Daheim in Franken: Bäckermeister Andreas Fickenscher mit seinem "Heimatbrot". (Foto: dpa/N. Armer)
Handwerk

Schmeckt nach Heimat

Nach jahrelangem Trend zu Discount-Backshops feiern traditionelle Handwerksbäckereien eine Wiederauferstehung. Mit kreativen Rezepten, regionalen Zutaten, ausgefallenen Gewürzen und mit hohem Qualitätsanspruch machen sie der Billigbrez'n Kokurrenz.

Er ist wahrscheinlich der beliebteste Bäckermeister in ganz Oberfranken. Andreas Fickenscher produziert Brote, Semmeln und Gebäck ganz ohne die sonst üblichen Fertigmischungen und Zusatzstoffe. In Fickenschers Backstube in Münchberg nahe Hof, gehen die Lichter am Morgen erst vergleichsweise spät an. Der 45-Jährige gönnt seinen Teigen eine lange Reifezeit, die sie für die volle Geschmacksentfaltung brauchen. Meister Fickenscher ist von seinem Konzept überzeugt: „Wir setzen auf echtes Handwerk und regionale Rohstoffe.“

Sein Betrieb gilt als Musterbeispiel für den Trend zu einer neuen Backphilosophie. Mit kreativen Rezepturen erlebt das Handwerk eine echte Renaissance. Nach jahrelangem Konzentrationsprozess in der Branche, nach dem Trend zu schnellen Backshops und Discounter-Semmeln, schätzen Konsumenten offenbar wieder handgemachte Produkte aus dem Bäcker-Ofen.

Rückbesinnung auf Qualität und Regionalität

Im Freistaat listet der Landes-Innungsverband 2.600 Handwerksbäckereien auf, wovon jeder Betrieb jährlich einen Durchschnittsumsatz von mehr als einer Million Euro erzielt. Im vergangenen Jahr kamen in Bayerns Bäckereien insgesamt Umsätze von mehr als 2,6 Milliarden Euro zusammen. Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer vom Zentralverband des Bäckerhandwerks, blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Vor allem die Rückbesinnung auf Qualität und Regionalität sind vielversprechende Erfolgsrezepte für unsere Zunft“.

Bäcker Fickenscher bedauert, dass Brot heutzutage immer noch „viel zu sehr verramscht wird“. Um seinen Backwaren einen attraktiven Stellenwert zu geben, startete er das Projekt „Heimatbrot“ – ein Gegenprogramm zu Quickbroten und Blitzbrezen vieler Supermärkte. Diese spezielle Sorte, die inzwischen zu den Topsellern seiner Läden gehört, verfeinert Fickenscher mit regionalen Zutaten wie Kartoffeln, Gewürzen, Kräutern und dem eher seltenen fränkischen Spitzkohl. Und auch das ist ein Novum für die bayerische Bäckerzunft: Fickenscher bezog in sein Projekt die Kunden ein, die angeben sollten, welche regionalen Zutaten sie sich im Heimatbrot wünschen.

Handwerkskunst mit regionalem Bewusstsein weiterzuentwickeln, finde ich großartig.

Alexander Herrmann, TV-Koch

Diese Herangehensweise schätzt auch der Kulmbacher Sterne- und Fernsehkoch Alexander Hermann, der nach eigenen Aussagen im Leben auf vieles verzichten kann, aber nicht auf den Genuss eines guten Stückes Brot. „Fickenschers Idee, seine Handwerkskunst mit regionalem Bewusstsein weiterzuentwickeln, finde ich großartig“, schwärmt Hermann und kreierte dazu gleich einen passenden Brotaufstrich.

Auch Sonja Laböck ist begeistert von innovativen Brotprojekten. Die 41-Jährige Münchnerin beherrscht ihr Handwerk sowohl als Bäckermeisterin und auch als Konditorin. Als ausgebildete Brotsommelière weiß sie genau, wie ein Brot aussehen, duften und schmecken soll. Mit ihrem Mann Martin Schmidt führt sie erfolgreich die Brotmanufaktur Schmidt. Dort entwickelte die Meisterin kürzlich ein Brot namens „Sexy Alive“, das sich durch Zutaten wie Walnüsse, Pekannüsse und Chia-Samen positiv auf das Wohlbefinden auswirken soll. Als einer der Topseller gilt die „Bauernkruste“, die neben Gewürzen wie Anis, Koriander oder Fenchel ihren individuellen Kick durch Traubenzucker und Kirschpulver bekommt.

Körnergretl und Gewürzmichl

Auch Bäcker Arnd Erbel aus Dachsberg in Mittelfranken beliefert landesweit Sterneköche, die seine Qualität und Liebe zum Detail schätzen. So produziert Erbel, der den Familienbetrieb in zwölfter Generation führt, seinen Teig ganz ohne moderne Maschineneinsatz. „Ich will den Teig mit eigenen Händen fühlen, den Duft der Zutaten inhalieren, die Wärme der Öfen spüren“, schwärmt der Franke. Zu seinen wichtigsten Besuchern zählen Kinder. Sie sind für den Bäckermeister die besten Geschmacksindikatoren. Mit Gattin Frau Michaela lädt Erbel regelmäßig Schulklassen und Kindergartengruppen zum gemeinsamen Backen ein.

Nur wenige Kilometer von Erbels Stammsitz entfernt fusionierten gleich zwei gelernte Bäckermeister für ihr aktuelles Erfolgsrezept. Marcus Fischer und Jürgen Bräuninger lernten einander in der Meisterschule kennen. Jahrelang tauschten sich die Franken über das Handwerk aus, bis ihre Idee für das „BrotHaus“ gereift war. Vor sechs Jahren öffneten sie eine Produktionsstätte im fränkischen Burgbernheim und teilen sich nun gemeinsam einen prächtigen Holzofen. Zusammen leiten die Bäckermeister inzwischen 62 Geschäfte im Umkreis. Dort bieten sie Brotkreationen an wie die „Körnergretl“ oder den „Gewürzmichl“.

Ähnliches versucht auch Bäcker Fickenscher mit einer individuellen Vielfalt spezieller Brottypen. Insgesamt 18 Sorten führt der Oberfranke in seinem Portfolio. Der Bäckermeister freut sich, dass seine Kunden ein neues Brotbewusstsein entwickeln. „Brot bekommt bei uns eine Bühne“, resümiert der Backpionier. Damit der einstige Sattmacher endlich zum akzeptierten Lebenskunst-Produkt avanciert.