen passiert, ereignet sich landesweit auch auf Wiesen, Feldern oder städtischen Dachterrassen. Nach der Diskussion um das europaweite Insektensterben und dem damit verbundenen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ beschäftigen sich in Bayern jetzt immer mehr Menschen mit den fleißigen Insekten, die mit Rind und Schwein zu den wichtigsten Nutztieren gehören. Für den Erhalt der Artenvielfalt steigen nun auch immer mehr Hobby-Imker ins Honig-Business ein. Egal ob auf dem Land oder in der Stadt: Imkern liegt im Trend und damit wächst auch die Nachfrage nach regionalem Honig sowie die Anzahl an Schnupperkursen und Seminaren, in denen Bienenfreunde das Imkerhandwerk lernen können.

Das zeigen auch aktuelle Zahlen. In den vergangenen fünf Jahren sind nach Angaben des bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten etwa 4.000 neue Imkerinnen und Imker in die Bienenhaltung eingestiegen. Damit ist die Anzahl der aktiven Imker auf rund 35.000 gewachsen. Aufgrund des günstigen Wetters im vergangenen Sommer hat im Schnitt jeder bayerische Imker 37 Kilo Honig eingebracht. Mit rund 300.000 Bienenvölkern besitzt Bayern mehr als ein Drittel des deutschen Bienenvölkerbestands.

Blühstreifen entlang der Straßen

Um den Bestand zu vermehren, der durch die sogenannte Varroa-Milbe sowie den Einsatz von Pestiziden als gefährdet gilt, reagiert auch die Bayerische Staatsregierung auf das Insektensterben. Im Mai haben die Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern das aus dem Volksbegehren hervorgegangene Gesetzespaket für mehr Umwelt- und Artenschutz in den Landtag eingebracht und damit ein neues Kapitel beim Artenschutz aufgeschlagen. Im Juli sollen die Gesetze verabschiedet werden, zu denen auch eine angepeilte Halbierung beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gehört. Das würde den Bienen sehr helfen, die etwa 80 Prozent aller Nutz- und Wildpflanzen im Freistaat bestäuben und so auch die Erträge der Landwirtschaft sichern.

Mit den Bienen-Highways leisten wir unseren Beitrag, die Insektenvielfalt zu erhalten.

Hans Reichhart, Verkehrsminister

Für Bayerns Imker ist die Ini­tiative der Landesregierung ein politisch äußerst wichtiger Schritt. Umso mehr begrüßen sie das Anfang Mai gestartete bayernweite Pilotprojekt des sogenannten „Bienen-Highways“ von Ministerpräsident Markus Söder und Verkehrsminister Hans Reichhart. Damit wird entlang der Bundesstraße 14, westlich von Lauf an der Pegnitz, zunächst ein rund 1.250 Meter langer Blühstreifen als Rückzugsgebiet für Insekten ausgesät. Söder bekräftigt: „Im Bayerischen Aktionsprogramm für die Insektenvielfalt bündeln wir solche Projekte, denn jedes einzelne trägt ein Stück zum Erhalt unserer Natur und Heimat bei.“ Damit werde Bayern zum „Modell und Trendsetter“ für ganz Deutschland.

Die Bienen vor dem Ministerium

Das Vorhaben geht jedoch weit über das Thema Bienenrettung hinaus. So soll auch der Ökolandbau stärker gefördert, Bauern für Umweltmaßnahmen besser entlohnt und Jungbauern eine bessere Perspektive geboten werden. In bayerischen Schulen sollen zudem Themen wie Natur und Landwirtschaft in dem neuen Schulfach „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ gebündelt werden. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber traf sich etwa bereits im vergangenen Jahr mit Kindern einer Grundschule in München, um mit den Schülerinnen und Schülern Honig zu schleudern.  Das Besondere dabei: Der Honig stammte von Stadtbienen aus dem Vorgarten des Ministeriums.

Wir müssen Kindern und Jugendlichen den großen ökologischen Wert unserer Bienen bewusst machen.

Michaela Kaniber, Landwirtschaftsministerin

Eine typische Imker-Karriere im neuen Stil verkörpert der Oberpfälzer Werner Drexler. Der Braumeister lebt in einem 300-Seelen-Dorf nahe Regensburg und hütet dort hobbymäßig sechs Bienenvölker. Vor wenigen Jahren fiel ihm schon bei einem Gang durch seinen Obstgarten auf, dass dort gar keine Bienen mehr herumschwirren. Gemeinsam mit seinem Sohn entschied sich der 51-Jährige schließlich, einen Anfängerkurs für Freizeit-Imker zu besuchen. Ein Jahr später investierte Drexler in professionelle Ausrüstung, wofür er mit rund 30 Prozent vom Freistaat unterstützt wurde. Mittlerweile erntet Drexler rund 40 Kilo Honig im Jahr und verkauft diesen überwiegend im Bekanntenkreis. „Das Imkern ist ein beruhigender Ausgleich zum Alltag“, sagt der Bienen-Freund, „und ich finde es toll, dass seit dem Volksbegehren und dem Engagement in der Politik immer mehr Leute die Bienenzucht für sich entdecken.“

Bienenstöcke in den Städten

Während die Honigproduk­tion auf dem Lande einer langen Tradition folgt, nimmt das Bewusstsein für Bienenpflege auch in den Städten gerade deutlich zu. Grund dafür sind unter anderem so engagierte Initiativen wie „München floriert“, bei der neben dem Bayerischen Golfverband auch das Baureferat, die Schlösser- und Seenverwaltung, der Tierpark Hellabrunn, der Kleingartenverband und der Landesverband für Wald- und Naturkindergärten in Bayern mitziehen.

Auch die Stiftung für Mensch und Umwelt ist entschlossen, mit „Bayern summt!“ die Artenvielfalt nachhaltig zu stabilisieren. Der Bayerische Naturschutzfonds fördert diese Initiative bis 2020 im Rahmen der Aktion „Natur in der Stadt“ des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz. „Mit dem Projekt wollen wir zeigen, dass es auch im städtischen Raum möglich ist, Wildbienen zu schützen und zu fördern“, sagt Stiftungs-Geschäftsführer Hilmar Freiherr von Münchhausen. Denn gerade in den Städten gebe es heute eine große Vielfalt an Pflanzen und kaum Einsatz von Pestiziden.

Honiggolfer und Blaulichtbienen

Münchens Ordnungshüter können das bestätigen. So ließ sich auch das Polizeipräsidium in der Ettstraße vom Trend zum Imkern inspirieren. Schon seit knapp vier Jahren summt es dort auf der Dachterrasse des Polizeigebäudes gegenüber den Türmen der Frauenkirche in mehreren Bienenstöcken. Initiator der Aktion ist Hauptkommissar Jürgen Brandl, der inzwischen auch Kollegen von Bereitschafts-, Verkehrs- und Kriminalpolizei zum eigenen Honig inspirieren konnte. „Uns geht es darum, dass die Polizei nicht nur für Recht und Ordnung sorgt, sondern auch für mehr Natur in der Stadt“, sagt Bienen-Polizist Brandl. Er freut sich sehr, „dass in den Artenschutz jetzt endlich Bewegung kommt“.

Seit 2015 imkern die Beamten schon auf dem Dach des Präsidiums. Dabei leisten sie für die bayerische Hauptstadt ihren ökologischen Beitrag zu Umweltschutz und Biodiversität, ganz ohne Verhaftungen oder Strafzettel. Sie laden Schulkinder zum Info-Unterricht aufs Dach, verkaufen auch kleinere Chargen ihres Honigs – und wurden im vergangenen Jahr sogar als Vorzeigeprojekt der UN-Dekade „Biologische Vielfalt“ ausgezeichnet.